„<i>Lieber Sohn Alfred Kurt!<br />
<br />
Dein Päckchen 5. 11. dankend erhalten. Mit Schrecken erhielt ich den Brief aus dem Lazarett, ist hoffentlich nicht so schlimm? </i>[...] <i>Mutter ist doch noch auf dem Posten? Hat viel Kummer und Sorge um mich? Hoffentlich sehen wir uns noch einmal gesund wieder. </i>[...] <i>Das Wetter ist kühl und nass und feucht, die Luft lässt nach. </i>[...] <i>Schreibe bitte Mutter ich möchte Zahnbürste, Ohrenschützer, Süßstoff und Deine Leinewandlappen. Entschuldige schlechte Schrift, auf dem rohen Tisch geschrieben. Bleibe schön aufrecht und denke an mich, wie ich an Euch denke.</i><br />
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Kurt Gärtner, KZ Sachsenhausen, 3. 12. 1944<br />
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Der Tischler Kurt Gärtner, Sohn eines Tuchmachers, wurde 1898 in Guben Mitglied der SPD und des Deutschen Holzarbeiter-Verbandes. Er konnte wegen seiner gewerkschaftlichen Aktivitäten 1905 in Guben keine Arbeit mehr finden und zog nach Berlin. Von 1914 bis 1918 war er Soldat im Ersten Weltkrieg und trat zur USPD über. 1919 wurde er in die Stadtverordnetenversammlung der damals noch selbständigen Stadt Neukölln gewählt. Als Nachrücker war er seit Ende 1920 Mitglied der BV Neukölln. 1922 trat er wieder in die SPD ein. Lange Jahre war er als Hauptkassierer und Grundbesitzverwalter hauptamtlicher Funktionär des Deutschen Freidenker-Verbandes. 1933 wurde er als Stadtverordneter wiedergewählt. Nach dem SPD-Verbot vom Juni und der Verordnung zur Sicherheit der Staatsführung vom Juli 1933 wurde ihm das Mandat entzogen und die Tätigkeit als Stadt- und Bezirksverordneter verboten. Am 30. 6. 1933 wurde er als Angestellter des Deutschen Freidenker-Verbandes entlassen. Seinen Sohn Karl nahm die Gestapo fest, wegen Fortführung der verbotenen Internationalen Liga für Menschenrechte. Er war vier Monate lang in Haft, bevor er in die Tschechoslowakei emigrierte, wo seine Schwester lebte und ihm zu Arbeit verhalf. 1937 kehrte er nach Berlin zurück, wo sein Vater mittlerweile eine Praxis als Heilpraktiker eröffnet hatte. 1943 wurde Kurt Gärtner vom Polizeipräsidenten die Fortführung dieser Tätigkeit verboten. Im Zuge der Aktion „Gewitter“ wurde er am 22. 8. 1944 verhaftet und in das KZ Sachsenhausen gebracht, wo er einige Monate später starb. Als sich die Angestellten des Friedhofs am Krematorium Baumschulenweg weigerten, die Urne mit den Überresten Kurt Gärtners beizusetzen, beschwerte sich sein Sohn Karl, der in dieser Zeit in einem Lazarett lag, beim Bezirksbürgermeister von Treptow und fügte eine Bescheinigung des politischen Leiters des KZ Sachsenhausen bei, dass sein Vater in „Schutzhaft“ gewesen und nicht vorbestraft sei und auch die bürgerlichen Ehrenrechte nicht verloren habe. Daraufhin entschuldigte sich am 16. 1. 1945 der Bürgermeister, und die Trauerfeier konnte acht Tage später auf dem Friedhof Baumschulenweg stattfinden. Ab 1952 wurde seiner Witwe Lisbeth Gärtner auf ihren Antrag hin eine Witwenrente des Entschädigungsamtes gezahlt.<br />
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Kurt Gärtner war Stadtverordneter<br />
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von 1925 bis 1933 im Wahlkreis 12 Neukölln (SPD)
Dein Päckchen 5. 11. dankend erhalten. Mit Schrecken erhielt ich den Brief aus dem Lazarett, ist hoffentlich nicht so schlimm? [...] Mutter ist doch noch auf dem Posten? Hat viel Kummer und Sorge um mich? Hoffentlich sehen wir uns noch einmal gesund wieder. [...] Das Wetter ist kühl und nass und feucht, die Luft lässt nach. [...] Schreibe bitte Mutter ich möchte Zahnbürste, Ohrenschützer, Süßstoff und Deine Leinewandlappen. Entschuldige schlechte Schrift, auf dem rohen Tisch geschrieben. Bleibe schön aufrecht und denke an mich, wie ich an Euch denke.
Kurt Gärtner, KZ Sachsenhausen, 3. 12. 1944
Der Tischler Kurt Gärtner, Sohn eines Tuchmachers, wurde 1898 in Guben Mitglied der SPD und des Deutschen Holzarbeiter-Verbandes. Er konnte wegen seiner gewerkschaftlichen Aktivitäten 1905 in Guben keine Arbeit mehr finden und zog nach Berlin. Von 1914 bis 1918 war er Soldat im Ersten Weltkrieg und trat zur USPD über. 1919 wurde er in die Stadtverordnetenversammlung der damals noch selbständigen Stadt Neukölln gewählt. Als Nachrücker war er seit Ende 1920 Mitglied der BV Neukölln. 1922 trat er wieder in die SPD ein. Lange Jahre war er als Hauptkassierer und Grundbesitzverwalter hauptamtlicher Funktionär des Deutschen Freidenker-Verbandes. 1933 wurde er als Stadtverordneter wiedergewählt. Nach dem SPD-Verbot vom Juni und der Verordnung zur Sicherheit der Staatsführung vom Juli 1933 wurde ihm das Mandat entzogen und die Tätigkeit als Stadt- und Bezirksverordneter verboten. Am 30. 6. 1933 wurde er als Angestellter des Deutschen Freidenker-Verbandes entlassen. Seinen Sohn Karl nahm die Gestapo fest, wegen Fortführung der verbotenen Internationalen Liga für Menschenrechte. Er war vier Monate lang in Haft, bevor er in die Tschechoslowakei emigrierte, wo seine Schwester lebte und ihm zu Arbeit verhalf. 1937 kehrte er nach Berlin zurück, wo sein Vater mittlerweile eine Praxis als Heilpraktiker eröffnet hatte. 1943 wurde Kurt Gärtner vom Polizeipräsidenten die Fortführung dieser Tätigkeit verboten. Im Zuge der Aktion „Gewitter“ wurde er am 22. 8. 1944 verhaftet und in das KZ Sachsenhausen gebracht, wo er einige Monate später starb. Als sich die Angestellten des Friedhofs am Krematorium Baumschulenweg weigerten, die Urne mit den Überresten Kurt Gärtners beizusetzen, beschwerte sich sein Sohn Karl, der in dieser Zeit in einem Lazarett lag, beim Bezirksbürgermeister von Treptow und fügte eine Bescheinigung des politischen Leiters des KZ Sachsenhausen bei, dass sein Vater in „Schutzhaft“ gewesen und nicht vorbestraft sei und auch die bürgerlichen Ehrenrechte nicht verloren habe. Daraufhin entschuldigte sich am 16. 1. 1945 der Bürgermeister, und die Trauerfeier konnte acht Tage später auf dem Friedhof Baumschulenweg stattfinden. Ab 1952 wurde seiner Witwe Lisbeth Gärtner auf ihren Antrag hin eine Witwenrente des Entschädigungsamtes gezahlt.
Kurt Gärtner war Stadtverordneter
von 1925 bis 1933 im Wahlkreis 12 Neukölln (SPD)