Joachim Glaß

Verlegeort
Hufelandstr. 17
Bezirk/Ortsteil
Prenzlauer Berg
Verlegedatum
30. August 2023
Geboren
22. Oktober 1930 in Berlin
Deportation
am 19. Oktober 1942 von Berlin nach Riga
Ermordet
22. Oktober 1942 in Riga

Joachim Glaß wurde am 22. Oktober 1930 in Berlin als Sohn der Genia (Gina) Glaß geboren. Die Mutter war Jüdin. Sie ist am 9. Februar  1891 in Brodla, Kreis Schanow, heute Polen geboren.[i] Der Vater ist nicht bekannt, war aber ebenfalls ‚jüdischer Abstammung‘, wie die Ergänzungskarte der Volkszählung von 1939 belegt.[ii] Zur Zeit der Volkszählung, also im Mai 1939 wohnte Joachim schon länger in einer Pflegefamilie.

Die Pflegeeltern Samuel und Rose Nakler lebten seit vielen Jahren in der Hufelandstraße 17 und hatten einen Sohn, Heinz Nakler, geboren am 2. November 1910. Ob Joachim den Sohn noch kennengelernt hat, ist nicht klar. Heinz Nakler hat bereits vor dem Zweiten Weltkrieg - wann genau ist unbekannt - Deutschland in Richtung Brasilien verlassen. Unbekannt ist auch, wann Joachim Glass als Pflegekind zu den Naklers kam. Möglicherweise ist er bereits kurz nach der Geburt zur Pflege in die Familie Nakler gekommen, der eigene Sohn war da ja bereits erwachsen.  In der Schulkartei der Reichsvereinigung der Juden ist Joachim 1938 als bei der ‚Pflegemutter‘ Rose Nakler lebend vermerkt. Am 9. April 1937 war sein Schuleintritt in die 8. Klasse der jüdischen Volksschule in der Rykestraße.[iii] Zu dem Zeitpunkt war er demnach bereits bei der Familie Nakler als Pflegekind untergebracht.

Bei der Volkszählung im Mai 1939 wird er als zum Haushalt der Naklers gehörend aufgeführt. Im Sommer 1939 wurde dann der Pflegevater Samuel Nakler festgenommen und in der Hauptverhandlung am 4. Januar 1940 vor der 2. Strafkammer des Landgerichts Berlin  wegen Verstoßes gegen das ‚Gesetz zum Schutz des deutschen Blutes und der deutschen Ehre‘ (damals als ‚Rassenschande‘ bezeichnet) vom 15. Sept. 1935 zu 2 Jahren und 6 Monaten Zuchthaus und der Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte auf 3 Jahre verurteilt. Zu dieser Zeit bemühten sich die Pflegeeltern bereits um ein Aufnahmeland, in das sie auswandern könnten.

Während Samuel Nakler im Gefängnis einsaß, gingen die Bemühungen von Rose Nakler weiter, ein Aufnahmeland zu finden. Schließlich gelang es ihr ein Einreisevisum nach Brasilien zu ergattern. Sie verließ am 4. April 1940 Deutschland in Richtung Rio de Janeiro. Spätestens zu diesem Zeitpunkt mussten die zuständigen Stellen über das weitere Schicksal von Joachim Glass entscheiden. Wann er genau in das ‚Baruch-Auerbachsche Waisenhaus‘ in der Schönhauser Allee 162 gelangte, ist allerdings nicht bekannt.

Am 19. Oktober 1942 wurde Joachim Glaß schließlich mit dem 21. Osttransport nach Riga deportiert.[iv]  Mit diesem Transport wurden ausschließlich Berliner Juden nach Riga deportiert. Unter ihnen befand sich eine große Zahl von Familien mit Kindern. Neben Joachim wurden noch 58 Kinder aus dem Waisenhaus mit diesem Transport deportiert.

Aus diesem Transport wurden nach der Ankunft 81 Männer nach ihrer handwerklichen Geschicklichkeit ausgewählt und zur Zwangsarbeit geschickt, wo sie unter unmöglichen Bedingungen arbeiten mussten. Der Historiker Wolfgang Scheffler gab im Jahr 2002 an, dass nur 17 von ihnen überlebten. Alle anderen Deportierten wurden am 22. Oktober 1942 kurz nach ihrer Ankunft in den Wäldern Rumbula und Bikernieki erschossen. Demnach wurden Joachim Glaß und alle anderen Kinder aus dem Waisenhaus am 22. Oktober 1942 dort ermordet.[v]

Über das Schicksal seiner leiblichen Mutter wissen wir, dass sie am 1. 11. 1941 nach Litzmannstadt (Lodz) deportiert wurde. Dieser vierte Transport aus Berlin nach Lodz fuhr am 1. November vom Bahnhof Grunewald in Berlin ab und kam am 2. November 1941 in Lodz an. Sofort nach der Ankunft beschlagnahmte die Polizei jegliches Geld und Dokumente von den Deportierten und übergab sie an die Gestapo. Dann wurden die Juden in das örtliche Ghetto geführt. Im Zeitraum zwischen dem 4. und dem 15. Mai 1942 wurden viele der aus Berlin vertriebenen und nach Lodz deportierten Juden im Vernichtungslager Chelmno ermordet.[vi]

Quellen

[i] Vgl. hierzu die entsprechende Karteikarte betr. Vermögensverwertung (ITS Arolsen online Archive Dok. 11266723)

[ii] Siehe hierzu die Ergänzungskartei zur Volkszählung im Frühjahr 1939 (BundesA Datenbank)

[iii] ITS Arolsen online Archive Dok. 12655028

[iv] Vgl. hierzu die entsprechende  Transportliste Bl. 15 (ITS Arolsen online Archive Dok. 127207373)

[v] Vgl. hierzu den Bericht über den Transport auf den Webseiten von Yad Vashem. Er basiert auf den Aussagen von überlebenden Augenzeugen. (https://deportation.yadvashem.org/index.html?language=de&itemId=5092668 Zugriff am 29. 5. 2022)

[vi] Vgl. hierzu den Bericht über den Transport auf den Webseiten von Yad Vashem. Er basiert auf den Aussagen von überlebenden Augenzeugen. (https://deportation.yadvashem.org/index.html?language=de&itemId=5092760 Zugriff am 29. 5. 2022)