Martha Rechnitz geb. Heilborn

Verlegeort
Innsbrucker Str. 36
Bezirk/Ortsteil
Schöneberg
Verlegedatum
30. Juli 2005
Geboren
17. August 1877 in Zabrze (Hindenburg/Oberschlesien)
Deportation
am 14. November 1941 nach Minsk
Ermordet
Dezember 1941 in Minsk

Martha Rechnitz lebte seit Mitte der 1920er Jahre in der Innsbrucker Straße 36 in Berlin-Schöneberg. Hierher war sie von Cottbus zugezogen, nachdem ihre Ehe mit dem Fabrikanten Otto Rechnitz geschieden worden war. Ein weiterer Grund mag für sie gewesen sein, dass ihre Tochter Anita mit ihrem Mann Albrecht Bernstein in Berlin lebte und auch der jüngere ihrer beiden Söhne hier wohnte. Martha Rechnitz war damals fast 50 Jahre alt, geboren wurde sie am 17. August 1877 als Martha Heilborn im oberschlesischen Hindenburg, heute Zabrze. Mit etwa 20 Jahren heiratete sie den Fabrikanten Otto Rechnitz, über den nichts bekannt ist, doch wissen wir, dass sie außer der Tochter Anita auch zwei Söhne hatte, Wilhelm (1899-1979) und Waldemar (1901-1978). <br />
<br />
Über das Leben von Martha Rechnitz in ihren ersten Jahren in Berlin gibt es keine Informationen, auch nicht wie sie auf die Einschränkungen und Ausgrenzungen nach der NS Machtübernahme reagierte. Nur aus der Akte, die das Finanzministerium im Oktober 1941 im Zusammenhang mit ihrer Deportation nach Minsk anlegte, lässt sich ihre völlige fiskalische Ausplünderung und die Demütigungen, die ihr ab 1938 in immer neuen Schritten zugefügt wurden, herauslesen.<br />
<br />
Martha Rechnitz war eine vermögende Frau, sie besaß verschiedene Grundstücke, die sie über die Rewa-Grundstücksgesellschaft verwaltetete. Außerdem gehörte ihr ein kleiner Anteil an der seit 1931 eingetragenen Kaulsdorfer Parzellierungsgesellschaft mbH deren Haupteigner ihr Schwiegersohn Alfred Bernstein war. Auch Marthas Söhne hatten Grundbesitz, Dr. Wilhelm Lorenz Rechnitz besaß ein Mehrfamilienhaus in der Memeler Str. 61, Waldemar eines in der Schwedter Str. 32.<br />
<br />
Im Frühahr 1938 beginnt die staatlich verordnete Ausplünderung der Martha Rechnitz. Zuerst muss Sie Angaben über ihr Vermögen beim zuständigen Finanzamt machen. Dazu muss Sie im Juni zusätzlich ihren Schmuck schätzen lassen. Der beim Landesfinanzamt beeidigte Sachverständige bescheinigt einen Wert von 600.-Reichsmark für verschiedene Brillantschmuckstücke. Ein Schlag für die mittlerweile 61jährige muss der Sicherheitsbescheid vom 27. Oktober 1938 gewesen sein, mit dem das Finanzamt Schöneberg vorsorglich 32 500,-RM von ihr einfordert, da vermutet wird, dass sie den inländischen Wohnsitz aufgeben will. Für die dann fällige Reichsfluchtsteuer soll sie sofort ein Viertel ihres Vermögens hinterlegen, selbstverständlich hat das Finanzamt den geschätzten Wert aufgerundet. Martha Rechnitz beleiht nun ihre eigenen Häuser und auch die ihrer beiden Söhne, die Hypothekenbriefe hinterlegt sie am 3. November 1938 beim Finanzamt. <br />
<br />
Im Januar 1939 erhält Martha Rechnitz wie alle zur Vermögenssteuer veranlagten Juden den Bescheid über die neue Sondersteuer, die Judenvermögensabgabe. Sie soll in vier Raten 30200.- RM bezahlen, erneut muss sie ein Grundstück beleihen. Nachträglich wird noch eine fünfte Rate festgesetzt. Als sie diese Nachricht erhält, lebt Martha Rechnitz nicht mehr in Schöneberg, da sie nach der Aufhebung des Mieterschutzes für Juden im Mai 1939 sehr schnell die Kündigung für ihre Wohnung in der Innsbrucker Str.36 erhalten hat. Bevor sie dort ausziehen muss, hat sie ihre Silber- und Schmucksachen abgeben müssen, die von ihr verfasste Zusammenstellung vom März 1939 führt alle Teile des Silberstecks und ihren Schmuck auf. Ihr Vermögen war zu dieser Zeit auf weniger als die Hälfte geschrumpft. Seit Juli 1939 wohnt sie zur Untermiete bei der verwitweten Johanna Malinowski in der Droysenstr. 7 in Charlottenburg. Zu tun hat Martha Rechnitz sehr viel, da sie zur Übergabe der Vermögenswerte ihrer aus Deutschland geflüchteten Kinder herangezogen wird.<br />
<br />
Marthas Sohn Wilhelm war promovierter Altphilologe und seit 1931 als Bibliothekar in Leipzig tätig gewesen. Er hatte Deutschland bereits 1934 verlassen und versuchte mühsam in England Fuss zu fassen. Ob er der Mutter von seinem Übertritt in die anglikanische Kirche berichtet hat, ist nicht bekannt. Wilhelm Rechnitz wurde nach dem Beginn des Krieges als enemy alien interniert und 1940 nach Tartura/Australien deportiert. Vielleicht hat Martha Rechnitz davon erfahren. Er blieb in Australien und wurde 1956 zum anglikanischen Priester geweiht. Auch er war ausgebürgert worden und das Finanzamt Moabit-West zog sein Vermögen, das Haus Memeler Str. 61, ein. Auch hier wurde die Mutter mit herangezogen. Das Verfahren zog ich bis in das Jahr 1941 hin. <br />
<br />
Der 1901 geborene Waldemar Rechnitz war in Berlin geblieben, er lebte mit seiner nichtjüdischen Frau im Peter-Strasser-Weg 22 in Tempelhof. Die „Mischehe“ schützte ihn bis zum Kriegsende vor der Deportation, sein Haus in der Schwedter Str. 32 konnte er nicht behalten. Zum 1. November 1941 verkaufte er das Haus, seine Mutter hatte da bereits die Vermögenserklärung ausgefüllt. Waldemar Rechnitz wanderte nach dem Krieg in die USA aus, er starb 1978 in Florida. <br />
<br />
Tochter Anita flüchtet im Dezember 1938 mit ihrer Familie nach England. Die Folge ist, dass das Ehepaar augebürgert und das Vermögen beschlagnahmt wird. Der Reichs- und Preußische Staatsanzeiger veröffentlicht dies in seiner Ausgabe vom 12. Oktober 1940 und nun wird das Finanzamt Moabit-West tätig. Bereits seit dem 1. Oktober 1939 ist Martha Rechnitz als Abwicklerin für die Firma Kaulsdorfer Parzellierungs-GmbH in Liquidation tätig. Mit der Ausbürgerung ihres Schwiegersohnes und dem Eintreten des Finanzamts Moabit-West als Anteilseigner der Firma wird sie aus dieser Funktion entlassen. Das Finanzamt fordert sie auf, mit allen Büchern und Papieren am 21. November 1940 dort zu erscheinen, damit die Bestellung einer neuen Liquidatorin beurkundet werden könne. <br />
<br />
Auch ihre eigene Grundstücksgesellschaft Rewa befindet sich zu dieser Zeit in Auflösung. Wie viele schwierige Verhandlungen Martha Rechnitz hier führen musste ist nicht belegt, doch ist die Rewa noch im Liquidationsprozess als sie im Oktober 1941 die Vermögenserklärung im Zusammenhang mit ihrer Deportation ausfüllt und mit Datum des 14. Oktober 1941 unterzeichnet. <br />
<br />
Martha Rechnitz wird am 14. November 1941 mit dem 5. Transport nach Minsk verschleppt. Schon zwei Tage zuvor hat sie sich in der Sammelstelle Synagoge Levetzowstraße einfinden müssen. Von dort treiben Ordnungspolizisten die Frauen, Männer und Kinder zum Bahnhof Grunewald und zwingen sie in den bereitgestellten Zug der Reichsbahn. Nach vier Tagen, am 18. November gegen 10 Uhr vormittags, erreicht der Zug Minsk. Martha Rechnitz überlebte das Ghetto nicht lange, sie stirbt im Dezember 1941 in Minsk, ob an Entkräftung oder einer Hungerseuche ist nicht bekannt.<br />
<br />
Von den mit ihr dorthin deportierten Berliner Jüdinnen und Juden überlebten nur drei Männer und eine Frau die Torturen des Ghettos.

Martha Rechnitz lebte seit Mitte der 1920er Jahre in der Innsbrucker Straße 36 in Berlin-Schöneberg. Hierher war sie von Cottbus zugezogen, nachdem ihre Ehe mit dem Fabrikanten Otto Rechnitz geschieden worden war. Ein weiterer Grund mag für sie gewesen sein, dass ihre Tochter Anita mit ihrem Mann Albrecht Bernstein in Berlin lebte und auch der jüngere ihrer beiden Söhne hier wohnte. Martha Rechnitz war damals fast 50 Jahre alt, geboren wurde sie am 17. August 1877 als Martha Heilborn im oberschlesischen Hindenburg, heute Zabrze. Mit etwa 20 Jahren heiratete sie den Fabrikanten Otto Rechnitz, über den nichts bekannt ist, doch wissen wir, dass sie außer der Tochter Anita auch zwei Söhne hatte, Wilhelm (1899-1979) und Waldemar (1901-1978).

Über das Leben von Martha Rechnitz in ihren ersten Jahren in Berlin gibt es keine Informationen, auch nicht wie sie auf die Einschränkungen und Ausgrenzungen nach der NS Machtübernahme reagierte. Nur aus der Akte, die das Finanzministerium im Oktober 1941 im Zusammenhang mit ihrer Deportation nach Minsk anlegte, lässt sich ihre völlige fiskalische Ausplünderung und die Demütigungen, die ihr ab 1938 in immer neuen Schritten zugefügt wurden, herauslesen.

Martha Rechnitz war eine vermögende Frau, sie besaß verschiedene Grundstücke, die sie über die Rewa-Grundstücksgesellschaft verwaltetete. Außerdem gehörte ihr ein kleiner Anteil an der seit 1931 eingetragenen Kaulsdorfer Parzellierungsgesellschaft mbH deren Haupteigner ihr Schwiegersohn Alfred Bernstein war. Auch Marthas Söhne hatten Grundbesitz, Dr. Wilhelm Lorenz Rechnitz besaß ein Mehrfamilienhaus in der Memeler Str. 61, Waldemar eines in der Schwedter Str. 32.

Im Frühahr 1938 beginnt die staatlich verordnete Ausplünderung der Martha Rechnitz. Zuerst muss Sie Angaben über ihr Vermögen beim zuständigen Finanzamt machen. Dazu muss Sie im Juni zusätzlich ihren Schmuck schätzen lassen. Der beim Landesfinanzamt beeidigte Sachverständige bescheinigt einen Wert von 600.-Reichsmark für verschiedene Brillantschmuckstücke. Ein Schlag für die mittlerweile 61jährige muss der Sicherheitsbescheid vom 27. Oktober 1938 gewesen sein, mit dem das Finanzamt Schöneberg vorsorglich 32 500,-RM von ihr einfordert, da vermutet wird, dass sie den inländischen Wohnsitz aufgeben will. Für die dann fällige Reichsfluchtsteuer soll sie sofort ein Viertel ihres Vermögens hinterlegen, selbstverständlich hat das Finanzamt den geschätzten Wert aufgerundet. Martha Rechnitz beleiht nun ihre eigenen Häuser und auch die ihrer beiden Söhne, die Hypothekenbriefe hinterlegt sie am 3. November 1938 beim Finanzamt.

Im Januar 1939 erhält Martha Rechnitz wie alle zur Vermögenssteuer veranlagten Juden den Bescheid über die neue Sondersteuer, die Judenvermögensabgabe. Sie soll in vier Raten 30200.- RM bezahlen, erneut muss sie ein Grundstück beleihen. Nachträglich wird noch eine fünfte Rate festgesetzt. Als sie diese Nachricht erhält, lebt Martha Rechnitz nicht mehr in Schöneberg, da sie nach der Aufhebung des Mieterschutzes für Juden im Mai 1939 sehr schnell die Kündigung für ihre Wohnung in der Innsbrucker Str.36 erhalten hat. Bevor sie dort ausziehen muss, hat sie ihre Silber- und Schmucksachen abgeben müssen, die von ihr verfasste Zusammenstellung vom März 1939 führt alle Teile des Silberstecks und ihren Schmuck auf. Ihr Vermögen war zu dieser Zeit auf weniger als die Hälfte geschrumpft. Seit Juli 1939 wohnt sie zur Untermiete bei der verwitweten Johanna Malinowski in der Droysenstr. 7 in Charlottenburg. Zu tun hat Martha Rechnitz sehr viel, da sie zur Übergabe der Vermögenswerte ihrer aus Deutschland geflüchteten Kinder herangezogen wird.

Marthas Sohn Wilhelm war promovierter Altphilologe und seit 1931 als Bibliothekar in Leipzig tätig gewesen. Er hatte Deutschland bereits 1934 verlassen und versuchte mühsam in England Fuss zu fassen. Ob er der Mutter von seinem Übertritt in die anglikanische Kirche berichtet hat, ist nicht bekannt. Wilhelm Rechnitz wurde nach dem Beginn des Krieges als enemy alien interniert und 1940 nach Tartura/Australien deportiert. Vielleicht hat Martha Rechnitz davon erfahren. Er blieb in Australien und wurde 1956 zum anglikanischen Priester geweiht. Auch er war ausgebürgert worden und das Finanzamt Moabit-West zog sein Vermögen, das Haus Memeler Str. 61, ein. Auch hier wurde die Mutter mit herangezogen. Das Verfahren zog ich bis in das Jahr 1941 hin.

Der 1901 geborene Waldemar Rechnitz war in Berlin geblieben, er lebte mit seiner nichtjüdischen Frau im Peter-Strasser-Weg 22 in Tempelhof. Die „Mischehe“ schützte ihn bis zum Kriegsende vor der Deportation, sein Haus in der Schwedter Str. 32 konnte er nicht behalten. Zum 1. November 1941 verkaufte er das Haus, seine Mutter hatte da bereits die Vermögenserklärung ausgefüllt. Waldemar Rechnitz wanderte nach dem Krieg in die USA aus, er starb 1978 in Florida.

Tochter Anita flüchtet im Dezember 1938 mit ihrer Familie nach England. Die Folge ist, dass das Ehepaar augebürgert und das Vermögen beschlagnahmt wird. Der Reichs- und Preußische Staatsanzeiger veröffentlicht dies in seiner Ausgabe vom 12. Oktober 1940 und nun wird das Finanzamt Moabit-West tätig. Bereits seit dem 1. Oktober 1939 ist Martha Rechnitz als Abwicklerin für die Firma Kaulsdorfer Parzellierungs-GmbH in Liquidation tätig. Mit der Ausbürgerung ihres Schwiegersohnes und dem Eintreten des Finanzamts Moabit-West als Anteilseigner der Firma wird sie aus dieser Funktion entlassen. Das Finanzamt fordert sie auf, mit allen Büchern und Papieren am 21. November 1940 dort zu erscheinen, damit die Bestellung einer neuen Liquidatorin beurkundet werden könne.

Auch ihre eigene Grundstücksgesellschaft Rewa befindet sich zu dieser Zeit in Auflösung. Wie viele schwierige Verhandlungen Martha Rechnitz hier führen musste ist nicht belegt, doch ist die Rewa noch im Liquidationsprozess als sie im Oktober 1941 die Vermögenserklärung im Zusammenhang mit ihrer Deportation ausfüllt und mit Datum des 14. Oktober 1941 unterzeichnet.

Martha Rechnitz wird am 14. November 1941 mit dem 5. Transport nach Minsk verschleppt. Schon zwei Tage zuvor hat sie sich in der Sammelstelle Synagoge Levetzowstraße einfinden müssen. Von dort treiben Ordnungspolizisten die Frauen, Männer und Kinder zum Bahnhof Grunewald und zwingen sie in den bereitgestellten Zug der Reichsbahn. Nach vier Tagen, am 18. November gegen 10 Uhr vormittags, erreicht der Zug Minsk. Martha Rechnitz überlebte das Ghetto nicht lange, sie stirbt im Dezember 1941 in Minsk, ob an Entkräftung oder einer Hungerseuche ist nicht bekannt.

Von den mit ihr dorthin deportierten Berliner Jüdinnen und Juden überlebten nur drei Männer und eine Frau die Torturen des Ghettos.