Verlegeort
Jenaer Str. 11
Bezirk/Ortsteil
Wilmersdorf
Verlegedatum
01. April 2014
Geboren
24. August 1891 in Berlin
Beruf
Polsterer/Kaufmann
Deportation
am 28. März 1942
nach
Piaski
Ermordet
in Piaski
Julius Robert wurde geboren am 24. August 1891 in Berlin, seine Frau Martha Robert geb. Mantheim verwitwete Händel am 30. November 1886 in Soldau (Dzialdowo, Ostpreußen). Die beiden Söhne Rolf Robert kamen am 17. August 1925 in Berlin und Horst Robert am 29. Juli 1931 in Bad Freienwalde (Brandenburg) zur Welt. Die Eltern von Julius Robert hießen Rudolf und Flora Robert.
Die Söhne Rolf und Horst stammten aus der ersten Ehe von Julius Robert mit Jette geb. Leibel. Robert und Jette hatten 1922 geheiratet, zehn Jahre später wurde Jette tot in der Wohnung aufgefunden. Am 17. Mai 1934 heiratete Julius Robert die ebenfalls verwitwete Martha Händel, geb. Mantheim.
Der Deportationsliste ist zu entnehmen, dass Julius Polsterer war, Rolf war Schlosser. Im Adressbuch war Julius Robert als Kaufmann eingetragen und hatte aus seiner Arbeit einige Geldbestände gesammelt, die von den Nazis eingezogen wurden.
Zuletzt mussten sie – wahrscheinlich zwangsumgesiedelt – in der Herderstaße 12 wohnen, als Untermieter bei Scheindla Fluss geb. Rottenberg sowie deren Sohn Josef. Der Vater und ein anderer Sohn waren zu diesem Zeitpunkt nicht mehr da.
Zunächst musste die Familie Robert durch das Sammellager Levetzowstraße 7-8, eine von der Gestapo stillgelegte jüdische Synagoge in Moabit. Alle vier wurden am 28. März 1942 vom Gleis 17 des Bahnhofs Grunewald in einem Viehwagen-Zug mit 985 Menschen deportiert. In Lublin wurden mindestens 23 jüngere Männer herausgeholt und zum Bau des dortigen Lagers festgehalten, später in Majdanek getötet. Unter ihnen war Rolf, der am 17. August 1942, an seinem 17. Geburtstag!, ermordet wurde. Die anderen wurden nach Piaski weiter gefahren, wo sie ermordet worden sind.
Ein in New York lebender Cousin, Amy Aaron, hat 1979 Gedenkblätter für Julius, Rolf und Horst Robert in der Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem hinterlegt.
Scheindla Fluss (geboren 1892), die als „staatenlos“ registriert war, wurde mit ihrem 15jährigen Sohn Josef (geboren 1926), der als polnischer Staatbürger einsortiert war, am 14. April 1942 ins Warschauer Ghetto verfrachtet. Der ältere Sohn Isi (geboren 1924) war schon am 27. September 1939 mit 15 Jahren ins Konzentrationslager Sachsenhausen eingeliefert und dort am 14. Dezember 1942 ermordet worden.
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Zur Verlegung hielt die Hausbewohnerin Christine von Arnim diese Ansprache (ergänzt 2022 durch Angaben einer Verwandten von Martha Robert, Frau Elke Harris.)
Wir verlegen heute, im 20. Jahr der Stolpersteinverlegungen, Stolpersteine für Julius, Martha, Horst und Rolf Robert, die in unserem Haus, in der Jenaer Straße 11, gewohnt haben. Wir erinnern an diese Familie, obwohl wir gar nicht von Erinnerung sprechen können. Denn wir kennen niemanden, der sie kannte, mit ihnen verwandt war oder sich an sie erinnert. Es gibt keine feststellbaren Angehörigen, wenig Aktenmaterial, kaum Zeugnisse.
Julius Robert, geboren 1891 in Berlin, wurde mit seiner Frau und seinen beiden Söhnen am 28. März 1942 ins Ghetto Piaski deportiert. Sie waren nicht die Einzigen: 985 Menschen wurden an diesem Tag zum Gleis 17 am Bahnhof Grunewald gebracht und in Viehwaggons verfrachtet. Es war ein Tag wie heute: Der Frühling machte sich bemerkbar nach einem langen kalten Winter, man freute sich über die wärmende Sonne und blieb ein Weilchen auf der Straße stehen, um mit den Nachbarn zu plaudern. Das haben Roberts hier nicht mehr erlebt, denn sie hatten die Jenaer Straße schon verlassen müssen, um in der Herderstraße in Charlottenburg ihr letztes schon erzwungenes Quartier vor der Deportation zu beziehen.
Julius Robert war damals 51 Jahre alt. Sein Beruf wird im Telefonbuch als Polsterer genannt. Er besitzt ein Vermögen von über 21.000 Mark, wird darüber aber nicht mehr frei verfügt haben können, denn nach der „Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben“ vom 12.11.38 hatte allein die Oberfinanzdirektion Zugriff zu seinem Vermögen. Julius Robert wird im Ghetto gleich wieder als Polsterer eingestellt. Rolf, sein Sohn, gerade 16 Jahre alt, wird im Ghetto als Schlosser geführt.
Julius’ Frau Martha, geborene Mantheim, ist 1886, also fünf Jahre vor ihrem Mann, in Soldau in Ostpreußen geboren. Julius war in erster Ehe mit Jette geb. Leibel verheiratet. Sie war die Mutter der beiden Söhne Rolf und Horst, 1925 und 1931 geboren. 1932 starb Jette in ihrer Wohnung. Damals lebte die Familie in Pankow, Breite Straße 2a. Erst 1934, nach der Heirat mit der ebenfalls verwitweten Martha Händel, zog Familie Robert in die Jenaer Straße 11. Wie Julius und Martha sich begegnet sind, wissen wir nicht, Martha lebte bis dahin in Landsberg an der Warthe.
Horst ist 11 und Rolf ist 16. Und jetzt sollen sie ihre schöne große Wohnung in der Jenaer Straße verlassen und zu irgendeiner anderen Familie in die Herderstraße ziehen („bei Fluss“ heißt es auf der Transportliste), vermutlich Vater, Mutter und beide Söhne in einem Zimmer.
Wie kann man einem 11-Jährigen erklären, dass er nicht mehr in ein öffentliches Schwimmbad, in den Fußballverein, in den Kinderchor darf, dass er keine Haustiere haben darf?
Als sich die Spur der Familie verliert, ist die Wohnung in der Jenaer Straße vermutlich schnell neu belegt. Wer das war und was er dachte, als er den Hausrat der jüdischen Vorbewohner vorfand, hat niemand freiwillig erzählt. Wir können uns das heute überhaupt nicht vorstellen: Eine Familie wird geholt, verschwindet und die im Nachbarhaus und die gegenüber auch. Das kann nicht geräuschlos zugegangen sein in dieser eher kurzen und engen Jenaer Straße, die mit dem heutigen Tag allein 35 Stolpersteine aufweist. Alle Roberts kommen in das Durchgangs-Ghetto Piaski bei Lublin in Polen. Überlebende und polnische Zeugen berichteten, dass viele Deportierte – von März bis Juni 1942 wurden etwa 5000 Juden in die kleine polnische Stadt deportiert – fest davon überzeugt waren, hier zum Arbeitseinsatz eingeteilt zu werden. Aber nur junge arbeitsfähige Männer wurden offenbar vor der Ankunft von den Transporten separiert und von der SS zur Zwangsarbeit nach Majdanek geschickt. Nach der Ankunft im Transit-Ghetto verloren die meisten Deportierten bald den Kontakt zu Verwandten und Freunden in der Heimat, auch weil es seit Ende Mai 1942 verboten war, Briefe nach Hause zu schicken.
Von unseren Roberts verschwinden hier die letzten Spuren – bis auf einen besonders traurigen Eintrag:
Rolf Robert ist am 17. August 1942, an seinem 17. Geburtstag, in Majdanek ermordet worden. Wie seine Eltern und sein kleiner 11-jähriger Bruder Horst umkamen, wissen wir nicht.
Die Familie Robert aus unserem Haus Jenaer Straße 11 steht für viele jüdische Familien, die von den Nationalsozialisten regelrecht ausgelöscht wurden. Deswegen fühlen wir uns besonders verpflichtet, ihnen eine Art verspätete Verwandtschaft anzubieten und ihrer auf diese Weise zu gedenken.
Die Söhne Rolf und Horst stammten aus der ersten Ehe von Julius Robert mit Jette geb. Leibel. Robert und Jette hatten 1922 geheiratet, zehn Jahre später wurde Jette tot in der Wohnung aufgefunden. Am 17. Mai 1934 heiratete Julius Robert die ebenfalls verwitwete Martha Händel, geb. Mantheim.
Der Deportationsliste ist zu entnehmen, dass Julius Polsterer war, Rolf war Schlosser. Im Adressbuch war Julius Robert als Kaufmann eingetragen und hatte aus seiner Arbeit einige Geldbestände gesammelt, die von den Nazis eingezogen wurden.
Zuletzt mussten sie – wahrscheinlich zwangsumgesiedelt – in der Herderstaße 12 wohnen, als Untermieter bei Scheindla Fluss geb. Rottenberg sowie deren Sohn Josef. Der Vater und ein anderer Sohn waren zu diesem Zeitpunkt nicht mehr da.
Zunächst musste die Familie Robert durch das Sammellager Levetzowstraße 7-8, eine von der Gestapo stillgelegte jüdische Synagoge in Moabit. Alle vier wurden am 28. März 1942 vom Gleis 17 des Bahnhofs Grunewald in einem Viehwagen-Zug mit 985 Menschen deportiert. In Lublin wurden mindestens 23 jüngere Männer herausgeholt und zum Bau des dortigen Lagers festgehalten, später in Majdanek getötet. Unter ihnen war Rolf, der am 17. August 1942, an seinem 17. Geburtstag!, ermordet wurde. Die anderen wurden nach Piaski weiter gefahren, wo sie ermordet worden sind.
Ein in New York lebender Cousin, Amy Aaron, hat 1979 Gedenkblätter für Julius, Rolf und Horst Robert in der Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem hinterlegt.
Scheindla Fluss (geboren 1892), die als „staatenlos“ registriert war, wurde mit ihrem 15jährigen Sohn Josef (geboren 1926), der als polnischer Staatbürger einsortiert war, am 14. April 1942 ins Warschauer Ghetto verfrachtet. Der ältere Sohn Isi (geboren 1924) war schon am 27. September 1939 mit 15 Jahren ins Konzentrationslager Sachsenhausen eingeliefert und dort am 14. Dezember 1942 ermordet worden.
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Zur Verlegung hielt die Hausbewohnerin Christine von Arnim diese Ansprache (ergänzt 2022 durch Angaben einer Verwandten von Martha Robert, Frau Elke Harris.)
Wir verlegen heute, im 20. Jahr der Stolpersteinverlegungen, Stolpersteine für Julius, Martha, Horst und Rolf Robert, die in unserem Haus, in der Jenaer Straße 11, gewohnt haben. Wir erinnern an diese Familie, obwohl wir gar nicht von Erinnerung sprechen können. Denn wir kennen niemanden, der sie kannte, mit ihnen verwandt war oder sich an sie erinnert. Es gibt keine feststellbaren Angehörigen, wenig Aktenmaterial, kaum Zeugnisse.
Julius Robert, geboren 1891 in Berlin, wurde mit seiner Frau und seinen beiden Söhnen am 28. März 1942 ins Ghetto Piaski deportiert. Sie waren nicht die Einzigen: 985 Menschen wurden an diesem Tag zum Gleis 17 am Bahnhof Grunewald gebracht und in Viehwaggons verfrachtet. Es war ein Tag wie heute: Der Frühling machte sich bemerkbar nach einem langen kalten Winter, man freute sich über die wärmende Sonne und blieb ein Weilchen auf der Straße stehen, um mit den Nachbarn zu plaudern. Das haben Roberts hier nicht mehr erlebt, denn sie hatten die Jenaer Straße schon verlassen müssen, um in der Herderstraße in Charlottenburg ihr letztes schon erzwungenes Quartier vor der Deportation zu beziehen.
Julius Robert war damals 51 Jahre alt. Sein Beruf wird im Telefonbuch als Polsterer genannt. Er besitzt ein Vermögen von über 21.000 Mark, wird darüber aber nicht mehr frei verfügt haben können, denn nach der „Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben“ vom 12.11.38 hatte allein die Oberfinanzdirektion Zugriff zu seinem Vermögen. Julius Robert wird im Ghetto gleich wieder als Polsterer eingestellt. Rolf, sein Sohn, gerade 16 Jahre alt, wird im Ghetto als Schlosser geführt.
Julius’ Frau Martha, geborene Mantheim, ist 1886, also fünf Jahre vor ihrem Mann, in Soldau in Ostpreußen geboren. Julius war in erster Ehe mit Jette geb. Leibel verheiratet. Sie war die Mutter der beiden Söhne Rolf und Horst, 1925 und 1931 geboren. 1932 starb Jette in ihrer Wohnung. Damals lebte die Familie in Pankow, Breite Straße 2a. Erst 1934, nach der Heirat mit der ebenfalls verwitweten Martha Händel, zog Familie Robert in die Jenaer Straße 11. Wie Julius und Martha sich begegnet sind, wissen wir nicht, Martha lebte bis dahin in Landsberg an der Warthe.
Horst ist 11 und Rolf ist 16. Und jetzt sollen sie ihre schöne große Wohnung in der Jenaer Straße verlassen und zu irgendeiner anderen Familie in die Herderstraße ziehen („bei Fluss“ heißt es auf der Transportliste), vermutlich Vater, Mutter und beide Söhne in einem Zimmer.
Wie kann man einem 11-Jährigen erklären, dass er nicht mehr in ein öffentliches Schwimmbad, in den Fußballverein, in den Kinderchor darf, dass er keine Haustiere haben darf?
Als sich die Spur der Familie verliert, ist die Wohnung in der Jenaer Straße vermutlich schnell neu belegt. Wer das war und was er dachte, als er den Hausrat der jüdischen Vorbewohner vorfand, hat niemand freiwillig erzählt. Wir können uns das heute überhaupt nicht vorstellen: Eine Familie wird geholt, verschwindet und die im Nachbarhaus und die gegenüber auch. Das kann nicht geräuschlos zugegangen sein in dieser eher kurzen und engen Jenaer Straße, die mit dem heutigen Tag allein 35 Stolpersteine aufweist. Alle Roberts kommen in das Durchgangs-Ghetto Piaski bei Lublin in Polen. Überlebende und polnische Zeugen berichteten, dass viele Deportierte – von März bis Juni 1942 wurden etwa 5000 Juden in die kleine polnische Stadt deportiert – fest davon überzeugt waren, hier zum Arbeitseinsatz eingeteilt zu werden. Aber nur junge arbeitsfähige Männer wurden offenbar vor der Ankunft von den Transporten separiert und von der SS zur Zwangsarbeit nach Majdanek geschickt. Nach der Ankunft im Transit-Ghetto verloren die meisten Deportierten bald den Kontakt zu Verwandten und Freunden in der Heimat, auch weil es seit Ende Mai 1942 verboten war, Briefe nach Hause zu schicken.
Von unseren Roberts verschwinden hier die letzten Spuren – bis auf einen besonders traurigen Eintrag:
Rolf Robert ist am 17. August 1942, an seinem 17. Geburtstag, in Majdanek ermordet worden. Wie seine Eltern und sein kleiner 11-jähriger Bruder Horst umkamen, wissen wir nicht.
Die Familie Robert aus unserem Haus Jenaer Straße 11 steht für viele jüdische Familien, die von den Nationalsozialisten regelrecht ausgelöscht wurden. Deswegen fühlen wir uns besonders verpflichtet, ihnen eine Art verspätete Verwandtschaft anzubieten und ihrer auf diese Weise zu gedenken.
Julius Robert wurde geboren am 24. August 1891 in Berlin, seine Frau Martha Robert geb. Mantheim verwitwete Händel am 30. November 1886 in Soldau (Dzialdowo, Ostpreußen). Die beiden Söhne Rolf Robert kamen am 17. August 1925 in Berlin und Horst Robert am 29. Juli 1931 in Bad Freienwalde (Brandenburg) zur Welt. Die Eltern von Julius Robert hießen Rudolf und Flora Robert.
Die Söhne Rolf und Horst stammten aus der ersten Ehe von Julius Robert mit Jette geb. Leibel. Robert und Jette hatten 1922 geheiratet, zehn Jahre später wurde Jette tot in der Wohnung aufgefunden. Am 17. Mai 1934 heiratete Julius Robert die ebenfalls verwitwete Martha Händel, geb. Mantheim.
Der Deportationsliste ist zu entnehmen, dass Julius Polsterer war, Rolf war Schlosser. Im Adressbuch war Julius Robert als Kaufmann eingetragen und hatte aus seiner Arbeit einige Geldbestände gesammelt, die von den Nazis eingezogen wurden.
Zuletzt mussten sie – wahrscheinlich zwangsumgesiedelt – in der Herderstaße 12 wohnen, als Untermieter bei Scheindla Fluss geb. Rottenberg sowie deren Sohn Josef. Der Vater und ein anderer Sohn waren zu diesem Zeitpunkt nicht mehr da.
Zunächst musste die Familie Robert durch das Sammellager Levetzowstraße 7-8, eine von der Gestapo stillgelegte jüdische Synagoge in Moabit. Alle vier wurden am 28. März 1942 vom Gleis 17 des Bahnhofs Grunewald in einem Viehwagen-Zug mit 985 Menschen deportiert. In Lublin wurden mindestens 23 jüngere Männer herausgeholt und zum Bau des dortigen Lagers festgehalten, später in Majdanek getötet. Unter ihnen war Rolf, der am 17. August 1942, an seinem 17. Geburtstag!, ermordet wurde. Die anderen wurden nach Piaski weiter gefahren, wo sie ermordet worden sind.
Ein in New York lebender Cousin, Amy Aaron, hat 1979 Gedenkblätter für Julius, Rolf und Horst Robert in der Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem hinterlegt.
Scheindla Fluss (geboren 1892), die als „staatenlos“ registriert war, wurde mit ihrem 15jährigen Sohn Josef (geboren 1926), der als polnischer Staatbürger einsortiert war, am 14. April 1942 ins Warschauer Ghetto verfrachtet. Der ältere Sohn Isi (geboren 1924) war schon am 27. September 1939 mit 15 Jahren ins Konzentrationslager Sachsenhausen eingeliefert und dort am 14. Dezember 1942 ermordet worden.
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Zur Verlegung hielt die Hausbewohnerin Christine von Arnim diese Ansprache (ergänzt 2022 durch Angaben einer Verwandten von Martha Robert, Frau Elke Harris.)
Wir verlegen heute, im 20. Jahr der Stolpersteinverlegungen, Stolpersteine für Julius, Martha, Horst und Rolf Robert, die in unserem Haus, in der Jenaer Straße 11, gewohnt haben. Wir erinnern an diese Familie, obwohl wir gar nicht von Erinnerung sprechen können. Denn wir kennen niemanden, der sie kannte, mit ihnen verwandt war oder sich an sie erinnert. Es gibt keine feststellbaren Angehörigen, wenig Aktenmaterial, kaum Zeugnisse.
Julius Robert, geboren 1891 in Berlin, wurde mit seiner Frau und seinen beiden Söhnen am 28. März 1942 ins Ghetto Piaski deportiert. Sie waren nicht die Einzigen: 985 Menschen wurden an diesem Tag zum Gleis 17 am Bahnhof Grunewald gebracht und in Viehwaggons verfrachtet. Es war ein Tag wie heute: Der Frühling machte sich bemerkbar nach einem langen kalten Winter, man freute sich über die wärmende Sonne und blieb ein Weilchen auf der Straße stehen, um mit den Nachbarn zu plaudern. Das haben Roberts hier nicht mehr erlebt, denn sie hatten die Jenaer Straße schon verlassen müssen, um in der Herderstraße in Charlottenburg ihr letztes schon erzwungenes Quartier vor der Deportation zu beziehen.
Julius Robert war damals 51 Jahre alt. Sein Beruf wird im Telefonbuch als Polsterer genannt. Er besitzt ein Vermögen von über 21.000 Mark, wird darüber aber nicht mehr frei verfügt haben können, denn nach der „Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben“ vom 12.11.38 hatte allein die Oberfinanzdirektion Zugriff zu seinem Vermögen. Julius Robert wird im Ghetto gleich wieder als Polsterer eingestellt. Rolf, sein Sohn, gerade 16 Jahre alt, wird im Ghetto als Schlosser geführt.
Julius’ Frau Martha, geborene Mantheim, ist 1886, also fünf Jahre vor ihrem Mann, in Soldau in Ostpreußen geboren. Julius war in erster Ehe mit Jette geb. Leibel verheiratet. Sie war die Mutter der beiden Söhne Rolf und Horst, 1925 und 1931 geboren. 1932 starb Jette in ihrer Wohnung. Damals lebte die Familie in Pankow, Breite Straße 2a. Erst 1934, nach der Heirat mit der ebenfalls verwitweten Martha Händel, zog Familie Robert in die Jenaer Straße 11. Wie Julius und Martha sich begegnet sind, wissen wir nicht, Martha lebte bis dahin in Landsberg an der Warthe.
Horst ist 11 und Rolf ist 16. Und jetzt sollen sie ihre schöne große Wohnung in der Jenaer Straße verlassen und zu irgendeiner anderen Familie in die Herderstraße ziehen („bei Fluss“ heißt es auf der Transportliste), vermutlich Vater, Mutter und beide Söhne in einem Zimmer.
Wie kann man einem 11-Jährigen erklären, dass er nicht mehr in ein öffentliches Schwimmbad, in den Fußballverein, in den Kinderchor darf, dass er keine Haustiere haben darf?
Als sich die Spur der Familie verliert, ist die Wohnung in der Jenaer Straße vermutlich schnell neu belegt. Wer das war und was er dachte, als er den Hausrat der jüdischen Vorbewohner vorfand, hat niemand freiwillig erzählt. Wir können uns das heute überhaupt nicht vorstellen: Eine Familie wird geholt, verschwindet und die im Nachbarhaus und die gegenüber auch. Das kann nicht geräuschlos zugegangen sein in dieser eher kurzen und engen Jenaer Straße, die mit dem heutigen Tag allein 35 Stolpersteine aufweist. Alle Roberts kommen in das Durchgangs-Ghetto Piaski bei Lublin in Polen. Überlebende und polnische Zeugen berichteten, dass viele Deportierte – von März bis Juni 1942 wurden etwa 5000 Juden in die kleine polnische Stadt deportiert – fest davon überzeugt waren, hier zum Arbeitseinsatz eingeteilt zu werden. Aber nur junge arbeitsfähige Männer wurden offenbar vor der Ankunft von den Transporten separiert und von der SS zur Zwangsarbeit nach Majdanek geschickt. Nach der Ankunft im Transit-Ghetto verloren die meisten Deportierten bald den Kontakt zu Verwandten und Freunden in der Heimat, auch weil es seit Ende Mai 1942 verboten war, Briefe nach Hause zu schicken.
Von unseren Roberts verschwinden hier die letzten Spuren – bis auf einen besonders traurigen Eintrag:
Rolf Robert ist am 17. August 1942, an seinem 17. Geburtstag, in Majdanek ermordet worden. Wie seine Eltern und sein kleiner 11-jähriger Bruder Horst umkamen, wissen wir nicht.
Die Familie Robert aus unserem Haus Jenaer Straße 11 steht für viele jüdische Familien, die von den Nationalsozialisten regelrecht ausgelöscht wurden. Deswegen fühlen wir uns besonders verpflichtet, ihnen eine Art verspätete Verwandtschaft anzubieten und ihrer auf diese Weise zu gedenken.
Die Söhne Rolf und Horst stammten aus der ersten Ehe von Julius Robert mit Jette geb. Leibel. Robert und Jette hatten 1922 geheiratet, zehn Jahre später wurde Jette tot in der Wohnung aufgefunden. Am 17. Mai 1934 heiratete Julius Robert die ebenfalls verwitwete Martha Händel, geb. Mantheim.
Der Deportationsliste ist zu entnehmen, dass Julius Polsterer war, Rolf war Schlosser. Im Adressbuch war Julius Robert als Kaufmann eingetragen und hatte aus seiner Arbeit einige Geldbestände gesammelt, die von den Nazis eingezogen wurden.
Zuletzt mussten sie – wahrscheinlich zwangsumgesiedelt – in der Herderstaße 12 wohnen, als Untermieter bei Scheindla Fluss geb. Rottenberg sowie deren Sohn Josef. Der Vater und ein anderer Sohn waren zu diesem Zeitpunkt nicht mehr da.
Zunächst musste die Familie Robert durch das Sammellager Levetzowstraße 7-8, eine von der Gestapo stillgelegte jüdische Synagoge in Moabit. Alle vier wurden am 28. März 1942 vom Gleis 17 des Bahnhofs Grunewald in einem Viehwagen-Zug mit 985 Menschen deportiert. In Lublin wurden mindestens 23 jüngere Männer herausgeholt und zum Bau des dortigen Lagers festgehalten, später in Majdanek getötet. Unter ihnen war Rolf, der am 17. August 1942, an seinem 17. Geburtstag!, ermordet wurde. Die anderen wurden nach Piaski weiter gefahren, wo sie ermordet worden sind.
Ein in New York lebender Cousin, Amy Aaron, hat 1979 Gedenkblätter für Julius, Rolf und Horst Robert in der Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem hinterlegt.
Scheindla Fluss (geboren 1892), die als „staatenlos“ registriert war, wurde mit ihrem 15jährigen Sohn Josef (geboren 1926), der als polnischer Staatbürger einsortiert war, am 14. April 1942 ins Warschauer Ghetto verfrachtet. Der ältere Sohn Isi (geboren 1924) war schon am 27. September 1939 mit 15 Jahren ins Konzentrationslager Sachsenhausen eingeliefert und dort am 14. Dezember 1942 ermordet worden.
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Zur Verlegung hielt die Hausbewohnerin Christine von Arnim diese Ansprache (ergänzt 2022 durch Angaben einer Verwandten von Martha Robert, Frau Elke Harris.)
Wir verlegen heute, im 20. Jahr der Stolpersteinverlegungen, Stolpersteine für Julius, Martha, Horst und Rolf Robert, die in unserem Haus, in der Jenaer Straße 11, gewohnt haben. Wir erinnern an diese Familie, obwohl wir gar nicht von Erinnerung sprechen können. Denn wir kennen niemanden, der sie kannte, mit ihnen verwandt war oder sich an sie erinnert. Es gibt keine feststellbaren Angehörigen, wenig Aktenmaterial, kaum Zeugnisse.
Julius Robert, geboren 1891 in Berlin, wurde mit seiner Frau und seinen beiden Söhnen am 28. März 1942 ins Ghetto Piaski deportiert. Sie waren nicht die Einzigen: 985 Menschen wurden an diesem Tag zum Gleis 17 am Bahnhof Grunewald gebracht und in Viehwaggons verfrachtet. Es war ein Tag wie heute: Der Frühling machte sich bemerkbar nach einem langen kalten Winter, man freute sich über die wärmende Sonne und blieb ein Weilchen auf der Straße stehen, um mit den Nachbarn zu plaudern. Das haben Roberts hier nicht mehr erlebt, denn sie hatten die Jenaer Straße schon verlassen müssen, um in der Herderstraße in Charlottenburg ihr letztes schon erzwungenes Quartier vor der Deportation zu beziehen.
Julius Robert war damals 51 Jahre alt. Sein Beruf wird im Telefonbuch als Polsterer genannt. Er besitzt ein Vermögen von über 21.000 Mark, wird darüber aber nicht mehr frei verfügt haben können, denn nach der „Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben“ vom 12.11.38 hatte allein die Oberfinanzdirektion Zugriff zu seinem Vermögen. Julius Robert wird im Ghetto gleich wieder als Polsterer eingestellt. Rolf, sein Sohn, gerade 16 Jahre alt, wird im Ghetto als Schlosser geführt.
Julius’ Frau Martha, geborene Mantheim, ist 1886, also fünf Jahre vor ihrem Mann, in Soldau in Ostpreußen geboren. Julius war in erster Ehe mit Jette geb. Leibel verheiratet. Sie war die Mutter der beiden Söhne Rolf und Horst, 1925 und 1931 geboren. 1932 starb Jette in ihrer Wohnung. Damals lebte die Familie in Pankow, Breite Straße 2a. Erst 1934, nach der Heirat mit der ebenfalls verwitweten Martha Händel, zog Familie Robert in die Jenaer Straße 11. Wie Julius und Martha sich begegnet sind, wissen wir nicht, Martha lebte bis dahin in Landsberg an der Warthe.
Horst ist 11 und Rolf ist 16. Und jetzt sollen sie ihre schöne große Wohnung in der Jenaer Straße verlassen und zu irgendeiner anderen Familie in die Herderstraße ziehen („bei Fluss“ heißt es auf der Transportliste), vermutlich Vater, Mutter und beide Söhne in einem Zimmer.
Wie kann man einem 11-Jährigen erklären, dass er nicht mehr in ein öffentliches Schwimmbad, in den Fußballverein, in den Kinderchor darf, dass er keine Haustiere haben darf?
Als sich die Spur der Familie verliert, ist die Wohnung in der Jenaer Straße vermutlich schnell neu belegt. Wer das war und was er dachte, als er den Hausrat der jüdischen Vorbewohner vorfand, hat niemand freiwillig erzählt. Wir können uns das heute überhaupt nicht vorstellen: Eine Familie wird geholt, verschwindet und die im Nachbarhaus und die gegenüber auch. Das kann nicht geräuschlos zugegangen sein in dieser eher kurzen und engen Jenaer Straße, die mit dem heutigen Tag allein 35 Stolpersteine aufweist. Alle Roberts kommen in das Durchgangs-Ghetto Piaski bei Lublin in Polen. Überlebende und polnische Zeugen berichteten, dass viele Deportierte – von März bis Juni 1942 wurden etwa 5000 Juden in die kleine polnische Stadt deportiert – fest davon überzeugt waren, hier zum Arbeitseinsatz eingeteilt zu werden. Aber nur junge arbeitsfähige Männer wurden offenbar vor der Ankunft von den Transporten separiert und von der SS zur Zwangsarbeit nach Majdanek geschickt. Nach der Ankunft im Transit-Ghetto verloren die meisten Deportierten bald den Kontakt zu Verwandten und Freunden in der Heimat, auch weil es seit Ende Mai 1942 verboten war, Briefe nach Hause zu schicken.
Von unseren Roberts verschwinden hier die letzten Spuren – bis auf einen besonders traurigen Eintrag:
Rolf Robert ist am 17. August 1942, an seinem 17. Geburtstag, in Majdanek ermordet worden. Wie seine Eltern und sein kleiner 11-jähriger Bruder Horst umkamen, wissen wir nicht.
Die Familie Robert aus unserem Haus Jenaer Straße 11 steht für viele jüdische Familien, die von den Nationalsozialisten regelrecht ausgelöscht wurden. Deswegen fühlen wir uns besonders verpflichtet, ihnen eine Art verspätete Verwandtschaft anzubieten und ihrer auf diese Weise zu gedenken.