Isidor Dobrin

Verlegeort
Koenigsalle 34
Bezirk/Ortsteil
Grunewald
Verlegedatum
20. März 2012
Geboren
22. November 1876 in Schlochau (Westpreußen) / Człuchów
Deportation
am 12. Januar 1943 nach Auschwitz
Ermordet
in Auschwitz

Der Enkelsohn von Isidor und Rosalie Dobrin, Jeremy Cohn, hat die Stolpersteine gespendet. Er ist mit seiner Tochter Tali aus Jerusalem nach Berlin gekommen und hat zur Verlegung diese Ansprache gehalten:<br />
<br />
„Im Jahr 1923 heiratete der Konditor Isidor Dobrin, geboren am 22. November 1876 in Schlochau (Westpreußen, heute poln. Człuchów), Rosalie Goldschmidt, die am 15. November 1886 in Tuchel (Westpreußen) geboren wurde. Das Ehepaar zog nach Berlin in den Stadtteil Grunewald, in dieses Haus, vor dem wir stehen: Koenigsallee 34 A. Hier wurde ihre einzige Tochter, Mirjam, geboren.<br />
<br />
Isidor Dobrin war Besitzer der berühmten Cafés und Konditoreien in der Jerusalemer Straße und an der Spandauer Brücke sowie mehrerer anderer Geschäfte.<br />
<br />
Im April 1939 wurde das Mädchen Mirjam mit einem sogenannten Kindertransport nach England geschickt. Sie hat ihre Eltern nie wieder gesehen.<br />
<br />
Die Geschäfte blieben teilweise offen bis Anfang der 1940er Jahre. Aber die Nazis marschierten weiter. Am 12. Januar 1943 wurden Isidor und Rose aus Grunewald „nach dem Osten“ deportiert. Sie waren zusammen im selben Transport mit der bekannten Schriftstellerin von Kinderbüchern Else Ury. Am nächsten Tag kam der Zug in Auschwitz an. Wenn sie bis dahin noch am Leben waren, wurden sie sofort ermordet.<br />
<br />
Ich habe das Ehepaar Dobrin nicht gekannt. Aber ich bin ganz sicher, als sie nicht weit von hier, am Gleis 17 des Bahnhofs Grunewald standen, wo sie auch sicher früher viele Male gestanden hatten, dass kein Schmerz, kein Weh, keine Demütigung so tief waren wie die Erkenntnis, dass ihre 16-jährige Tochter, die zu fremden Menschen in ein fremdes Land geschickt wurde, in einen Staat, der im Kriegszustand mit ihrem Geburtsland war, jetzt in der Welt ganz allein sein wird.<br />
<br />
Die Tochter Mirjam war meine Mutter, deine Oma. Und sie bleibt, eigentlich, ganz allein in der Welt, aber, Gott sei Dank, nicht für immer und ewig.<br />
<br />
Am Holocaust-Gedenktag werden in der Knesset Namen von Opfern vorgelesen – unter dem Titel: „Zu jedem Menschen ein Name“. Das Holocaust-Museum in Jerusalem heißt Yad Vashem – wörtlich: Hand und Name – nach Jesaja Kapitel 56, Vers 5: Ich will ihnen in meinem Hause und in meinen Mauern einen Ort und einen Namen geben, besser denn Söhne und Töchter; einen ewigen Namen will ich ihnen geben, der nicht vergehen soll.<br />
<br />
ונתתי להם בביתי ובחומתי יד ושם טוב מבנים ומבנות שם עולם אתן לו אשר לא יכרת<br />
<br />
Für mich haben Isidor und Rose immer Namen gehabt. Aber die Namen waren Isidor und Rose und nicht Omi und Opi. Endlich haben wir für Isidor und Rosalie Gedenksteine; aber, Tali, für deine Oma gab es nur ein Yad Vashem, nur einen ewigen Namen: ihre Kinder und ihre Enkelkinder.<br />
<br />
Isidor und Rosalie Dobrin – gesegnet sei ihr Andenken – יהי זכרם ברוך “<br />
<br />
Isidor Dobrins Eltern hießen Philip und Minna. In der Villa an der Koenigsallee 34 A lebte auch seine jüngere Schwester Helene Dobrin, geb. Leiser, am 18. August 1878 in Leipzig geboren. Sie wurde am 5. August 1942, ebenfalls vom Bahnhof Grunewald, ins Ghetto Theresienstadt deportiert und am 14. April 1944 dort ums Leben gebracht.<br />
<br />
Zwei weitere Geschwister von Isidor Dobrin, Jenny und Moritz, haben die Shoah überlebt. Moritz, der wie sein Bruder Konditor war, hatte das Glück, mit einem geheimen Sondertransport mit 1200 Menschen aus Theresienstadt am 3. Februar 1945 in die Schweiz zu gelangen. Sein Sohn Max hatte schon in den 1930er Jahren nach London flüchten können, wo zwei Söhne geboren wurden: Michael und Tony.<br />
<br />
Ein namensgleicher Isidor Dobrin, gleichfalls in Schlochau (Westpreußen) geboren, allerdings am 10. Oktober 1875, lebte auch in Berlin, in der Motzstraße 41 in Schöneberg. Er wurde nach Auschwitz deportiert, Näheres über sein Leben und sein Schicksal ist nicht bekannt. Es ist anzunehmen, dass die beiden Namensvettern zur weitläufigen Familie des im damaligen Westpreußen verbreiteten Namens Dobrin gehörten und entfernte Verwandte waren.

Der Enkelsohn von Isidor und Rosalie Dobrin, Jeremy Cohn, hat die Stolpersteine gespendet. Er ist mit seiner Tochter Tali aus Jerusalem nach Berlin gekommen und hat zur Verlegung diese Ansprache gehalten:

„Im Jahr 1923 heiratete der Konditor Isidor Dobrin, geboren am 22. November 1876 in Schlochau (Westpreußen, heute poln. Człuchów), Rosalie Goldschmidt, die am 15. November 1886 in Tuchel (Westpreußen) geboren wurde. Das Ehepaar zog nach Berlin in den Stadtteil Grunewald, in dieses Haus, vor dem wir stehen: Koenigsallee 34 A. Hier wurde ihre einzige Tochter, Mirjam, geboren.

Isidor Dobrin war Besitzer der berühmten Cafés und Konditoreien in der Jerusalemer Straße und an der Spandauer Brücke sowie mehrerer anderer Geschäfte.

Im April 1939 wurde das Mädchen Mirjam mit einem sogenannten Kindertransport nach England geschickt. Sie hat ihre Eltern nie wieder gesehen.

Die Geschäfte blieben teilweise offen bis Anfang der 1940er Jahre. Aber die Nazis marschierten weiter. Am 12. Januar 1943 wurden Isidor und Rose aus Grunewald „nach dem Osten“ deportiert. Sie waren zusammen im selben Transport mit der bekannten Schriftstellerin von Kinderbüchern Else Ury. Am nächsten Tag kam der Zug in Auschwitz an. Wenn sie bis dahin noch am Leben waren, wurden sie sofort ermordet.

Ich habe das Ehepaar Dobrin nicht gekannt. Aber ich bin ganz sicher, als sie nicht weit von hier, am Gleis 17 des Bahnhofs Grunewald standen, wo sie auch sicher früher viele Male gestanden hatten, dass kein Schmerz, kein Weh, keine Demütigung so tief waren wie die Erkenntnis, dass ihre 16-jährige Tochter, die zu fremden Menschen in ein fremdes Land geschickt wurde, in einen Staat, der im Kriegszustand mit ihrem Geburtsland war, jetzt in der Welt ganz allein sein wird.

Die Tochter Mirjam war meine Mutter, deine Oma. Und sie bleibt, eigentlich, ganz allein in der Welt, aber, Gott sei Dank, nicht für immer und ewig.

Am Holocaust-Gedenktag werden in der Knesset Namen von Opfern vorgelesen – unter dem Titel: „Zu jedem Menschen ein Name“. Das Holocaust-Museum in Jerusalem heißt Yad Vashem – wörtlich: Hand und Name – nach Jesaja Kapitel 56, Vers 5: Ich will ihnen in meinem Hause und in meinen Mauern einen Ort und einen Namen geben, besser denn Söhne und Töchter; einen ewigen Namen will ich ihnen geben, der nicht vergehen soll.

ונתתי להם בביתי ובחומתי יד ושם טוב מבנים ומבנות שם עולם אתן לו אשר לא יכרת

Für mich haben Isidor und Rose immer Namen gehabt. Aber die Namen waren Isidor und Rose und nicht Omi und Opi. Endlich haben wir für Isidor und Rosalie Gedenksteine; aber, Tali, für deine Oma gab es nur ein Yad Vashem, nur einen ewigen Namen: ihre Kinder und ihre Enkelkinder.

Isidor und Rosalie Dobrin – gesegnet sei ihr Andenken – יהי זכרם ברוך “

Isidor Dobrins Eltern hießen Philip und Minna. In der Villa an der Koenigsallee 34 A lebte auch seine jüngere Schwester Helene Dobrin, geb. Leiser, am 18. August 1878 in Leipzig geboren. Sie wurde am 5. August 1942, ebenfalls vom Bahnhof Grunewald, ins Ghetto Theresienstadt deportiert und am 14. April 1944 dort ums Leben gebracht.

Zwei weitere Geschwister von Isidor Dobrin, Jenny und Moritz, haben die Shoah überlebt. Moritz, der wie sein Bruder Konditor war, hatte das Glück, mit einem geheimen Sondertransport mit 1200 Menschen aus Theresienstadt am 3. Februar 1945 in die Schweiz zu gelangen. Sein Sohn Max hatte schon in den 1930er Jahren nach London flüchten können, wo zwei Söhne geboren wurden: Michael und Tony.

Ein namensgleicher Isidor Dobrin, gleichfalls in Schlochau (Westpreußen) geboren, allerdings am 10. Oktober 1875, lebte auch in Berlin, in der Motzstraße 41 in Schöneberg. Er wurde nach Auschwitz deportiert, Näheres über sein Leben und sein Schicksal ist nicht bekannt. Es ist anzunehmen, dass die beiden Namensvettern zur weitläufigen Familie des im damaligen Westpreußen verbreiteten Namens Dobrin gehörten und entfernte Verwandte waren.