Selma Fichtmüller geb. Blau

Verlegeort
Kottbusser Damm 5
Bezirk/Ortsteil
Kreuzberg
Verlegedatum
06. April 2022
Geboren
07. März 1874 in Berlin
Beruf
Buchhalterin
Flucht in den Tod
05. September 1942 in Berlin

Selma Blau kam am 7. März 1874 in Berlin als Tochter des jüdischen Buchbindermeisters Hirsch Blau und dessen Ehefrau Sara, geb. Leyser, zur Welt. Sie hatte drei Geschwister: Ernst (1866–1883), Mathilde (*1869) und Elli (*1881).

Aus der ersten Ehe ihres Vaters mit Mathilde, geb. Kronheim, hatte Selma noch sechs Halbgeschwister: Emil (*1842), Louis (*1844), Max (*1845), Henriette (*1846), Feodore (*1848) und Martin (*1852). Alle Geschwister waren in Berlin zur Welt gekommen. Zum Zeitpunkt von Selmas Geburt wohnte die Familie am Monbjiouplatz 10. Über die Kindheit und Jugend von Selma Blau haben sich ansonsten keine Informationen erhalten.

Sie heiratete am 9. Oktober 1898 in Berlin den Kaufmann Julius August Christian Fichtmüller, geb. 1873 in Kassel. Er war evangelisch und betrieb in der Alexandrinenstraße eine Käse-Großhandlung. Das junge Ehepaar wohnte am Kottbusser Ufer 56a (heute Fraenkelufer). Am 1. August 1899 brachte Selma den Sohn Rudolf Christian zur Welt, der bereits im Alter von 11 Wochen verstarb. Das Kind hatten sie evangelisch taufen lassen. Am 12. Oktober 1900 wurde das zweite Kind, Ernst Julius Fritz, geboren. Zu diesem Zeitpunkt hatten sich Selma und ihr Ehemann bereits getrennt: Julius Fichtmüller wanderte im August 1900 über London in die USA aus und heiratete dort 1902 erneut. Selma zog zurück zu ihren Eltern in die Stallschreiberstraße 58. Auch ihr zweiter Sohn verstarb bereits im Alter von acht Monaten im Juni 1901.

Nachdem Selmas Vater Hirsch Blau 1903 mit 88 Jahren verstorben war, zog Selma mit ihrer Mutter und ihrer Schwester Elli in die Prinzenstraße 65. Seit 1914 lebten sie im Haus Kottbusser Damm 5. Laut der Sterbeurkunde ihres Halbbruders Max Blau vom August 1915 wohnte Selma Fichtmüller zu diesem Zeitpunkt bei ihm in der Viktoriastraße 17 (heute Eibseestraße) in Grünau. Wahrscheinlich führte sie ihrem Bruder und dessen Frau, die wenige Monate nach ihrem Mann verstarb, den Haushalt.

1925 verstarb die Mutter von Selma Fichtmüller, sie lebte fortan allein mit ihrer Schwester Elli Blau im dritten Stock des Hauses Kottbusser Damm 5. Laut Berliner Adressbuch waren beide Frauen berufstätig: Selma verdiente ihren Lebensunterhalt als Buchhalterin, Elli war Prokuristin.

Mit der schrittweisen Entrechtung und Verfolgung von Juden seit 1933 begannen auch Zwangsmaßnahmen gegen Selma Fichtmüller und ihre Angehörigen. Darunter fielen zahlreiche Maßnahmen der Diskriminierung und sozialen Ausgrenzung, des Entzugs staatsbürgerlicher Rechte sowie der Verdrängung aus dem Berufs- und Wirtschaftsleben. Aufgrund der „Polizeiverordnung über die Kennzeichnung der Juden“ konnte sie sich ab dem 19. September 1941 nur noch mit stigmatisierendem „Judenstern“ in der Öffentlichkeit bewegen.

Um sich einer drohenden Deportation zu entziehen, entschlossen sich Selma Fichtmüller und Elli Blau Selbstmord zu begehen: Sie wurden am 5. September 1942 gegen 16.45 Uhr in ihrer Wohnung tot aufgefunden – sie hatten den Gashahn aufgedreht. Selma Fichtmüller und Elli Blau wurden auf dem Jüdischen Friedhof in Berlin-Weißensee beigesetzt.