Der Berliner Pathologe Ludwig Pick gehörte zu den renommiertesten Fachmedizinern seiner Zeit, bevor er im Nationalsozialismus aus seinem Beruf gedrängt und dann ermordet wurde. Von dem national wie international anerkannten Arzt wurden mehrere Krankheitsbilder mitbeschrieben. Nach ihm ist unter anderem die Niemann-Pick-Krankheit benannt.
Ludwig Pick wurde als Sohn des Kaufmanns und Vorstands einer Spirituosenfabrik Hermann Pick (1839–1904) und dessen Frau Beatrice, geborene Schoenflies (1843–1924), am 31. August 1868 in Landsberg an der Warthe (dem heutigen Gorzów Wielkopolski) geboren und wuchs im Kreis von vier Geschwistern auf: Sein Bruder, der spätere Reichsgerichtsrat Georg Pick, wurde 1869 in Landsberg geboren, sein Bruder Leo 1881, seine Schwestern Margarethe und Emilie kamen 1874 und 1877 zur Welt. Über das Elternhaus, die Kindheit und Jugend von Ludwig Pick haben sich nur wenige Informationen erhalten. Er besuchte die städtische Schule, war ein erfolgreicher Schüler mit einer Begabung für Naturwissenschaften und Mathematik und hatte zudem musikalisches Talent. Er spielte Cello und leitete das Schulorchester. Seine Eltern gehörten aller Wahrscheinlichkeit nach zur kleinen jüdischen Gemeinde Landsbergs, die langjährig von dem Reformrabbiner Wilhelm Klemperer (1839–1912) geleitet wurde und zu der zum Zeitpunkt der Geburt von Ludwig etwa 700 der rund 21.000 Einwohner Landsbergs zählten.
Nach seinem Schulabschluss begann Ludwig Pick ein Medizinstudium, studierte seit 1886 in Heidelberg, Leipzig, Berlin und ging für seine letzten beiden Semester 1891/1892 nach Königsberg (Kaliningrad). Dort attestierte ihm sein Lehrer Ernst Neumann (1834–1918): „Der Praktische Arzt Herr Dr. med. Ludwig Pick in Berlin ist während seiner Königsberger Studienzeit im hiesigen Pathologischen Institut von Ostern 1890 – Ostern 1891 als Amanuensis [wissenschaftliche Mitarbeiter, Anm. d. Aut.] thätig gewesen und hat während dieser Zeit unausgesetzt und mit großer Inbrunst die ihm dargebotene Gelegenheit, sich eingehende Kenntnisse auf dem Gebiet der Pathologischen Anatomie und Histologie zu erwerben, genutzt.“ Ludwig Pick erhielt 1892 seine Approbation und promovierte ein Jahr später bei Felix Viktor Birch-Hirschfeld (1842–1899) an der Universität Leipzig mit einer Arbeit zum Gefäßverschluss mit dem Titel „Ein Beitrag zur Aetiologie. Genese und Bedeutung der hyalinen Thrombose". Im selben Jahr organisierte er die Gründung des Pathologischen Instituts an der privaten Frauenklinik von Professor Dr. Leopold Landau (1848–1929) in der Philippstraße 21 in Berlin-Mitte und übernahm dessen Leitung bis 1906. 1899 auf der Grundlage eines Gutachtens von Rudolf Virchows (1821–1902) für pathologische Anatomie habilitiert, wurde Ludwig Pick 1906 als Nachfolger von David Paul von Hansemann (1858–1920) Prosektor und Direktor der Abteilung für Pathologische Anatomie im städtischen Krankenhaus am Friedrichshain. 1909 wurde er Titularprofessor an der Medizinischen Fakultät der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin (der heutigen Humboldt-Universität).
Im Ersten Weltkrieg wurde Ludwig Pick im August 1914 als Kriegsfreiwilliger zum Stabsarzt reaktiviert – seit dem Ausscheiden aus dem Militärdienst 1893 war der Mediziner Stabsarzt der Reserve gewesen. In den ersten Kriegsjahren zwischen 1914 und 1916 war er beratender Pathologe des Berliner Gardekorps und wurde zum Oberstabsarzt befördert. Im späteren Kriegsverlauf nahm er 1917/1918 an den Rückzugsgefechten entlang der Aisne an der Westfront teil. Für seinen Einsatz wurde er unter anderem mit der Rote-Kreuz-Medaille, dem Eisernen Kreuz Erster und Zweiter Klasse und dem Eisernen Halbmond ausgezeichnet.
Nach Kriegsende trat Ludwig Pick 1919 der Deutschen Demokratischen Partei (DDP) bei, der er bis 1929 angehörte, und wurde 1921 zum Honorarprofessor der Friedrich-Wilhelms-Universität berufen. Die ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts bedeuteten für Ludwig Pick eine Hochphase seiner medizinisch-wissenschaftlichen Schaffenskraft, in denen er zahlreiche Fachschriften veröffentlichte und sich als Redner internationalen Ruf erwarb. Mit seiner an Akribie grenzenden Sorgfalt als Arzt, den zahlreichen von ihm durchgeführten Obduktionen und den resultierenden Untersuchungsergebnissen leistete er wichtige Beiträge zur akademischen Pathologie, insbesondere auf den Gebieten der urogenitalen Erkrankungen und der melanozytären Pigmentierung. Auf dem Feld histologischer Techniken, der Aufbereitung von Gewebe zu Untersuchungszwecken, leistete er Pionierarbeit. Wegweisend waren unter anderem auch seine Arbeiten über Neurome mit dem Pathologen Max Bielschowsky (1869–1940). Seine Vortragstätigkeit führte ihn nach Schweden, Großbritannien und die USA: Er hielt 1913/14 Vorträge in New York, im Jahr 1919 sprach er vor der Schwedischen Ärztegesellschaft, 1932 hielt er die „Harvey Lecture“ in London und 1932 die „Dunham Lecture“ an der Harvard Medical School in Boston. Einen Ruf an die University of Chicago lehnte er 1933 ab, ebenso wie den Ruf an die Staatliche Medizinschule, weil, wie er schrieb, „ich mich auch in diesen schweren Zeiten meinem deutschen Vaterland nach wie vor verbunden fühle“.
Mit der schrittweisen Entrechtung und Verfolgung von Juden seit 1933 – beziehungsweise aller Personen, die nach den Nürnberger Gesetzen im NS-Staat als Juden galten – begannen auch Zwangsmaßnahmen gegen Ludwig Pick und seine Verwandten. Darunter fielen zahlreiche Maßnahmen der Diskriminierung und sozialen Ausgrenzung, des Entzugs staatsbürgerlicher Rechte sowie der Verdrängung aus dem Berufs- und Wirtschaftsleben. Abgesehen von Boykottmaßnahmen, behördlichen Schikanen und Verhaftungsaktionen wurde die Schlinge für jüdische Ärzte durch eine Flut von Verordnungen und Gesetze schrittweise enger gezogen: So wurden mit insgesamt sieben Verordnungen von 1933 bis 1937 „nichtarischen“ Ärzten nach und nach die Kassenzulassungen entzogen; mit dem „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ vom 7. April 1933 waren sie vom öffentlichen Gesundheitswesen ausgeschlossen, mit der Verordnung vom 20. November 1933 durften sie keine ärztlichen Fortbildungskurse mehr besuchen und wurden vom ärztlichen Bereitschaftsdienst ausgeschlossen; ab dem Jahr 1936 durften sie nicht mehr mit „deutschstämmigen“ Ärzten zusammenarbeiten. 1933/1934 wurde Ludwig Pick zwangspensioniert und aus seiner Position als Direktor des Krankenhauses am Friedrichshain aus dem städtischen Gesundheitswesen Berlins entlassen. Von 1934 bis weit in den Zweiten Weltkrieg hinein arbeitete Ludwig Pick für ein zentrales Untersuchungsinstitut der Berliner Krankenkassen. Am 19. Oktober 1935 wurde ihm die Lehrbefugnis entzogen.
Nach seiner Zwangspensionierung lebte er mit der nichtjüdischen Oberschwester Anna Clara König zusammen, die 1891 in Werder geboren worden war. Seitdem sich Ludwig Pick Ende des 19. Jahrhunderts in Berlin niedergelassen hatte, lebte er in der Phillippstraße 21 in Mitte. 1936 bezog das Paar das in diesem Jahr fertiggestellte Wohnhaus in der Kunzendorferstraße 20 in Zehlendorf, welches durch den Architekten Fritz Crzellitzer entworfen worden war, der mit Ludwig Picks Cousine Martha Crzellitzer, geborene Schoenflies, verheiratet war. Die für 1936 geplante Hochzeit von Ludwig und Anna Clara verhinderte das „Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre“ von 1935. 1938 übernahm Ludwig Pick die Leitung des Pathologischen Instituts des Krankenhauses der Jüdischen Gemeinde in der Iranischen Straße 2 im Wedding. Nachdem ihm am 30. September 1938 wie allen jüdischen Ärzten und Ärztinnen mit der „Vierten Verordnung zum Reichsbürgergesetz“ die Approbation entzogen worden war, wurde er in den folgenden Jahren nur noch als „Krankenbehandler“ in der Pathologie des Instituts geführt. Auf das inzwischen mit einer Sicherungshypothek für die „Reichsfluchtsteuer“ belastete Grundstück in der Kunzendorfstraße zog 1940 ein SS-Führer, der sich 1942 als neuer Eigentümer in das Grundbuch eintragen ließ. Vermutlich ausgelöst durch die Pogrome im Mai und November 1938, versuchten die Picks schließlich doch noch, das Land zu verlassen, aber ohne Erfolg.
Der Entrechtung folgte die Deportation: Mitte März 1943 wurden Professor Ludwig Pick und Anna Clara König von der Gestapo verhaftet: Anna König schilderte die Ereignisse später in einer Mitteilung an die Entschädigungsbehörde: „Wir blieben trotz starker Drohungen seitens der Gestapo und anonymen Anzeigen zusammen. Im März 1943 wurden wir in gemeinster Weise von der Gestapo verhaftet; ich kam unter schrecklichsten Beschimpfungen ins Gefängnis Alexander-Platz und mein Verlobter ins Judenlager, wo er bis zum Abtransport nach Theresienstadt verbleiben musste. Nach fast 3 wöchiger Qual und vielen Verhören in der Burgstr. wurde ich entlassen. Trotz des Verbots mit Juden in Verbindung zu bleiben, war ich nach meiner Entlassung aus dem Gefängnis bemüht, meinen Verlobten auf jede Art und Weise zu unterstützen. Solange er noch in Berlin war, versorgte ich ihn mit Lebensmitteln durch Vermittlung des Jüdischen Krankenhauses. Im Juni 1943 wurde er nach Theresienstadt deportiert […].“ Ludwig Pick wurde aus dem Berliner Sammellager Gerlachstraße am 16. Juni 1943 mit dem „91. Alterstransport“ in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Er überlebte ein halbes Jahr lang die unmenschlichen Bedingungen im Ghetto, bevor er im Alter von 75 Jahren am 4. Februar 1944 in Theresienstadt ermordet wurde – entweder durch direkte Gewalteinwirkung oder durch die Folgen von planvoller Mangelernährung und körperlichen Misshandlungen. Kaum verlässlich ist die in Theresienstadt festgestellte Todesursache einer Lungenentzündung, da tatsächlichen Umstände systematisch durch verschleiernde Sammelbegriffe verdeckt wurden.
Ludwig Picks Frau Anna Clara König überlebte die NS-Zeit. Sie wurde nach dem Krieg vom Gericht als Erbin eingesetzt, ihre Ehe mit Ludwig Pick wurde rückwirkend anerkannt. Sie lebte nach 1945 in Berlin und erhielt Mitte der 1950er-Jahre das Haus in der Kunzendorfstraße zugesprochen. Ludwigs Geschwister Georg und Margarethe Caro, geborene Pick, waren in den Jahren 1929 und 1930 verstorben. Das Schicksal seines Bruders Leo Pick ist ungeklärt. Seine Schwester Emilie Pick, verheiratete Rosenberg, hatte sich zusammen mit ihrem Ehemann im Oktober 1941 – am Vorabend ihrer bevorstehenden Deportation – das Leben genommen.
Der Berliner Pathologe Ludwig Pick gehörte zu den renommiertesten Fachmedizinern seiner Zeit, bevor er im Nationalsozialismus aus seinem Beruf gedrängt und dann ermordet wurde. Von dem national wie international anerkannten Arzt wurden mehrere Krankheitsbilder mitbeschrieben. Nach ihm ist unter anderem die Niemann-Pick-Krankheit benannt.
Ludwig Pick wurde als Sohn des Kaufmanns und Vorstands einer Spirituosenfabrik Hermann Pick (1839–1904) und dessen Frau Beatrice, geborene Schoenflies (1843–1924), am 31. August 1868 in Landsberg an der Warthe (dem heutigen Gorzów Wielkopolski) geboren und wuchs im Kreis von vier Geschwistern auf: Sein Bruder, der spätere Reichsgerichtsrat Georg Pick, wurde 1869 in Landsberg geboren, sein Bruder Leo 1881, seine Schwestern Margarethe und Emilie kamen 1874 und 1877 zur Welt. Über das Elternhaus, die Kindheit und Jugend von Ludwig Pick haben sich nur wenige Informationen erhalten. Er besuchte die städtische Schule, war ein erfolgreicher Schüler mit einer Begabung für Naturwissenschaften und Mathematik und hatte zudem musikalisches Talent. Er spielte Cello und leitete das Schulorchester. Seine Eltern gehörten aller Wahrscheinlichkeit nach zur kleinen jüdischen Gemeinde Landsbergs, die langjährig von dem Reformrabbiner Wilhelm Klemperer (1839–1912) geleitet wurde und zu der zum Zeitpunkt der Geburt von Ludwig etwa 700 der rund 21.000 Einwohner Landsbergs zählten.
Nach seinem Schulabschluss begann Ludwig Pick ein Medizinstudium, studierte seit 1886 in Heidelberg, Leipzig, Berlin und ging für seine letzten beiden Semester 1891/1892 nach Königsberg (Kaliningrad). Dort attestierte ihm sein Lehrer Ernst Neumann (1834–1918): „Der Praktische Arzt Herr Dr. med. Ludwig Pick in Berlin ist während seiner Königsberger Studienzeit im hiesigen Pathologischen Institut von Ostern 1890 – Ostern 1891 als Amanuensis [wissenschaftliche Mitarbeiter, Anm. d. Aut.] thätig gewesen und hat während dieser Zeit unausgesetzt und mit großer Inbrunst die ihm dargebotene Gelegenheit, sich eingehende Kenntnisse auf dem Gebiet der Pathologischen Anatomie und Histologie zu erwerben, genutzt.“ Ludwig Pick erhielt 1892 seine Approbation und promovierte ein Jahr später bei Felix Viktor Birch-Hirschfeld (1842–1899) an der Universität Leipzig mit einer Arbeit zum Gefäßverschluss mit dem Titel „Ein Beitrag zur Aetiologie. Genese und Bedeutung der hyalinen Thrombose". Im selben Jahr organisierte er die Gründung des Pathologischen Instituts an der privaten Frauenklinik von Professor Dr. Leopold Landau (1848–1929) in der Philippstraße 21 in Berlin-Mitte und übernahm dessen Leitung bis 1906. 1899 auf der Grundlage eines Gutachtens von Rudolf Virchows (1821–1902) für pathologische Anatomie habilitiert, wurde Ludwig Pick 1906 als Nachfolger von David Paul von Hansemann (1858–1920) Prosektor und Direktor der Abteilung für Pathologische Anatomie im städtischen Krankenhaus am Friedrichshain. 1909 wurde er Titularprofessor an der Medizinischen Fakultät der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin (der heutigen Humboldt-Universität).
Im Ersten Weltkrieg wurde Ludwig Pick im August 1914 als Kriegsfreiwilliger zum Stabsarzt reaktiviert – seit dem Ausscheiden aus dem Militärdienst 1893 war der Mediziner Stabsarzt der Reserve gewesen. In den ersten Kriegsjahren zwischen 1914 und 1916 war er beratender Pathologe des Berliner Gardekorps und wurde zum Oberstabsarzt befördert. Im späteren Kriegsverlauf nahm er 1917/1918 an den Rückzugsgefechten entlang der Aisne an der Westfront teil. Für seinen Einsatz wurde er unter anderem mit der Rote-Kreuz-Medaille, dem Eisernen Kreuz Erster und Zweiter Klasse und dem Eisernen Halbmond ausgezeichnet.
Nach Kriegsende trat Ludwig Pick 1919 der Deutschen Demokratischen Partei (DDP) bei, der er bis 1929 angehörte, und wurde 1921 zum Honorarprofessor der Friedrich-Wilhelms-Universität berufen. Die ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts bedeuteten für Ludwig Pick eine Hochphase seiner medizinisch-wissenschaftlichen Schaffenskraft, in denen er zahlreiche Fachschriften veröffentlichte und sich als Redner internationalen Ruf erwarb. Mit seiner an Akribie grenzenden Sorgfalt als Arzt, den zahlreichen von ihm durchgeführten Obduktionen und den resultierenden Untersuchungsergebnissen leistete er wichtige Beiträge zur akademischen Pathologie, insbesondere auf den Gebieten der urogenitalen Erkrankungen und der melanozytären Pigmentierung. Auf dem Feld histologischer Techniken, der Aufbereitung von Gewebe zu Untersuchungszwecken, leistete er Pionierarbeit. Wegweisend waren unter anderem auch seine Arbeiten über Neurome mit dem Pathologen Max Bielschowsky (1869–1940). Seine Vortragstätigkeit führte ihn nach Schweden, Großbritannien und die USA: Er hielt 1913/14 Vorträge in New York, im Jahr 1919 sprach er vor der Schwedischen Ärztegesellschaft, 1932 hielt er die „Harvey Lecture“ in London und 1932 die „Dunham Lecture“ an der Harvard Medical School in Boston. Einen Ruf an die University of Chicago lehnte er 1933 ab, ebenso wie den Ruf an die Staatliche Medizinschule, weil, wie er schrieb, „ich mich auch in diesen schweren Zeiten meinem deutschen Vaterland nach wie vor verbunden fühle“.
Mit der schrittweisen Entrechtung und Verfolgung von Juden seit 1933 – beziehungsweise aller Personen, die nach den Nürnberger Gesetzen im NS-Staat als Juden galten – begannen auch Zwangsmaßnahmen gegen Ludwig Pick und seine Verwandten. Darunter fielen zahlreiche Maßnahmen der Diskriminierung und sozialen Ausgrenzung, des Entzugs staatsbürgerlicher Rechte sowie der Verdrängung aus dem Berufs- und Wirtschaftsleben. Abgesehen von Boykottmaßnahmen, behördlichen Schikanen und Verhaftungsaktionen wurde die Schlinge für jüdische Ärzte durch eine Flut von Verordnungen und Gesetze schrittweise enger gezogen: So wurden mit insgesamt sieben Verordnungen von 1933 bis 1937 „nichtarischen“ Ärzten nach und nach die Kassenzulassungen entzogen; mit dem „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ vom 7. April 1933 waren sie vom öffentlichen Gesundheitswesen ausgeschlossen, mit der Verordnung vom 20. November 1933 durften sie keine ärztlichen Fortbildungskurse mehr besuchen und wurden vom ärztlichen Bereitschaftsdienst ausgeschlossen; ab dem Jahr 1936 durften sie nicht mehr mit „deutschstämmigen“ Ärzten zusammenarbeiten. 1933/1934 wurde Ludwig Pick zwangspensioniert und aus seiner Position als Direktor des Krankenhauses am Friedrichshain aus dem städtischen Gesundheitswesen Berlins entlassen. Von 1934 bis weit in den Zweiten Weltkrieg hinein arbeitete Ludwig Pick für ein zentrales Untersuchungsinstitut der Berliner Krankenkassen. Am 19. Oktober 1935 wurde ihm die Lehrbefugnis entzogen.
Nach seiner Zwangspensionierung lebte er mit der nichtjüdischen Oberschwester Anna Clara König zusammen, die 1891 in Werder geboren worden war. Seitdem sich Ludwig Pick Ende des 19. Jahrhunderts in Berlin niedergelassen hatte, lebte er in der Phillippstraße 21 in Mitte. 1936 bezog das Paar das in diesem Jahr fertiggestellte Wohnhaus in der Kunzendorferstraße 20 in Zehlendorf, welches durch den Architekten Fritz Crzellitzer entworfen worden war, der mit Ludwig Picks Cousine Martha Crzellitzer, geborene Schoenflies, verheiratet war. Die für 1936 geplante Hochzeit von Ludwig und Anna Clara verhinderte das „Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre“ von 1935. 1938 übernahm Ludwig Pick die Leitung des Pathologischen Instituts des Krankenhauses der Jüdischen Gemeinde in der Iranischen Straße 2 im Wedding. Nachdem ihm am 30. September 1938 wie allen jüdischen Ärzten und Ärztinnen mit der „Vierten Verordnung zum Reichsbürgergesetz“ die Approbation entzogen worden war, wurde er in den folgenden Jahren nur noch als „Krankenbehandler“ in der Pathologie des Instituts geführt. Auf das inzwischen mit einer Sicherungshypothek für die „Reichsfluchtsteuer“ belastete Grundstück in der Kunzendorfstraße zog 1940 ein SS-Führer, der sich 1942 als neuer Eigentümer in das Grundbuch eintragen ließ. Vermutlich ausgelöst durch die Pogrome im Juni und November 1938, versuchten die Picks schließlich doch noch, das Land zu verlassen, aber ohne Erfolg.
Der Entrechtung folgte die Deportation: Mitte März 1943 wurden Professor Ludwig Pick und Anna Clara König von der Gestapo verhaftet: Anna König schilderte die Ereignisse später in einer Mitteilung an die Entschädigungsbehörde: „Wir blieben trotz starker Drohungen seitens der Gestapo und anonymen Anzeigen zusammen. Im März 1943 wurden wir in gemeinster Weise von der Gestapo verhaftet; ich kam unter schrecklichsten Beschimpfungen ins Gefängnis Alexander-Platz und mein Verlobter ins Judenlager, wo er bis zum Abtransport nach Theresienstadt verbleiben musste. Nach fast 3 wöchiger Qual und vielen Verhören in der Burgstr. wurde ich entlassen. Trotz des Verbots mit Juden in Verbindung zu bleiben, war ich nach meiner Entlassung aus dem Gefängnis bemüht, meinen Verlobten auf jede Art und Weise zu unterstützen. Solange er noch in Berlin war, versorgte ich ihn mit Lebensmitteln durch Vermittlung des Jüdischen Krankenhauses. Im Juni 1943 wurde er nach Theresienstadt deportiert […].“ Ludwig Pick wurde aus dem Berliner Sammellager Gerlachstraße am 16. Juni 1943 mit dem „91. Alterstransport“ in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Er überlebte ein halbes Jahr lang die unmenschlichen Bedingungen im Ghetto, bevor er im Alter von 75 Jahren am 4. Februar 1944 in Theresienstadt ermordet wurde – entweder durch direkte Gewalteinwirkung oder durch die Folgen von planvoller Mangelernährung und körperlichen Misshandlungen. Kaum verlässlich ist die in Theresienstadt festgestellte Todesursache einer Lungenentzündung, da tatsächlichen Umstände systematisch durch verschleiernde Sammelbegriffe verdeckt wurden.
Ludwig Picks Frau Anna Clara König überlebte die NS-Zeit. Sie wurde nach dem Krieg vom Gericht als Erbin eingesetzt, ihre Ehe mit Ludwig Pick wurde rückwirkend anerkannt. Sie lebte nach 1945 in Berlin und erhielt Mitte der 1950er-Jahre das Haus in der Kunzendorfstraße zugesprochen. Ludwigs Geschwister Georg und Margarethe Caro, geborene Pick, waren in den Jahren 1929 und 1930 verstorben. Das Schicksal seines Bruders Leo Pick ist ungeklärt. Seine Schwester Emilie Pick, verheiratete Rosenberg, hatte sich zusammen mit ihrem Ehemann im Oktober 1941 – am Vorabend ihrer bevorstehenden Deportation – das Leben genommen.