Paul Kitt

Verlegeort
Naunynstraße 69
Bezirk/Ortsteil
Kreuzberg
Verlegedatum
04. April 2022
Geboren
07. Januar 1885 in Berlin
Beruf
Tischlermeister
Verhaftet
13. November 1936 im Polizeigefängnis Alexanderplatz, Berlin
Interniert
1937 in Sachsenhausen
Interniert
1940 in Dachau
Interniert
1941 in Neuengamme
Ermordet
12. Februar 1942 in Neuengamme

Paul Ludwig Augustinus Kitt kam am 7. Januar 1885 in Berlin als Sohn des Tischlers Augustinus Kitt und seiner Ehefrau Wilhelmine Bertha Emma Amalie, geb. Berge, zur Welt. Zum Zeitpunkt seiner Geburt wohnte die Familie in der Saarbrücker Straße 32. Paul hatte zehn Geschwister: Maria (*1882), Elisabeth Maria Bertha (1883–1884), Johannes Julius (1887–1888), Anna (*1890), Elisabeth (*1891), Flora (*1892), Bertha (*1895), Hans (*1898), Käthe (*1900) und Gertrud (*1903). Die Familie war katholisch. Um 1891 zogen die Kitts nach Kreuzberg: Zunächst befanden sich Wohnung und Tischlerei in der Nostitzstraße, seit 1903 in der Gneisenaustraße.

Paul Kitt erlernte – wie sein Vater – den Beruf des Tischlers und machte seinen Meister. Er heiratete am 27. Mai 1911 Martha Maria Ida Krall, geb. am 4. November 1890 in Berlin. Sie war von Beruf Verkäuferin und ebenfalls katholisch. Um 1914 zog das Ehepaar in die Bergmannstraße 106. Paul Kitt betrieb dort eine Tischlerwerkstatt für „künstlerischen Innenausbau und Möbel aller Art“, wie es auf einer Visitenkarte aus dieser Zeit heißt.

Am 20. Januar 1925 wurde Heribert, das erste Kind des Ehepaares, geboren. Es folgte Margareta Maria Martha, geb. am 18. März 1926. Das Mädchen verstarb mit nur einem Jahr am 2. April 1927. Nur drei Wochen später, am 23. April, kam der zweite Sohn Bernhard zur Welt. Um 1931 war die Familie vom westlichen in den östlichen Teil Kreuzbergs gezogen: Dort wohnten sie zunächst in der Waldemarstraße 41, seit 1934 in der Naunynstraße 69.

Paul Kitt ließ sich am 18. Januar 1930 als Bibelforscher – seit 1931 Zeugen Jehovas genannt – taufen. Seine Ehefrau und die Söhne konvertierten nicht mit und blieben katholisch.

Am 24. Juni 1933 wurden die Zeugen Jehovas von den Nationalsozialisten in ganz Deutschland verboten. Paul Kitt übte seine Religion und die Missionsarbeit fortan illegal aus. Am Morgen des 13. November 1936 wurden er und weitere Zeugen Jehovas aus der Umgegend von der Gestapo abgeholt und in das Polizeigefängnis am Alexanderplatz eingeliefert. Nach dreiwöchiger Inhaftierung im Polizeigefängnis wurde er in das KZ Sachsenhausen überführt, wo er schwere Zwangsarbeit leisten musste. Am 27. April 1937 wurde Paul Kitt vom Landgericht Berlin wegen seiner Zugehörigkeit zur Bibelforschervereinigung zu neun Monaten Gefängnis unter Anrechnung der Untersuchungshaft verurteilt. Diese Strafe verbüßte er im Gefängnis Plötzensee, wo seine Frau ihn gelegentlich besuchen konnte. Nach dem Ende seiner Haft wurde er allerdings nicht entlassen, sondern – wie viele andere Regimegegner und den Nazis missliebige Personen – in „Schutzhaft“ behalten. Paul Kitt wurde zunächst nach Sachsenhausen überstellt, von dort am 29. August 1940 in das KZ Dachau und am 23. Januar 1941 schließlich in das KZ Hamburg-Neuengamme verschleppt.

Es haben sich Briefe erhalten, die Paul Kitt aus dem KZ an seine Ehefrau und die Söhne schrieb. Er versuchte, trotz jahrelanger Haft, sich und seinen Angehörigen Mut zu machen. So schrieb er in einem Brief vom 19. Oktober 1941: „… Es ist jetzt der 6te Winter, den ich in der Fremde verlebe und ich muss ja sagen, ich habe ein bisschen Respekt vor ihm. … Am 13.11. sind es 5 Jahre, seit ich von euch fort bin. Eine schöne Zeit, doch wir wollen den Mut nicht verlieren, liebe Mama, immer den Kopf hoch und voller Hoffnung in die Zukunft sehend wird dir alles leichter werden. Ich selbst bin noch gesund und munter. ...“

Paul Kitt kam am 12. Februar 1942 im Alter von 57 Jahren im KZ Neuengamme ums Leben. Auf der Sterbeurkunde ist als Todesursache „Versagen von Herz und Kreislauf bei Fleckfieber“ vermerkt. In den ersten drei Monaten des Jahres 1942 herrschte im Lager Neuengamme eine Typhusepidemie, der Paul Kitt wahrscheinlich zum Opfer gefallen ist – die Symptome von Typhus und Fleckfieber ähneln einander. Geschwächt durch schwere Zwangsarbeit, schlechte hygienische Bedingungen, mangelhafte Ernährung und unzureichende Kleidung verstarb er nach mehr als fünf Jahren in Haft.

Das Urteil des Landgerichts Berlin vom 27. April 1937 gegen Paul Kitt wurde 1951 auf Antrag seiner Witwe postum aufgehoben.