Alfred Kessel

Verlegeort
Neue Grünstraße 32
Bezirk/Ortsteil
Mitte
Verlegedatum
24. November 2018
Geboren
24. Juni 1881 in Berlin
Beruf
Verkäufer
Deportation
am 03. Oktober 1942 nach Theresienstadt
Ermordet
12. November 1942 in Theresienstadt

Alfred Kessel kam am 24. Juni 1881 als erstes Kind von Bernhard Kessel und dessen Frau Zerline (genannt Lina), geborene Alexander, in Berlin zur Welt. Seine Eltern waren im Zuge einer großen Auswanderungswelle in den 1860er/70er Jahren aus der Provinz Posen in das Industriezentrum Berlin gekommen. Zum einen war die jüdische Bevölkerung in der Provinz Posen im Vergleich zu den anderen preußischen Provinzen rechtlich stärker eingeschränkt. Zum anderen gab es dort ständig Auseinandersetzungen um die Vormacht zwischen der polnisch-katholischen und der deutsch-evangelischen Bevölkerung, in denen die Jüdinnen und Juden von der Staatsmacht Preußen, die die Provinz Posen 1793 annektiert hatte, je nach Bedarf benutzt oder drangsaliert wurden.<br />
Alfreds Vater Bernhard Baer (Baer war sein religiöser Name) Kessel war als viertes Kind des Schneiders Lewin Kessel und dessen zweiter Ehefrau Luise Hammel in dem kleinen Städtchen Kosten in der Provinz Posen geboren worden. Er hatte sechs Geschwister, die alle nach Berlin auswanderten und dort, mit Ausnahme seiner Schwester Auguste, die einen Bankier heiratete, alle Posamentier- und Manufakturwaren, Weißwäsche und Schuhmacherartikel verkauften.<br />
Alfreds Mutter Lina Zipora (Zipora war ihr religiöser Name und bedeutet Vögelchen) war als Tochter des Kaufmanns Joseph Alexander und seiner Ehefrau Johanna Friedländer 1849 in der Provinzhauptstadt Posen geboren worden. Sie hatte noch zwei Geschwister, die beide, wie auch die Eltern, nach Berlin zogen: den Arzt Salomon (genannt Sally), später „Geheimer Sanitätsrat“, und Philipp, der als Börsenmakler tätig war.<br />
Bernhard Kessel und Lina Alexander heirateten am 3. August 1880, zogen in die Andreasstraße 59 im heutigen Bezirk Friedrichshain und betrieben dort ein Posamentier- und Weißwarengeschäft. <br />
Kurz vor Alfreds drittem Geburtstag wurde 1884 sein Bruder Erich geboren, 1885 folgte sein Bruder Felix und 1887 kam seine Schwester Hedwig zur Welt. Ein weiterer Bruder, Hans, war 1883 wenige Stunden nach der Geburt gestorben. <br />
Im Geschäft im Parterre half Mutter Lina mit, in der Wohnung darüber unterstützte sie ein Dienstmädchen, was damals kein Merkmal von Luxus war. Obwohl nur die Mutter eine höhere Schulausbildung hatte – sie hatte in Posen das Lyzeum besucht – erhielten die Kinder eine gutbürgerliche Erziehung: Die Familie besuchte das Theater, Alfred und Erich kamen auf das Gymnasium und mussten Latein lernen, alle vier Kinder erlernten ein Instrument (Alfred die Geige), um in Hauskonzerten die Familie zu unterhalten.<br />
Beim frühen Tod des Vaters im Jahr 1902 war Alfred Handlungsgehilfe (Verkäufer). Da Vater Bernhard gut vorgesorgt hatte und Mutter Lina nun Eigentümerin zweier Mietshäuser war, konnte es sich die Familie 1913 leisten, in das gerade erbaute moderne Bayerische Viertel nach Schöneberg zu ziehen, in die Apostel-Paulus-Straße 19.<br />
In der Nähe wohnte auch Alfreds Schwester Hedwig, die 1907 den Konfektionär Arthur Rosenthal geheiratet hatte. Alfred nahm als „Einjährig-Freiwilliger“ am Ersten Weltkrieg teil und kehrte daraus mit einer Beinprothese zurück. Er bezog Invalidenrente und musste am Stock gehen.<br />
Alfred und sein Bruder Erich wohnten bis Anfang der 1930er Jahre mit der Mutter zusammen. Anfang der 1920er Jahre gründete Erich mit einer gemeinsamen Freundin, Anna Hahn, und einem Freund einen Blumen- und Federngroßhandel, in dem Alfred mitarbeitete. 1931 zogen Alfred, Erich und Anna Hahn in die Neue Grünstraße 32 und eröffneten dort ein Putzgeschäft, das sie bis zur Pogromnacht am 9./10. November 1938 halten konnten. In der Wohnung konnten die drei weiterhin bleiben, da Anna als Nicht-Jüdin Hauptmieterin war. <br />
Alfred Kessel wurde in seiner Wohnung verhaftet und am 3. Oktober 1942 mit dem „3. großen Alterstransport“ nach Theresienstadt deportiert, wo er am 12. November 1942 ermordet wurde. <br />
Alfreds Schwester Hedwig und ihr Mann Arthur Rosenthal sowie der Bruder Felix Kessel, dessen Frau und Tochter wurden ebenfalls deportiert und ermordet. Hedwigs Söhne Kurt und Herbert Rosenthal konnten Mitte der 1930er Jahre nach Palästina fliehen. Auch Alfreds Bruder Erich Kessel überlebte die Shoah. <br />
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Alfred Kessel kam am 24. Juni 1881 als erstes Kind von Bernhard Kessel und dessen Frau Zerline (genannt Lina), geborene Alexander, in Berlin zur Welt. Seine Eltern waren im Zuge einer großen Auswanderungswelle in den 1860er/70er Jahren aus der Provinz Posen in das Industriezentrum Berlin gekommen. Zum einen war die jüdische Bevölkerung in der Provinz Posen im Vergleich zu den anderen preußischen Provinzen rechtlich stärker eingeschränkt. Zum anderen gab es dort ständig Auseinandersetzungen um die Vormacht zwischen der polnisch-katholischen und der deutsch-evangelischen Bevölkerung, in denen die Jüdinnen und Juden von der Staatsmacht Preußen, die die Provinz Posen 1793 annektiert hatte, je nach Bedarf benutzt oder drangsaliert wurden.
Alfreds Vater Bernhard Baer (Baer war sein religiöser Name) Kessel war als viertes Kind des Schneiders Lewin Kessel und dessen zweiter Ehefrau Luise Hammel in dem kleinen Städtchen Kosten in der Provinz Posen geboren worden. Er hatte sechs Geschwister, die alle nach Berlin auswanderten und dort, mit Ausnahme seiner Schwester Auguste, die einen Bankier heiratete, alle Posamentier- und Manufakturwaren, Weißwäsche und Schuhmacherartikel verkauften.
Alfreds Mutter Lina Zipora (Zipora war ihr religiöser Name und bedeutet Vögelchen) war als Tochter des Kaufmanns Joseph Alexander und seiner Ehefrau Johanna Friedländer 1849 in der Provinzhauptstadt Posen geboren worden. Sie hatte noch zwei Geschwister, die beide, wie auch die Eltern, nach Berlin zogen: den Arzt Salomon (genannt Sally), später „Geheimer Sanitätsrat“, und Philipp, der als Börsenmakler tätig war.
Bernhard Kessel und Lina Alexander heirateten am 3. August 1880, zogen in die Andreasstraße 59 im heutigen Bezirk Friedrichshain und betrieben dort ein Posamentier- und Weißwarengeschäft.
Kurz vor Alfreds drittem Geburtstag wurde 1884 sein Bruder Erich geboren, 1885 folgte sein Bruder Felix und 1887 kam seine Schwester Hedwig zur Welt. Ein weiterer Bruder, Hans, war 1883 wenige Stunden nach der Geburt gestorben.
Im Geschäft im Parterre half Mutter Lina mit, in der Wohnung darüber unterstützte sie ein Dienstmädchen, was damals kein Merkmal von Luxus war. Obwohl nur die Mutter eine höhere Schulausbildung hatte – sie hatte in Posen das Lyzeum besucht – erhielten die Kinder eine gutbürgerliche Erziehung: Die Familie besuchte das Theater, Alfred und Erich kamen auf das Gymnasium und mussten Latein lernen, alle vier Kinder erlernten ein Instrument (Alfred die Geige), um in Hauskonzerten die Familie zu unterhalten.
Beim frühen Tod des Vaters im Jahr 1902 war Alfred Handlungsgehilfe (Verkäufer). Da Vater Bernhard gut vorgesorgt hatte und Mutter Lina nun Eigentümerin zweier Mietshäuser war, konnte es sich die Familie 1913 leisten, in das gerade erbaute moderne Bayerische Viertel nach Schöneberg zu ziehen, in die Apostel-Paulus-Straße 19.
In der Nähe wohnte auch Alfreds Schwester Hedwig, die 1907 den Konfektionär Arthur Rosenthal geheiratet hatte. Alfred nahm als „Einjährig-Freiwilliger“ am Ersten Weltkrieg teil und kehrte daraus mit einer Beinprothese zurück. Er bezog Invalidenrente und musste am Stock gehen.
Alfred und sein Bruder Erich wohnten bis Anfang der 1930er Jahre mit der Mutter zusammen. Anfang der 1920er Jahre gründete Erich mit einer gemeinsamen Freundin, Anna Hahn, und einem Freund einen Blumen- und Federngroßhandel, in dem Alfred mitarbeitete. 1931 zogen Alfred, Erich und Anna Hahn in die Neue Grünstraße 32 und eröffneten dort ein Putzgeschäft, das sie bis zur Pogromnacht am 9./10. November 1938 halten konnten. In der Wohnung konnten die drei weiterhin bleiben, da Anna als Nicht-Jüdin Hauptmieterin war.
Alfred Kessel wurde in seiner Wohnung verhaftet und am 3. Oktober 1942 mit dem „3. großen Alterstransport“ nach Theresienstadt deportiert, wo er am 12. November 1942 ermordet wurde.
Alfreds Schwester Hedwig und ihr Mann Arthur Rosenthal sowie der Bruder Felix Kessel, dessen Frau und Tochter wurden ebenfalls deportiert und ermordet. Hedwigs Söhne Kurt und Herbert Rosenthal konnten Mitte der 1930er Jahre nach Palästina fliehen. Auch Alfreds Bruder Erich Kessel überlebte die Shoah.