Harry Frommermann

Verlegeort
Paulsborner Straße 20
Bezirk/Ortsteil
Wilmersdorf
Verlegedatum
31. August 2023
Geboren
12. Oktober 1906 in Berlin
Beruf
Tenor und Initiator der „Comedian Harmonists“
Flucht
1935 Österreich, 1938 England, 1941 USA
Überlebt

Max Harry Frommermann war Tenor Buffo und Initiator der 1927 gegründeten „Comedian Harmonists“. Er wurde am 12. Oktober 1906 in der Rosenthaler Straße in Berlin geboren. Sein Vater war Kantor und früherer Opernsänger, er war aus Galizien eingewandert und leitete mit seiner Frau in der Rosenthaler Straße eine Kantorenschule und ein koscheres Restaurant. Harry wuchs mit Musik auf und erhielt von klein auf Musikunterricht. Sein Vater war mit dem Dirigenten Arthur Nikisch befreundet und Harry durfte als kleiner Knirps manchmal zu Proben der Berliner Philharmoniker mitgehen, wenn Nikisch dort dirigierte. Ab 1912 besuchte er die Mittelschule der Jüdischen Gemeinde in der Großen Hamburger Straße. Während der Schulzeit wirkte er bei Theateraufführungen mit und besuchte in seiner Freizeit oft Theatervorstellungen. Das weckte in ihm den Wunsch, Schauspieler zu werden. Sein Vater war damit aber nicht einverstanden und steckte ihn kurzerhand zur Lehre in ein Bekleidungsgeschäft. 1924 starb der Vater. Harry nutzte die Gelegenheit, warf die Lehre hin und begann an der Staatlichen Schauspielschule Berlin zu studieren. Er wurde aber schon nach einem halben Jahr wegen schlechten Betragens von der Schule verwiesen. Mit kleinen Rollen an der Berliner Volksbühne hielt er sich über Wasser. In der Zeit hörte er zum ersten Mal die US-amerikanische Gruppe „Die Revellers“, die damals mit mehrstimmigem A-Capella Gesang Furore machte.

1927 starb auch seine Mutter, und er zog mit einem Freund in eine kleine Dachwohnung in der Stubenrauchstraße 47. Hier begann er, Arrangements im Stil der Revellers zu schreiben. Im Dezember 1927 kratzte er sein letztes Geld zusammen und gab die berühmte Anzeige im Berliner Lokalanzeiger auf, in der er nach Sängern für eine Gruppe im Stil der Revellers suchte. Über dieses Vorsingen fand er die Sänger für seine zukünftige Gesangsgruppe. 

1928 erhielt die Gruppe einen Vertrag im Großen Schauspielhaus. Sie traten dort während der Umbaupausen in einer Revue auf und schlugen ein wie die sprichwörtliche Bombe. Von dem Zeitpunkt an trug die Gruppe den Namen „Comedian Harmonists“. Es kam zu einem kometenhaften Aufstieg. Harry schrieb die meisten Arrangements und fungierte darüber hinaus als dritter Tenor, oder Tenorbuffo. Er war der Clown in der Gruppe, und konnte besonders gut Instrumente imitieren.

 Am 15. März 1931 heiratete er die Schauspielerin Marie Erna Eggstein. Sie war am 20. Juni 1905 in Hannover geboren. Weil sie Protestantin war und er Jude, gab es nur eine standesamtliche Eheschließung. Sie sagte später in einem Interview, dass Religion für sie beide nie eine Rolle gespielt hatte, bis die Nazis kamen. Erna Eggstein trat im September 1930 in Leipzig in der Revue „Wie werde ich reich und glücklich“ von Mischa Spoliansky auf – in der auch die Comedian Harmonists mitwirkten. 

Außer Harry gab es bei den Comedian Harmonists zwei weitere Juden, und mit dem Jahr 1933 begannen ihre Schwierigkeiten. 1834 gab es ein Auftrittsverbot in Deutschland. 1935 kam das endgültige Ende. Die jüdischen Mitglieder der Gruppe wurden nicht in die Reichsmusikkammer aufgenommen und konnten damit nicht mehr als Sänger arbeiten. 

Harry und Erna Frommermann gingen zunächst nach Wien. Sie ließen dabei einen Großteil ihres Vermögens und ihre Wohnungseinrichtung in der Paulsborner Straße 20 zurück. In Wien bauten die exilierten Mitglieder der Comedian Harmonists eine neue Gruppe auf, die in ganz Europa sehr erfolgreich auftrat. Sie benutzten dabei weiterhin den Namen „Comedian Harmonists“. Zur Unterscheidung von der Berliner Originalgruppe wird die Wiener Formation heute als „Exilgruppe“ bezeichnet. Nach dem Anschluss Österreichs ans Deutsche Reich mussten die Mitglieder der Exilgruppe und somit auch das Ehepaar Frommermann aber aus ihrer neuen Heimat fliehen. In den folgenden Jahren waren sie viel auf langen Tourneen in der ganzen Welt unterwegs. Besonders in Australien feierten sie unter dem Namen Comedy Harmonists große Erfolge und planten, sich dort niederzulassen. Harrys Frau Erna wollte allerdings nicht in Australien bleiben, weil viele deutsche Emigranten dort als feindliche Ausländer interniert wurden. 

1940 war die Gruppe auf einer Tournee durch Nordamerika. Wegen des Seekrieges konnten die Musiker nicht wie geplant nach Australien zurückreisen, und wie die anderen musste das Ehepaar Frommermann in den USA bleiben. Dort blieb nun aber der Erfolg aus – die Stimmung war zunehmend anti-deutsch und mit ihrem deutschen Akzent traf die Gruppe nicht die Herzen der US-Amerikaner. Hinzu kamen persönliche Konflikte in dieser für alle nervenaufreibenden Zeit. Die Gruppe löste sich 1941 auf.

Harry und Erna Frommermann gingen nach New York. Harry hielt sich dort mit Gelegenheitsarbeiten über Wasser und bekam Unterstützung von jüdischen Wohlfahrtsorganisationen. Er versuchte ein neues Ensemble zu gründen, was aber schon in der Anfangsphase scheiterte. 1943 wurde er in die amerikanische Armee eingezogen und bekam die amerikanische Staatsbürgerschaft - von nun an nannte er sich "Harry Frohman". Marie Erna Frommermann verkürzte und amerikanisierte ihren Namen zu Marion. Sie machte in New York eine Ausbildung in einer Friseurschule und arbeitete in einem Schönheitssalon. Die beiden hatten mit großen finanziellen Problemen zu kämpfen, die Ersparnisse von den Tourneen waren bald aufgebraucht. In der Armee wurde Harry für die Truppenbetreuung eingesetzt. 

Während seine Frau in den USA blieb, ging er nach dem Krieg zurück nach Deutschland, wo er als Übersetzer an den Vorbereitungen für die Nürnberger Prozesse mitarbeitete. An seine Frau schrieb er damals, dass die Arbeit zwar sehr interessant sei, aber auch sehr belastend. 1946 wurde er als Kontrolloffizier zum RIAS nach Berlin versetzt, wurde allerdings 1948 aus dieser Position wieder entlassen. Die Amerikaner hatten damals ein gewisses Misstrauen gegenüber den europäischen Emigranten, man witterte in jedem einen potenziellen Kommunisten.

Harry beschloss nun, sich in der Schweiz eine neue Existenz aufzubauen - seine Frau war noch immer in New York. Er lebte in einer Pension in Zürich, wo er im Herbst 1948 ein Telegramm von seinem ehemaligen Kollegen Erich Collin erhielt. Der hatte in den USA ein neues Ensemble gegründet und war in Skandinavien auf Tournee. Der Tenorbuffo der Gruppe war überraschend verstorben. Collin bat Harry einzuspringen und Harry fuhr sofort nach Norwegen und war dann beim Rest der Tournee und bei einigen Schallplattenaufnahmen dabei. Die Gruppe löste sich aber nach der Tournee auf. Als nächstes verschlug es Harry nach Rom, wo er beim Radiotelevisione Italiana (RAI) arbeitete und dort das Angebot erhielt, eine Gesangsgruppe aufzubauen. "Harry Frohman and his Harmonists“ hatten mehr als 60 Rundfunkauftritte für den RAI. Eine geplante Tournee scheiterte allerdings, weil zwei junge Sängerinnen, die Mitglieder des Gesangsgruppe waren, nicht mit Männern reisen durften. 

Schließlich kehrte Harry Frohman 1951 nach New York zurück. Seine Frau und er hatten sich durch die lange Trennung auseinandergelebt und ließen sich 1952 scheiden. Marion arbeitete weiterhin in einem Schönheitssalon und heiratete schließlich ein zweites Mal. Für Harry kamen schwere Jahre: Er arbeitete als Taxifahrer, in Fabriken, oder als Buchhalter und war zwischendurch immer wieder arbeitslos. Seine Gesundheit war sehr angegriffen. Ein weiterer Versuch mit Erich Collin eine neue Gruppe aufzubauen, scheiterte wieder in der Anfangsphase. Harry experimentierte mit Ein-Mann-Stimmaufnahmen, die er zusammenschnitt, so dass der Eindruck eines mehrstimmigen Stimmen-Orchesters entstand. Ein kommerzieller Erfolg war ihm mit diesen Projekten nicht beschieden.

Mitte der 50er heiratete auch er ein zweites Mal, trennte sich aber schon wenige Jahre später von seiner zweiten Frau. 1962 zog er schließlich nach Bremen zu seiner letzten Lebensgefährtin, Erika von Späth. Dort verbrachte er seine letzten 14 Lebensjahre, immer mit einem gepackten Koffer unter dem Bett. Harry Frohman starb am 29. Oktober 1975, kurz bevor er für eine geplante Fernseh-Dokumentation des bekannten Dokumentarfilmers Eberhard Fechner interviewt werden sollte. Er ist in Bremen beerdigt.