Lina Günther geb. Jakobus

Verlegeort
Pintschstraße 7
Bezirk/Ortsteil
Friedrichshain
Verlegedatum
05. Oktober 2021
Geboren
12. November 1879 in Nichors (Westpreußen) / Niechorz
Zwangsarbeit
Wäscherin (Wäscherei der Firma Spindler in Berlin-Spindlersfeld)
Deportation
am 03. März 1943 nach Auschwitz
Ermordet
in Auschwitz

Lina Jakobus kam am 12. November 1879 in Nichorz (Westpreußen) als Tochter des jüdischen Kaufmanns Zodek Jakobus und dessen Ehefrau Auguste, geb. Weißfeld, zur Welt. Das Dorf Nichorz (polnisch Niechorz) liegt etwa 130 km südwestlich von Danzig. Lina hatte mindestens noch drei Geschwister: Flora (geb. 1877), Rose (geb. 1885) und Adolf (geb. und gest. 1888). Über die Kindheit und Jugend von Lina Jakobus haben sich keine Zeugnisse erhalten.

Sie heiratete am 1. Dezember 1903 in Berlin den Uhrmacher Anton Paul Gryszczynski. Er war am 15. Februar 1880 in Bromberg geboren worden und katholisch. Laut der Heiratsurkunde hatte Lina keinen Beruf und wohnte in Mrotschen, etwa 23 km südlich von ihrem Geburtsort Nichorz. Wie sich Paul Gryszczynski und Lina kennengelernt hatten, ist nicht bekannt. Nur zwei Tage nach der Hochzeit brachte sie den Sohn Hans zur Welt, der aber bereits am 10. Dezember 1903 verstarb.

Etwa ein Jahr später, am 13. Dezember 1904, wurde Tochter Meta geboren. Die Familie wohnte zu diesem Zeitpunkt im Weidenweg 20 im Bezirk Friedrichshain, um 1911 zogen sie in die Pappelallee 19.

Ende 1908 erhielten Paul Gryszczynski und seine Angehörigen vom Berliner Polizeipräsidenten die Genehmigung, anstelle des bisherigen Familiennamens den Namen „Günther“ anzunehmen. Somit hieß Lina Gryszczynski nun Lina Günther.

Die Ehe mit Paul Günther wurde am 10. Februar 1926 geschieden. Wahrscheinlich lebte das Paar aber schon einige Jahre vorher getrennt: Im Berliner Adressbuch ist Lina Günther das erste Mal im Jahr 1917 mit einer Plätterei in der Bastianstraße 5, in der Nähe des Bahnhofs Gesundbrunnen, verzeichnet. Tochter Meta blieb bei der Mutter. Um 1922 zogen sie in die Kochhannstraße 33, Lina verdiente ihren Lebensunterhalt weiterhin als Plätterin. Meta erlernte den Beruf der Buchhalterin und heiratete im Dezember 1927 den Schlossermeister Willy Erich Kuhn, geb. 1900 in Charlottenburg. Sie lebte fortan mit ihm in Berlin-Charlottenburg.

Mit der schrittweisen Entrechtung und Verfolgung von Juden seit 1933 begannen auch Zwangsmaßnahmen gegen Lina Günther. Darunter fielen zahlreiche Maßnahmen der Diskriminierung und sozialen Ausgrenzung, des Entzugs staatsbürgerlicher Rechte sowie der Verdrängung aus dem Berufs- und Wirtschaftsleben.

Im Juli 1933 zog Lina Günther in die Pintschstraße 8 (heute Nr. 7) und bewohnte dort im ersten Stock des Vorderhauses Stube und Küche. Als Jüdin wurde sie zur Zwangsarbeit in der Wäscherei der Firma Spindler in Berlin-Spindlersfeld verpflichtet. Für ein geringes Arbeitsentgelt musste die über 60-Jährige neun Stunden pro Tag körperlich anspruchsvolle Arbeit leisten.

Ihre Tochter Meta Kuhn war vor der Verfolgung als sogenannter „Mischling I. Grades“, die zudem mit einem Nichtjuden verheiratet war, weitestgehend geschützt.

Lina Günther wurde am 27. Februar 1943 Opfer der „Fabrikaktion“, bei der die bis dahin von der Deportation verschonten letzten Berliner Juden, die in kriegswichtigen Betrieben zwangsbeschäftigt waren, verhaftet und deportiert wurden.

Meta Kuhn gab nach dem Krieg gegenüber dem Entschädigungsamt an, dass sie von ihrer Mutter am 2. März 1943 noch eine verzweifelte Postkarte erhalten hatte, in der sie ihr mitteilte, dass sie von ihrer Arbeitsstelle abgeholt worden war und sich in der als Sammellager missbrauchten ehemaligen Synagoge in der Levetzowstraße 7-8 befand. Meta schilderte: „Ich bin sofort dorthin gefahren, leider konnte ich nichts mehr erreichen, der Transport war bereits abgegangen.“

Lina Günther wurde am 3. März 1943 mit dem 33. Osttransport nach Auschwitz deportiert, wo sie wahrscheinlich gleich nach der Ankunft ermordet wurde.