Franz Liepmann

Verlegeort
Prager Str. 10
Historischer Name
Pragerstr. 14
Bezirk/Ortsteil
Wilmersdorf
Verlegedatum
09. November 2021
Geboren
03. Oktober 1889 in
Beruf
Pelzhändler
Verhaftet
November 1938 bis 16. Dezember 1938 im KZ Sachsenhausen
Flucht in den Tod
01. März 1943 in Berlin

Auf die Idee, für Franz Liepmann einen Stolperstein setzen zu lassen, kam sein Urenkel Mark Liepmann, als er bei einem Familientreffen 2019 in Berlin vom Leben und Sterben seines Urgroßvaters erfuhr.

Als sich Anfang der 30-er Jahre abzeichnete, wie sich die politische Entwicklung in Deutschland entwickeln würde, haben Freunde und Familie unserem Großvater dringend zur Emigration nach England oder USA geraten. Unser Großvater lehnte in der Überzeugung ab, dass er als guter Deutscher im Ersten Weltkrieg gedient habe und dafür mit dem Eisernen Kreuz geehrt worden sei, ihm werde nichts zustoßen. Zu spät erkannte er diesen fatalen Irrtum. Er ließ seine Tochter, Ursula Liepmann, bereits mit 18 Jahren für volljährig erklären, denn seine Frau, Bankierstochter, war mit Alltagsproblemen, wie z.B. Umgang mit Ämtern, überfordert. Diese Verantwortung sollte seine Tochter übernehmen.

Unser Großvater war Pelzhändler und hatte mit einem Kompagnon zusammen ein Geschäft. Als sich die politische Lage zuspitzte, kaufte ihm dieser seinen Anteil für sehr wenig Geld ab. Der Geschäftspartner versprach, dass, wenn „das alles wieder vorbei“ sei, der alte Status wiederhergestellt würde. Dies ist nie geschehen, es gab auch vom Staat keinerlei Entschädigung, mit der Begründung, Franz Liepmann sei nicht enteignet worden, sondern habe das Geschäft ja verkauft.

Bereits zur Zeit der Reichspogromnacht, (9.-10. November 1938), wurde Franz Liepmann in das KZ Sachsenhausen deportiert. Am 16. Dezember 1938 wurde unser Großvater aus Sachsenhausen entlassen.

Über die Entlassung aus dem KZ kursieren mehrere Geschichten. Hatte seine Tochter Ursula dies erwirkt - wie sie es einigen Familienmitgliedern erzählte- oder hatte sich unser Großonkel, Walter Reuter, Major bei der Luftwaffe, erfolgreich für ihn eingesetzt? Nach seiner Entlassung wurde Franz Liepmann zur Zwangsarbeit bei Siemens gezwungen, vom 24. Januar 1941 bis 2. Februar 1943. Wahrscheinlich wurde er am 1. März 1943 gewarnt, (laut Dirk Liepmanns Überzeugung von diesem Großonkel, in der Erinnerung von Lorraine Liepmann von einem Mitarbeiter bei Siemens), dass die NS-Schergen gerade alle Juden abholen.

Für unseren Großvater war klar, dass er sich nie wieder den Entwürdigungen in einem KZ aussetzen werde, daher entschied er sich für den Freitod. Ein Untertauchen war für ihn nicht in Frage gekommen, weil das Schikanen für seine Familie bedeutet hätte. Er verabschiedete sich von seiner Familie, nahm seiner Tochter das Versprechen ab, ein Leben lang für ihre Mutter zu sorgen, zog sich alleine ins Schlafzimmer zurück und nahm Zyankali.

Wie unsere Mutter erzählte, habe er als Toter „friedlich“ dagelegen. Als die NS-Schergen unseren Großvater abholen wollten, sagte unsere Mutter: „Er liegt im Schlafzimmer, seinen Körper können Sie mitnehmen.“

Franz Liepmann war ein sehr eleganter, stolzer und selbstbestimmter Mann. Er sah seine Entscheidung für den Freitod nicht als eine Flucht, sondern als eine selbstbestimmte Handlung: Er stand vor der Wahl, entgegen aller Wahrscheinlichkeit darauf zu hoffen, das KZ vielleicht doch, wenn auch aufs schwerste entwürdigt, zu überleben, oder selbstbestimmt sich für ein würdevolles Beenden seines Lebens zu entscheiden.
Seine letzte Ruhestätte fand unser Großvater in Bad Soden am Taunus.
Das Prinzip der Selbstbestimmung zieht sich wie ein roter Faden durch das Leben der FamilieLiepmann.

Der Name LIEPMANN bleibt. Unser Vater übernahm bei der Eheschließung zu Ehren von Franz Liepmann dessen Nachnamen. Seine drei Enkel, deren Ehefrauen und Kinder lassen diesen Namen weiterleben.

Tochter Ursula Liepmann
Wie entwickelte sich das Leben von Ursula Liepmann (Tochter von Franz Liepmann) weiter?
 Ursula L. konnte als Tochter eines Juden während des Dritten Reiches trotz guter Leistungen nicht weiter auf das Gymnasium gehen und durfte nicht mehr in der Schwimmmannschaft bleiben. Sie ging deshalb in eine Lehre und arbeitete bei einer Firma als Sekretärin bis zum Ende des Krieges.
Nach dem Krieg zog Ursula mit ihrer Mutter Clary nach Bad Soden am Taunus in das Haus ihrer Mutter und Verwandten. Ursula blieb bei ihrer Mutter, wie sie es ihrem Vater versprochen hatte. In Frankfurt/Höchst arbeitete Ursula in der Kantine der amerikanischen Besatzung, aufgrund ihrer guten Englischkenntnisse zuständig für die Kommunikation mit den deutschen Angestellten.

Ihr Wunsch Ärztin zu werden, konnte leider nicht in Erfüllung gehen.

Bei einem Bridgespiel lernte sie Arne kennen, der 1948 ihr Ehemann wurde. Dieser hatte während des Krieges auf dem Versorgungsschiff der U-Boot-Flotte als Einkäufer gearbeitet. Seine internationale Tätigkeit und Beziehungen ermöglichten es ihm, seine Schwester bei der Flucht von Juden aus Nazideutschland zu unterstützen. Diese Schwester wurde später von den Nazis in Amsterdam gefangen genommen und ermordet. Seine Eltern gaben ihm die Schuld an ihrem Tod, weswegen Arne danach keinen Kontakt mehr zu der Familie hatte.

Arne nahm bei der Hochzeit den Geburtsnamen von Ursula an, aus Achtung vor Franz Liepmann und um den Namen Liepmann weiterleben zu lassen.
Neben der Erziehung ihrer Söhne Frank, Dirk und Holger, betrieb Ursula sehr erfolgreich den Verkauf von Fahrzeugen, die in die USA exportiert wurden.

Arne Liepmann arbeitete ab 1950 für die Trans World Airlines (TWA) in mehreren Städten weltweit, zuständig für den Einkauf, Lager und Commissary (gesamte Versorgung auf den Flugzeugen). Die Familie lebte in Bad Soden am Taunus, bis Arne 1967 für TWA bei der Trans Mediterranean Airways in Beirut, Libanon und 1970 bei Saudia Airlines in Jeddah, Saudi Arabien tätig wurde.

Nach dem Ende seiner ca. 25-jährigen Tätigkeit bei TWA zogen er und Ursula nach Kalifornien, vorerst zu Freunden und dann in ein eigenes Zuhause.

Arne verstarb 1986. Ursula lebte weiter in Kalifornien, besuchte ihre drei Söhne, die mittlerweile verteilt über drei Kontinente (Asien, USA, Europa) lebten und spielte aktiv “duplicate Bridge” bis zum Ende ihres Lebens.

Bemerkenswert ist, Ursula und Arne Liepmann haben lange ihre schlimmen Erlebnisse während des Dritten Reiches, sowohl ihren Kindern, als auch ihren Bekannten gegenüber verschwiegen.

Wollten sie ihre Kinder nicht mit ihrer Geschichte belasten, ihnen ein unbekümmertes Leben ermöglichen, alles Schreckliche hinter sich lassen?

Ursula blieb bis ins hohe Alter eine Frau, die einen sehr entschiedenen Willen hatte („Ich werde nie von anderen abhängig sein“), die sich erfolgreich für andere einsetzte, leuchtende Augen bekam, wenn sie sich freute, genauso deutlich aber auch ihre Verärgerung ausdrücken konnte.

Alle Söhne waren beruflich erfolgreich. Ursula freute sich über sieben Enkel, drei „Stiefenkel” und drei Großenkel, an deren Leben sie regen Anteil nahm. Sie wurde von allen geschätzt und geliebt. Eine ihrer Enkelinnen lebte ihren Traum Ärztin zu werden.

Ihr Leben war bestimmt durch einige wichtige Eigenschaften: sehr stur, sehr klug und engagiert mit einer positiven Grundeinstellung. Als sie 2009 starb, hinterließ sie eine Notiz, in der sie zum Ausdruck brachte: „Ich hatte das beste Leben“.

 

Auf die Idee, für Franz Liepmann einen Stolperstein setzen zu lassen, kam sein Urenkel Mark Liepmann, als er bei einem Familientreffen 2019 in Berlin vom Leben und Sterben seines Urgroßvaters erfuhr.

Als sich Anfang der 1930-er Jahre abzeichnete, wie sich die politische Entwicklung in Deutschland entwickeln würde, haben Freunde und Familie unserem Großvater dringend zur Emigration nach England oder USA geraten. Unser Großvater lehnte in der Überzeugung ab, dass er als guter Deutscher im Ersten Weltkrieg gedient habe und dafür mit dem Eisernen Kreuz geehrt worden sei, ihm werde nichts zustoßen. Zu spät erkannte er diesen fatalen Irrtum. Er ließ seine Tochter, Ursula Liepmann, bereits mit 18 Jahren für volljährig erklären, denn seine Frau, Bankierstochter, war mit Alltagsproblemen, wie z.B. Umgang mit Ämtern, überfordert. Diese Verantwortung sollte seine Tochter übernehmen.

Unser Großvater war Pelzhändler und hatte mit einem Kompagnon zusammen ein Geschäft. Als sich die politische Lage zuspitzte, kaufte ihm dieser seinen Anteil für sehr wenig Geld ab. Der Geschäftspartner versprach, dass der alte Status, wenn „das alles wieder vorbei“ sei, wiederhergestellt würde. Dies ist nie geschehen, es gab auch vom Staat keinerlei Entschädigung, mit der Begründung, Franz Liepmann sei nicht enteignet worden, sondern habe das Geschäft ja verkauft.

Bereits zur Zeit der Reichspogromnacht (9.-10. November 1938) wurde Franz Liepmann in das KZ Sachsenhausen deportiert. Am 16. Dezember 1938 wurde unser Großvater aus Sachsenhausen entlassen.

Über die Entlassung aus dem KZ kursieren mehrere Geschichten. Hatte seine Tochter Ursula dies erwirkt – wie sie es einigen Familienmitgliedern erzählte – oder hatte sich unser Großonkel, Walter Reuter, Major bei der Luftwaffe, erfolgreich für ihn eingesetzt? Nach seiner Entlassung wurde Franz Liepmann zur Zwangsarbeit bei Siemens gezwungen, vom 24. Januar 1941 bis 2. Februar 1943. Wahrscheinlich wurde er am 1. März 1943 gewarnt (laut Dirk Liepmanns Überzeugung von diesem Großonkel, in der Erinnerung von Lorraine Liepmann von einem Mitarbeiter bei Siemens), dass die NS-Schergen gerade alle Juden abholten.

Für unseren Großvater war klar, dass er sich nie wieder den Entwürdigungen in einem KZ aussetzen werde, daher entschied er sich für den Freitod. Ein Untertauchen war für ihn nicht in Frage gekommen, weil das Schikanen für seine Familie bedeutet hätte. Er verabschiedete sich von seiner Familie, nahm seiner Tochter das Versprechen ab, ein Leben lang für ihre Mutter zu sorgen, zog sich alleine ins Schlafzimmer zurück und nahm Zyankali.

Wie unsere Mutter erzählte, habe er als Toter „friedlich“ dagelegen. Als die NS-Schergen unseren Großvater abholen wollten, sagte unsere Mutter: „Er liegt im Schlafzimmer, seinen Körper können Sie mitnehmen.“

Franz Liepmann war ein sehr eleganter, stolzer und selbstbestimmter Mann. Er sah seine Entscheidung für den Freitod nicht als eine Flucht, sondern als eine selbstbestimmte Handlung: Er stand vor der Wahl, entgegen aller Wahrscheinlichkeit darauf zu hoffen, das KZ vielleicht doch, wenn auch aufs schwerste entwürdigt, zu überleben, oder selbstbestimmt sich für ein würdevolles Beenden seines Lebens zu entscheiden. Seine letzte Ruhestätte fand unser Großvater in Bad Soden am Taunus.

Das Prinzip der Selbstbestimmung zieht sich wie ein roter Faden durch das Leben der FamilieLiepmann.

Der Name LIEPMANN bleibt. Unser Vater übernahm bei der Eheschließung zu Ehren von Franz Liepmann dessen Nachnamen. Seine drei Enkel, deren Ehefrauen und Kinder lassen diesen Namen weiterleben.

Tochter Ursula Liepmann

Wie entwickelte sich das Leben von Ursula Liepmann (Tochter von Franz Liepmann) weiter? Ursula  konnte als Tochter eines Juden während des Dritten Reiches trotz guter Leistungen nicht weiter auf das Gymnasium gehen und durfte nicht mehr in der Schwimmmannschaft bleiben. Sie ging deshalb in eine Lehre und arbeitete bei einer Firma als Sekretärin bis zum Ende des Krieges. Nach dem Krieg zog Ursula mit ihrer Mutter Clary nach Bad Soden im Taunus in das Haus ihrer Mutter und Verwandten. Ursula blieb bei ihrer Mutter, wie sie es ihrem Vater versprochen hatte. In Frankfurt-Höchst arbeitete Ursula in der Kantine der amerikanischen Besatzung, aufgrund ihrer guten Englischkenntnisse zuständig für die Kommunikation mit den deutschen Angestellten.

Ihr Wunsch Ärztin zu werden, konnte leider nicht in Erfüllung gehen.

Bei einem Bridgespiel lernte sie Arne kennen, der 1948 ihr Ehemann wurde. Dieser hatte während des Krieges auf dem Versorgungsschiff der U-Boot-Flotte als Einkäufer gearbeitet. Seine internationale Tätigkeit und Beziehungen ermöglichten es ihm, seine Schwester bei der Flucht von Juden aus Nazideutschland zu unterstützen. Diese Schwester wurde später von den Nazis in Amsterdam gefangen genommen und ermordet. Seine Eltern gaben ihm die Schuld an ihrem Tod, weswegen Arne danach keinen Kontakt mehr zu der Familie hatte.

Arne nahm bei der Hochzeit den Geburtsnamen von Ursula an, aus Achtung vor Franz Liepmann und um den Namen Liepmann weiterleben zu lassen.

Neben der Erziehung ihrer Söhne Frank, Dirk und Holger, betrieb Ursula sehr erfolgreich den Verkauf von Fahrzeugen, die in die USA exportiert wurden.

Arne Liepmann arbeitete ab 1950 für die Trans World Airlines (TWA) in mehreren Städten weltweit, zuständig für den Einkauf, Lager und Commissary (gesamte Versorgung auf den Flugzeugen). Die Familie lebte in Bad Soden am Taunus, bis Arne 1967 für TWA bei der Trans Mediterranean Airways in Beirut, Libanon und 1970 bei Saudia Airlines in Jeddah, Saudi Arabien tätig wurde.

Nach dem Ende seiner ca. 25-jährigen Tätigkeit bei TWA zogen er und Ursula nach Kalifornien, vorerst zu Freunden und dann in ein eigenes Zuhause.

Arne verstarb 1986. Ursula lebte weiter in Kalifornien, besuchte ihre drei Söhne, die mittlerweile verteilt über drei Kontinente (Asien, USA, Europa) lebten und spielte aktiv „duplicate Bridge“ bis zum Ende ihres Lebens.

Bemerkenswert ist, dass Ursula und Arne Liepmann lange ihre schlimmen Erlebnisse während des Dritten Reiches, sowohl ihren Kindern als auch ihren Bekannten gegenüber verschwiegen haben .

Wollten sie ihre Kinder nicht mit ihrer Geschichte belasten, ihnen ein unbekümmertes Leben ermöglichen, alles Schreckliche hinter sich lassen?

Ursula blieb bis ins hohe Alter eine Frau, die einen sehr entschiedenen Willen hatte („Ich werde nie von anderen abhängig sein“), die sich erfolgreich für andere einsetzte, leuchtende Augen bekam, wenn sie sich freute, genauso deutlich aber auch ihre Verärgerung ausdrücken konnte.

Alle Söhne waren beruflich erfolgreich. Ursula freute sich über sieben Enkel, drei „Stiefenkel” und drei Urenkel, an deren Leben sie regen Anteil nahm. Sie wurde von allen geschätzt und geliebt. Eine ihrer Enkelinnen lebte ihren Traum, Ärztin zu werden.

Ihr Leben war bestimmt durch einige wichtige Eigenschaften: sehr stur, sehr klug und engagiert mit einer positiven Grundeinstellung. Als sie 2009 starb, hinterließ sie eine Notiz, in der sie zum Ausdruck brachte: „Ich hatte das beste Leben“.