Leopold Simke

Verlegeort
Ravensberger Straße 5
Bezirk/Ortsteil
Wilmersdorf
Verlegedatum
10. Juni 2022
Geboren
19. September 1874 in Posen / Poznań
Beruf
Uniformschneider
Verhaftet
27. Mai 1942 in Sachsenhausen
Ermordet
28. Mai 1942 in Sachsenhausen

Leopold Simke wurde am 19. September 1874 als Sohn des Schneidermeisters Moritz Simke und seiner Ehefrau Emilie geb. Kaul in Posen geboren. Er besuchte dort die Oberrealschule, absolvierte eine Ausbildung zum Uniformschneider und zusätzlich eine kaufmännische Ausbildung. Er übernahm später das Geschäft des Vaters, der in Posen eine Uniformschneiderei betrieb. 1901 siedelte er nach Berlin über und betrieb dort eine eigene Uniformschneiderei.


Am 9. September 1901 heirateten Leopold Simke und Bertha Koschminski, geboren am 3. Dezember 1875 in Witkowo bei Posen. Das Ehepaar bekam zwei Kinder, die Tochter Margarete, geboren am 16. Juli 1902, und den Sohn Ernst, geboren am 10. Juni 1908 in Berlin. Für die Kinder hatten die Eheleute eine Erzieherin engagiert. Ernst Simke wanderte bereits als junger Mann 1928 nach Shanghai aus und lebte dann für den Rest seines Lebens in Manila/Philippinen.


Nach dem Ersten Weltkrieg betrieb Leopold Simke einen - nach Aussagen der Ehefrau - gut gehenden Handel mit Herrenstoffen und Schneiderbedarfsartikeln, zuerst in der Waitzstraße 19 in Charlottenburg, später - in den 1930er Jahren - in der Ravensberger Straße 5. Diese Adresse war gleichzeitig die Wohnanschrift der Familie und auch der letzte gemeinsame Wohnort des Ehepaars Simke. 


Leopold Simke soll in seinem Betrieb eine Kontoristin und mindestens zwei Vertreter beschäftigt haben. Für 1932 bis 1934 gibt Bertha Simke ein monatliches Einkommen von ca. 1.200 RM an. Danach flaute das Geschäft stark ab, ab 1935 wurden kaum noch Erträge erwirtschaftet. 1937 verfügte Leopold Simke über lediglich 200 RM als monatliche Einnahmen. Wie seine Tochter berichtet, hatte er zu diesem Zeitpunkt bereits 2 Zimmer der insgesamt 5 Zimmer großen Wohnung untervermietet. 


1927 wurde Leopold Simke vom Schöffengericht Wedding zu einer Strafe von 14 Monaten Gefängnis verurteilt, der Grund ist unbekannt. Es gelang ihm die Strafverbüßung immer weiter hinaus zu zögern. Als er schließlich 1936 wegen eines Betrugsverfahrens (gem. Aktenlage wegen Verstoßes gegen das Branntweinmonopol des Staates) erneut straffällig wurde und nunmehr die (alte) Strafe antreten sollte, flüchtete er in die Tschechoslowakei, wo er in Prag aller Wahrscheinlichkeit nach auch seinen älteren Bruder Robert Simke getroffen hat. Leopold Simke wurde per Haftbefehl vom 17. September 1936 gesucht, sodass er nach seiner Rückkehr ins Deutsche Reich im April 1937 festgenommen wurde. Er wurde in Moabit in Untersuchungshaft genommen und am 23. Juni 1937 schließlich wegen ‚Kommissionsbetrug‘ zu 10 Monaten Haft verurteilt. Im November erfolgte eine weitere Verurteilung wegen Devisenvergehens. Es wurde nunmehr eine Gesamtstrafe von 21 Monaten zuzüglich 1.000 RM Geldstrafe gebildet, die Leopold Simke in der Haftanstalt Tegel absitzen musste. Aus den erhaltenen Unterlagen lässt sich allerdings nicht feststellen, wann er tatsächlich – unter Berücksichtigung der Strafe aus dem Jahre 1927 – aus der Haft entlassen wurde, vermutlich jedoch im 2. Quartal 1939.


Während Leopold Simke sich noch in Haft befand, gelang es seiner Frau Bertha am 1. März 1939 Deutschland in Richtung England zu verlassen, wo ihre mit dem Zahnarzt Dr. Erich Cohn verheiratete Tochter Margarete bereits länger lebte. Erich Cohn hatte für sie gebürgt. Der Kriegsbeginn am 1. September 1939 und die Haft von Leopold Simke machte eine Kommunikation zwischen den Ehepartnern nicht mehr möglich, sie sahen sich nie wieder.

Leopold Simke bezog nach seiner Haftentlassung eine Wohnung in der Tauentzienstraße 6 zur Untermiete bei Gutmann. Am Abend des 27. Mai 1942 verhaftete die Gestapo ohne jeglichen erkennbaren Anlass in ganz Berlin zunächst 154 jüdische Männer, darunter auch Leopold Simke. Sie wurden in das KZ Sachsenhausen transportiert und an den zwei folgenden Tagen, gemeinsam mit 96 bereits im Lager inhaftierten jüdischen Männern, von der Lager-SS in der Station Z hingerichtet. Hintergrund für diesen Massenmord war ein von der jüdisch-kommunistischen Widerstandsgruppe um Herbert und Marianne Baum am 18. Mai 1942 verübter Brandanschlag auf die Ausstellung „Das Sowjet-Paradies“. Diese Ausstellung wurde von der Reichspropagandaleitung der NSDAP zwischen Anfang Mai und Ende Juni 1942 im Berliner Lustgarten gezeigt. Den als ‚Vergeltungsaktion‘ bezeichneten Massenmord hatte der Reichspropagandaminister und Gauleiter der NSDAP Berlin, Josef Goebbels, geplant und mit Hitler und dem SS- und Polizeichef Heinrich Himmler abgestimmt. Weitere 250 jüdische Männer wurden in diesen Tagen in Berlin festgenommen und in das KZ Sachsenhausen eingeliefert, um sie als ‚Geisel‘ für eventuelle weitere Anschläge vorzuhalten. 


Ende Oktober 1942 erhielt Erich Cohn, Schwiegersohn des ermordeten Leopold Simke, im Exil wohnhaft in London St. John’s Court Nr. 53, vom Jewish Refugees Committee im Bloomsbury House folgende Nachricht:
„Attached please find a Red Cross Message addressed to Mrs. Bertha Simke, which was passed on to us by the British Red Cross Society for forwarding. We note from our records that you are Mrs. Simke’s guarantor and in view of the very sad contents of the Message we wonder whether you would be good enough to hand the message to her personally, as we think it to be inadvisable to send this tragic news direct.“

In dem anliegenden Schreiben wurde mitgeteilt, dass Leopold Simke am 28. Mai 1942 verstorben sei. Nähere Informationen über seinen Tod lieferte das Schreiben nicht.


Bertha Simke und die beiden Kinder haben im Exil den Holocaust überlebt. Bertha wohnte viele Jahre im Lancaster Grove 17 in London, sie erhielt ab 1953 eine Witwenrente nach dem Bundesentschädigungsgesetz und wurde ansonsten von beiden Kindern finanziell unterstützt. Sie starb am 17. April 1963 im Alter von 87 Jahren. Ihre Tochter Margarete starb 1996 im hohen Alter von 93 Jahren. Der Sohn Ernst, der sich in Manila in Ernest Simke umbenannte, war nach dem Krieg und mit der Gründung des Staates Israel jahrzehntelang als Konsul für Israel in Manila tätig. Beruflich war er Vertreter verschiedener internationaler Unternehmen für die Philippinen. Sowohl Margarete als auch Ernst hielten beständig Kontakt zu ihrer Erzieherin aus der Kindheit, Ernst nahm sie bei Europaaufenthalten mit seinen eigenen Kindern mit in die ‚Ferien‘.

Leopold Simke wurde am 19. September 1874 als Sohn des Schneidermeisters Moritz Simke und seiner Ehefrau Emilie (geb. Kaul) in Posen geboren. Er besuchte dort die Oberrealschule, absolvierte eine Ausbildung zum Uniformschneider und zusätzlich eine kaufmännische Ausbildung. Er übernahm später das Geschäft des Vaters, der in Posen eine Uniformschneiderei betrieb. 1901 siedelte er nach Berlin über und betrieb dort seine eigene Uniformschneiderei.


Am 9. September 1901 heirateten Leopold Simke und Bertha Koschminski, geboren am 3. Dezember 1875 in Witkowo bei Posen. Das Ehepaar bekam zwei Kinder, die Tochter Margarete, geboren am 16. Juli 1902, und den Sohn Ernst, geboren am 10. Juni 1908 in Berlin. Für die Kinder hatten die Eheleute eine Erzieherin engagiert. Ernst Simke wanderte bereits als junger Mann 1928 nach Shanghai aus und lebte dann für den Rest seines Lebens in Manila/Philippinen.


Nach dem Ersten Weltkrieg betrieb Leopold Simke einen – nach Aussagen der Ehefrau – gut gehenden Handel mit Herrenstoffen und Schneiderbedarfsartikeln, zuerst in der Waitzstraße 19 in Charlottenburg, später – in den 1930er Jahren – in der Ravensberger Straße 5. Diese Adresse war gleichzeitig die Wohnanschrift der Familie und auch der letzte gemeinsame Wohnort des Ehepaars Simke. 


Leopold Simke soll in seinem Betrieb eine Kontoristin und mindestens zwei Vertreter beschäftigt haben. Für 1932 bis 1934 gibt Bertha Simke ein monatliches Einkommen von ca. 1.200 RM an. Danach flaute das Geschäft stark ab, ab 1935 wurden kaum noch Erträge erwirtschaftet. 1937 verfügte Leopold Simke über lediglich 200 RM als monatliche Einnahmen. Diese fortgesetzten finanziellen Einbußen standen mit größter Wahrscheinlichkeit in den vielzähligen, von den Nationalsozialisten in Kraft gesetzten, antijüdischen Maßnahmen im Bereich der Wirtschaft. Wie seine Tochter berichtet, hatte Leopold zu diesem Zeitpunkt bereits zwei Zimmer der insgesamt fünf Zimmer großen Wohnung untervermietet. 


1927 wurde Leopold Simke vom Schöffengericht Wedding zu einer Strafe von 14 Monaten Gefängnis verurteilt. Der Grund ist unbekannt. Es gelang ihm die Strafverbüßung immer weiter hinauszuzögern. Als er schließlich 1936 wegen eines Betrugsverfahrens (gem. Aktenlage wegen Verstoßes gegen das Branntweinmonopol des Staates) erneut straffällig wurde und nunmehr die (alte) Strafe antreten sollte, flüchtete er in die Tschechoslowakei, wo er in Prag aller Wahrscheinlichkeit nach auch seinen älteren Bruder Robert Simke getroffen hat. Leopold Simke wurde per Haftbefehl vom 17. September 1936 gesucht, sodass er nach seiner Rückkehr ins Deutsche Reich im April 1937 festgenommen wurde. Er wurde in Moabit in Untersuchungshaft genommen und am 23. Juni 1937 schließlich wegen ‚Kommissionsbetrug‘ zu 10 Monaten Haft verurteilt. Im November erfolgte eine weitere Verurteilung wegen Devisenvergehens. Es wurde nunmehr eine Gesamtstrafe von 21 Monaten zuzüglich 1.000 RM Geldstrafe gebildet, die Leopold Simke in der Haftanstalt Tegel absitzen musste. Aus den erhaltenen Unterlagen lässt sich allerdings nicht feststellen, wann er tatsächlich – unter Berücksichtigung der Strafe aus dem Jahre 1927 – aus der Haft entlassen wurde, vermutlich jedoch im 2. Quartal 1939.


Während Leopold Simke sich noch in Haft befand, gelang es seiner Frau Bertha am 1. März 1939 Deutschland in Richtung England zu verlassen, wo ihre mit dem Zahnarzt Dr. Erich Cohn verheiratete Tochter Margarete bereits länger lebte. Erich Cohn hatte für sie gebürgt. Der Kriegsbeginn am 1. September 1939 und die Haft von Leopold Simke machten eine weitere Kommunikation zwischen den Ehepartnern unmöglich. Sie sahen sich nie wieder.

Leopold Simke bezog nach seiner Haftentlassung eine Wohnung in der Tauentzienstraße 6 zur Untermiete bei Gutmann. Am Abend des 27. Mai 1942 verhaftete die Gestapo ohne jeglichen erkennbaren Anlass in ganz Berlin zunächst 154 jüdische Männer, darunter auch Leopold Simke. Sie wurden in das KZ Sachsenhausen transportiert und an den zwei folgenden Tagen, gemeinsam mit 96 bereits im Lager inhaftierten jüdischen Männern, von der Lager-SS in der Station Z hingerichtet. Hintergrund für diesen Massenmord war ein von der jüdisch-kommunistischen Widerstandsgruppe um Herbert und Marianne Baum am 18. Mai 1942 verübter Brandanschlag auf die Ausstellung „Das Sowjet-Paradies“. Diese Ausstellung wurde von der Reichspropagandaleitung der NSDAP zwischen Anfang Mai und Ende Juni 1942 im Berliner Lustgarten gezeigt. Den als ‚Vergeltungsaktion‘ bezeichneten Massenmord hatte der Reichspropagandaminister und Gauleiter der NSDAP Berlin, Josef Goebbels, geplant und mit Hitler und dem SS- und Polizeichef Heinrich Himmler abgestimmt. Weitere 250 jüdische Männer wurden in diesen Tagen in Berlin festgenommen und in das KZ Sachsenhausen eingeliefert, um sie als ‚Geisel‘ für eventuelle weitere Anschläge vorzuhalten. 


Ende Oktober 1942 erhielt Erich Cohn, Schwiegersohn des Ermordeten, wohnhaft in London St. John’s Court Nr. 53, vom Jewish Refugees Committee im "Bloomsbury House" folgende Nachricht:
„Attached please find a Red Cross Message addressed to Mrs. Bertha Simke, which was passed on to us by the British Red Cross Society for forwarding. We note from our records that you are Mrs. Simke’s guarantor and in view of the very sad contents of the Message we wonder whether you would be good enough to hand the message to her personally, as we think it to be inadvisable to send this tragic news direct.“

In dem anliegenden Schreiben wurde mitgeteilt, dass Leopold Simke am 28. Mai 1942 verstorben sei. Nähere Informationen über seinen Tod lieferte das Schreiben nicht.


Bertha Simke und die beiden Kinder haben im Exil die Shoah überlebt. Bertha wohnte viele Jahre im Lancaster Grove 17 in London. Sie erhielt ab 1953 eine Witwenrente nach dem Bundesentschädigungsgesetz und wurde ansonsten von beiden Kindern finanziell unterstützt. Sie starb am 17. April 1963 im Alter von 87 Jahren. Ihre Tochter Margarete starb 1996 im hohen Alter von 93 Jahren. Der Sohn Ernst, der sich in Manila in Ernest Simke umbenannte, war nach dem Krieg und mit der Gründung des Staates Israel jahrzehntelang als Konsul für Israel in Manila tätig. Beruflich war er Vertreter verschiedener internationaler Unternehmen für die Philippinen. Sowohl Margarete als auch Ernst hielten beständig Kontakt zu ihrer Erzieherin aus Kindertagen, Ernst nahm sie bei Europaaufenthalten mit seinen eigenen Kindern mit in die ‚Ferien‘.