Siegfried Dreyfuß

Verlegeort
Regensburger Straße 8
Bezirk/Ortsteil
Wilmersdorf
Verlegedatum
17. Februar 2023
Geboren
28. Oktober 1875 in Stuttgart
Deportation
am 11. August 1942 nach Theresienstadt
Ermordet
05. September 1942 in Theresienstadt

Siegfried Dreyfuß, geboren am 28. Oktober 1875 in Stuttgart, war der Bruder von Elise Dreyfuß. Seine Schwester kam vor ihm, am 25. Juli 1874 zur Welt.

Die Geschwister zogen nach Berlin, wo Elises Name in den Adressbüchern von 1926 und 1936 mit der Berufsbezeichnung „Malerin“ erscheint. Sie wohnte 1936 in der Regensburger Straße 8. Der Name ihres Bruders taucht in den Adressbüchern gar nicht auf, vermutlich, weil er bei seiner Schwester gelebt und sie ihn versorgt hat.

Die Geschwister Siegfried und Elise Dreyfuß mussten mit knapp 70 Jahren von ihrer Wohnung unter Zwang in die Fasanenstraße 47 umziehen und wurden dann am 11. August 1942 in das als Sammellager umfunktionierte jüdische Altersheim in der Großen Hamburger Straße gebracht. Von dort wurden sie am 11. August 1942 zusammen mit 98 anderen Menschen unter schrecklichen Bedingungen mit dem 41. Alterstransport in das Konzentrationslager Theresienstadt deportiert.

Siegfried starb schon bald nach der Ankunft, am 5. September 1942, wegen der katastrophalen hygienischen Zustände und der mangelnden Ernährung. Als Todesursache wurde der in den Dokumenten fast schon obligatorische „Darmkatarrh“ angegeben. Seine Schwester Elise starb am 13. Februar 1943, angeblich an Blasenkrebs, wie es in den Theresienstädter Todesfallanzeigen heißt.

Sehr viel mehr weiß ich nicht von ihnen. Einige der Angaben wurden von dem Ludwigsburger Historiker Steffen Pross erforscht. Pross hat mehrere Bücher über die jüdische Vergangenheit des Dorfes Freudental in Baden-Württemberg verfasst. Elise Dreyfuß und Siegfried Dreyfuß, waren Cousine und Cousin ersten Grades meiner Großmutter Rahel Hermann, geboren in Freudental am 26. Juni 1878.

Meine Großmutter überlebte die Nazizeit „dank“ ihrer „Mischehe“ mit meinem Großvater, dem Komponisten Christian Lahusen. Und so überlebte auch meine Mutter Rhea und ihr Bruder Hellwarth. Weitere Familienmitglieder von Rahel kamen in Auschwitz um. Wir müssen zu den ermordeten Geschwistern Rahels und weiteren Freudentaler Herrmanns noch drei bis sechs Ermordete aus dem Dreyfuß-Kontext hinzuzählen.

Meine Mutter, die während des Krieges auch in Berlin wohnte, besuchte oft ihre Verwandten Elise und Siegfried. Am 11. August 1942 war sie bei ihnen zu Gast. Sie erzählte mir oft, was an diesem Tag geschah. Als die Gestapo kam, war sie gerade im Keller, um irgendetwas zu holen. Das Letzte, was sie hörte, war Folgendes: Siegfried, der blind war, sagte zu seiner Schwester: „Ich hab's dir doch gesagt, wir hätten uns umbringen sollen.“

Diese Worte habe ich nie vergessen. Und ich fand es meine Aufgabe, einen Stolperstein für Siegfried und Elise zu verlegen, denn „wirklich tot sind nur jene, an die sich niemand mehr erinnert.“