Charlotte Lehmann geb. Lehmann

Verlegeort
Schleiermacherstr. 14
Bezirk/Ortsteil
Kreuzberg
Verlegedatum
28. August 2021
Geboren
24. Juni 1863 in Königsberg (Ostpreußen) / Kaliningrad
Deportation
am 03. Oktober 1942 nach Theresienstadt
Ermordet
21. Oktober 1942 in Theresienstadt

Charlotte Lehmann kam am 24. Juni 1863 in Königsberg in Ostpreußen als Tochter des jüdischen Kaufmanns Adolf Lehmann und dessen Ehefrau Julia, geb. Cohn, zur Welt. Sie hatte mindestens zwei Geschwister, die ebenfalls in Königsberg geboren wurden: Elise Esther, geb. 1862, und Julius, geb. 1867. Die Familie lebte bis ca. 1890 in Königsberg und übersiedelte dann in die Reichshauptstadt. Dort wohnten sie in der Junkerstraße 2. Die Straße existiert nicht mehr, sie lag im heutigen Kreuzberg und schloss sich westlich zwischen Markgrafenstraße und Lindenstraße an die Ritterstraße an.
Charlotte Lehmann, die keinen Beruf erlernt hatte, heiratete am 28. Juli 1891 in Berlin ihren Cousin, den Kaufmann Jacques Lehmann, geb. am 4. Juni 1858 in Neustettin. Sie zog nach der Hochzeit zu ihrem Mann nach Hamburg, wo am 19. September 1892 die Tochter Lilly Helene Sarah zur Welt kam. Um 1897 zog die kleine Familie wieder nach Berlin, wo Jacques Lehmann laut Berliner Adressbuch als Fabrikdirektor tätig war – was in der Fabrik hergestellt wurde, ist nicht bekannt. 1901 bezogen sie eine Wohnung in der Kreuzberger Blücherstraße 68. Im selben Haus wohnten auch Charlottes Vater – ihre Mutter war 1900 gestorben – und ihre Geschwister. Laut Berliner Adressbuch betrieb Charlottes Schwester Elise seit 1903 in der Wohnung ihres Vaters ein Stickerei-Atelier. Um 1907 zog die gesamte Familie in das Haus Baerwaldstraße 49 um. Nachdem Elise Lehmann im selben Jahr geheiratet hatte und zu ihrem Mann gezogen war, übernahm Charlotte das Stickerei-Atelier, in dem sie möglicherweise auch schon vorher mitgearbeitet hatte. Seit 1911 wohnte Charlotte mit Ehemann und Tochter in der Baerwaldstraße 47. Dort starb Jacques Lehmann am 2. April 1918 im Alter von 59 Jahren.
Am 30. Dezember 1920 heiratete Charlottes Tochter Lilly den Kaufmann James Silberstein, geb. 1875 in Berlin. Er zog zu seiner Frau und der Schwiegermutter in die Baerwaldstraße 47. Die Ehe blieb kinderlos.
Charlotte Lehmann und Lilly Silberstein waren Inhaberinnen eines gutgehenden Stickereibetriebs, in dem durchschnittlich 20 Stickerinnen beschäftigt waren – drei davon in der Werkstatt, die sich in der Wohnung in der Baerwaldstraße befand, die anderen als Heimarbeiterinnen. Die Einnahmen aus der Stickereiwerkstatt ermöglichten der Familie einen hohen Lebensstandard.
Charlottes Schwiegersohn James Silberstein verstarb am 12. März 1931. Um 1934 bezogen Mutter und Tochter eine Vier-Zimmer-Wohnung im Erdgeschoss des Vorderhauses in der Schleiermacherstraße 14.
Mit der schrittweisen Entrechtung und Verfolgung von Juden seit 1933 begannen auch Zwangsmaßnahmen gegen Charlotte Lehmann und Lilly Silberstein. Darunter fielen zahlreiche Maßnahmen der Diskriminierung und sozialen Ausgrenzung, des Entzugs staatsbürgerlicher Rechte sowie der Verdrängung aus dem Berufs- und Wirtschaftsleben.
Auch die Stickereiwerkstatt hatte zunehmend unter dem Boykott jüdischer Geschäftsleute zu leiden. Mutter und Tochter führten sie noch bis Dezember 1938, dann wurde sie als jüdisches Unternehmen geschlossen. Lilly Silberstein war noch kurze Zeit als Stickerin in Heimarbeit beschäftigt, bis auch dies ihren Arbeitgebern verboten wurde.
Aufgrund der „Polizeiverordnung über die Kennzeichnung der Juden“ konnten sie sich ab dem 19. September 1941 nur noch mit stigmatisierendem „Judenstern“ in der Öffentlichkeit bewegen.
Der Entrechtung folgte die Deportation: Vom Sammellager in der Großen Hamburger Straße 26 wurden Charlotte Lehmann und Lilly Silberstein am 3. Oktober 1942 mit dem 3. großen Alterstransport nach Theresienstadt deportiert. Die Lebensbedingungen im Ghetto überstand Charlotte Lehmann keine drei Wochen: Sie kam am 21. Oktober 1942 im Alter von 79 Jahren ums Leben.
Lilly Silberstein litt unter den im Ghetto grassierenden Krankheiten, Unterernährung, ungewohnt schwerer körperlicher Arbeit, der schlechten Unterkunft sowie der trostlosen hygienischen Situation. Nach zwei Jahren und vier Monaten in Theresienstadt hatte sie das Glück, zu einem Transport von 1200 Menschen zu gehören, der am 5. Februar 1945 aus dem Ghetto in die Schweiz abfuhr.
Von einer jüdischen Organisation um Unterstützung gebeten, nutzte der wegen seiner pro-faschistischen Einstellung in der Kritik stehende Schweizer Alt-Bundespräsident Jean-Marie Musy seine Beziehungen zu Himmler, um die Befreiung jüdischer Gefangener aus Theresienstadt zu erreichen. Seine Schuld am Holocaust und den Untergang des nationalsozialistischen Deutschen Reiches vor Augen, versuchte Heinrich Himmler offenbar mit der Rettung von Juden zukünftige Strafen für seine Verbrechen zu mildern. Weitere erhoffte Transporte scheiterten am persönlichen Veto Adolf Hitlers.
Die Befreiten trafen am 7. Februar 1945 in St. Gallen ein und wurden in verschiedenen Orten der Schweiz untergebracht.
Lilly Silberstein heiratete 1947 im schweizerischen Orselina Fritz Fabian, geb. 1877 in Berlin. Auch er war 1942 aus seiner Geburtsstadt nach Theresienstadt verschleppt worden und gehörte, wie seine spätere Ehefrau, dem Transport in die Schweiz vom 5. Februar 1945 an. Das Ehepaar verbrachte seinen Lebensabend im Kanton Tessin am Lago Maggiore. Sie hatten unter den gesundheitlichen Folgen ihrer Haft in Theresienstadt zu leiden. Fritz Fabian starb 1967, Lilly Fabian 1981 in Muralto in der Schweiz.

Charlotte Lehmann kam am 24. Juni 1863 in Königsberg in Ostpreußen (heute Kaliningrad, Russland) als Tochter des jüdischen Kaufmanns Adolf Lehmann und dessen Ehefrau Julia, geb. Cohn, zur Welt. Sie hatte mindestens zwei Geschwister, die ebenfalls in Königsberg geboren wurden: Elise Esther, geboren 1862, und Julius, geboren 1867. Die Familie lebte bis ca. 1890 in Königsberg und übersiedelte dann in die Reichshauptstadt Berlin. Dort wohnten sie in der Junkerstraße 2. Die Straße existiert nicht mehr, sie lag im heutigen Kreuzberg und schloss sich westlich zwischen Markgrafenstraße und Lindenstraße an die Ritterstraße an.

Charlotte Lehmann, die keinen Beruf erlernt hatte, heiratete am 28. Juli 1891 in Berlin ihren Cousin, den Kaufmann Jacques Lehmann, geboren am 4. Juni 1858 in Neustettin. Sie zog nach der Hochzeit zu ihrem Mann nach Hamburg, wo am 19. September 1892 die Tochter Lilly Helene Sarah zur Welt kam. Um 1897 zog die kleine Familie wieder nach Berlin, wo Jacques Lehmann laut Berliner Adressbuch als Fabrikdirektor tätig war – was in der Fabrik hergestellt wurde, ist nicht bekannt. 1901 bezogen sie eine Wohnung in der Kreuzberger Blücherstraße 68. Im selben Haus wohnten auch Charlottes Vater – ihre Mutter war 1900 gestorben – und ihre Geschwister. Laut Berliner Adressbuch betrieb Charlottes Schwester Elise seit 1903 in der Wohnung ihres Vaters ein Stickerei-Atelier. Um 1907 zog die gesamte Familie in das Haus Baerwaldstraße 49 um. Nachdem Elise Lehmann im selben Jahr geheiratet hatte und zu ihrem Mann gezogen war, übernahm Charlotte das Stickerei-Atelier, in dem sie möglicherweise auch schon vorher mitgearbeitet hatte. Seit 1911 wohnte Charlotte mit Ehemann und Tochter in der Baerwaldstraße 47. Dort starb Jacques Lehmann am 2. April 1918 im Alter von 59 Jahren.

Am 30. Dezember 1920 heiratete Charlottes Tochter Lilly den Kaufmann James Silberstein, geboren 1875 in Berlin. Er zog zu seiner Frau und der Schwiegermutter in die Baerwaldstraße 47. Die Ehe blieb kinderlos.

Charlotte Lehmann und Lilly Silberstein waren Inhaberinnen eines gutgehenden Stickereibetriebs, in dem durchschnittlich 20 Stickerinnen beschäftigt waren – drei davon in der Werkstatt, die sich in der Wohnung in der Baerwaldstraße befand, die anderen als Heimarbeiterinnen. Die Einnahmen aus der Stickereiwerkstatt ermöglichten der Familie einen hohen Lebensstandard. Charlottes Schwiegersohn James Silberstein verstarb am 12. März 1931. Um 1934 bezogen Mutter und Tochter eine Vier-Zimmer-Wohnung im Erdgeschoss des Vorderhauses in der Schleiermacherstraße 14.

Mit der schrittweisen Entrechtung und Verfolgung von Juden seit 1933 begannen auch Zwangsmaßnahmen gegen Charlotte Lehmann und Lilly Silberstein. Darunter fielen zahlreiche Maßnahmen der Diskriminierung und sozialen Ausgrenzung, des Entzugs staatsbürgerlicher Rechte sowie der Verdrängung aus dem Berufs- und Wirtschaftsleben.
Auch die Stickereiwerkstatt hatte zunehmend unter dem Boykott jüdischer Geschäftsleute zu leiden. Mutter und Tochter führten sie noch bis Dezember 1938, dann wurde sie als jüdisches Unternehmen geschlossen. Lilly Silberstein war noch kurze Zeit als Stickerin in Heimarbeit beschäftigt, bis auch dies ihren Arbeitgebern verboten wurde.

Aufgrund der „Polizeiverordnung über die Kennzeichnung der Juden“ konnten sie sich ab dem 19. September 1941 nur noch mit stigmatisierendem „Judenstern“ in der Öffentlichkeit bewegen.

Der Entrechtung folgte die Deportation: Vom Sammellager in der Großen Hamburger Straße 26 wurden Charlotte Lehmann und Lilly Silberstein am 3. Oktober 1942 mit dem „3. großen Alterstransport“ nach Theresienstadt deportiert. Die Lebensbedingungen im Ghetto überstand Charlotte Lehmann keine drei Wochen: Sie kam am 21. Oktober 1942 im Alter von 79 Jahren ums Leben.
Lilly Silberstein litt unter den im Ghetto grassierenden Krankheiten, Unterernährung, ungewohnt schwerer körperlicher Arbeit, der schlechten Unterkunft sowie der katastrophalen hygienischen Situation. Nach zwei Jahren und vier Monaten in Theresienstadt hatte sie das Glück, zu einem Transport von 1200 Menschen zu gehören, der am 5. Februar 1945 aus dem Ghetto in die Schweiz abfuhr. Von einer jüdischen Organisation um Unterstützung gebeten, nutzte der wegen seiner pro-faschistischen Einstellung in der Kritik stehende Schweizer Alt-Bundespräsident Jean-Marie Musy seine Beziehungen zu Himmler, um die Befreiung jüdischer Gefangener aus Theresienstadt zu erreichen. Seine Schuld am Holocaust und den Untergang des nationalsozialistischen Deutschen Reiches vor Augen, versuchte Heinrich Himmler offenbar mit der Rettung von Juden zukünftige Strafen für seine Verbrechen zu mildern. Weitere erhoffte Transporte scheiterten am persönlichen Veto Adolf Hitlers.

Die Befreiten trafen am 7. Februar 1945 in St. Gallen ein und wurden in verschiedenen Orten der Schweiz untergebracht.

Lilly Silberstein heiratete 1947 im schweizerischen Orselina Fritz Fabian, geboren 1877 in Berlin. Auch er war 1942 aus seiner Geburtsstadt nach Theresienstadt verschleppt worden und gehörte, wie seine spätere Ehefrau, dem Transport in die Schweiz vom 5. Februar 1945 an. Das Ehepaar verbrachte seinen Lebensabend im Kanton Tessin am Lago Maggiore. Sie hatten unter den gesundheitlichen Folgen ihrer Haft in Theresienstadt zu leiden. Fritz Fabian starb 1967, Lilly Fabian 1981 in Muralto in der Schweiz.