Max Drucker

Verlegeort
Schlüterstr. 26
Bezirk/Ortsteil
Charlottenburg
Verlegedatum
07. September 2022
Geboren
11. Februar 1881 in Lugetal (Westpreußen) / Stara Wiśniewka
Beruf
Getreidehändler
Deportation
am 02. Juni 1942 nach Sachsenhausen
Ermordet
10. Oktober 1942 in Bernburg, Sachsen-Anhalt

Meir Max Drucker wurde am 11. Februar 1881 in Lugetal bei Flatow/ Westpreußen (heute Stara Wiesniewka, bei Zlotow; Polen) geboren. Die Familie Drucker lebte dort, seitdem der Ort etwa im Jahre 1770 Teil von Preußen wurde. Getreide war das ertragreichste Exportgut. Der Vater Leib Drucker besaß einen gut gehenden Getreidehandel. Max ging in Flatow zur Schule und lernte dann den Handel mit Getreide von seinem Vater. Das Haus der Familie Drucker in Flatow hatte im Hof ein großes Silo. Als Max 27 Jahre alt war, starb sein Vater und Max musste nun dessen Geschäft übernehmen.

Mit 28 heiratete er die 18-jährige Selma Goldschmidt, die wie er in Flatow geboren und aufgewachsen war. Im Oktober 1910 bekamen sie den ersten Sohn, Harry Leo und 1912 wurde der zweite Sohn Hans Bodo (später Henry Brian) geboren. Drei weitere Kinder starben bereits als Kleinkinder.
Im Ersten Weltkrieg meldete sich Max als Freiwilliger. Beim Einsatz an der russischen Front wurde er schwer verwundet.

In Greifswald erholte er sich von den Kriegsverletzungen und beteiligte sich noch an der Ausbildung neuer Rekruten. Nach sechs Monaten wurde er entlassen und zurück an die Ostfront beordert.
Sergeant Max Drucker war ein sehr stolzer Veteran, der für seine Tapferkeit und Opferbereitschaft mit dem Verwundetenabzeichen und dem Eisernen Kreuz dekoriert wurde.

Nach dem Ersten Weltkrieg kehrte für Max und Selma in Flatow wieder Normalität im Leben ein. Mit der Ausnahme, dass Selmas Familie, ihre Mutter, Cäcilia Goldschmidt und die drei Brüder, Max, Alfred und Georg Jacob, nach Berlin umzog.

Auch Max´ und Selmas Sohn Harry Leo zog in die deutsche Hauptstadt. Er begann dort sein Studium der Zahnmedizin und war damit der erste in der Familie, der die Universität besuchte. 1930 nahmen die Druckers ein Apartment in der Schlüterstr. 26 in Berlin-Charlottenburg. Selma verbrachte nun die meiste Zeit dort, weil inzwischen noch mehr Verwandte in Berlin lebten, mit denen sie sich gerne traf. Max blieb vorwiegend mit seinem jüngeren Bruder Hans in Flatow, um sich um das Geschäft zu kümmern. Die Familie traf sich dann häufig an den Wochenenden in Berlin. 

Kurz nachdem die Nazis 1933 an die Macht gekommen waren, war auch schon die lokale Verwaltung von Flatow von ihnen dominiert. Max sowie sein jüngerer Sohn Hans Bodo wurden in Berlin inhaftiert, weil sie das Vorgehen der Gestapo in Flatow kritisiert hatten. Gleichzeitig wurde ihr Geschäft konfisziert und Harry Leo musste die Universität wegen angeblich marxistischer Umtriebe verlassen, bevor er das Studium abschließen konnte.

Selma war eine sehr praktisch veranlagte Person, die sich wenig um Ideologien scherte. Als Max und Hans verhaftet wurden, wusste sie nicht, was mit ihnen passieren würde, aber sie bestand darauf, dass Harry nach seiner Exmatrikulation sofort Deutschland verlassen sollte. Unverzüglich verließ er Berlin, fuhr mit dem Zug bis Genua und weiter mit dem Schiff nach Haifa, das er im September 1933 erreichte.

Als Hans am 17. April 1934 aus dem Gefängnis entlassen wurde, verließ er Deutschland sofort auf dem Landweg via Belgien. Er durchquerte viele weitere Länder bis er Kuba, Puerto Rico und schließlich 1940 die USA erreichte.

Max und Selma wollten und konnten Deutschland zunächst nicht verlassen: zuerst dachten sie, wegen des Geschäfts bleiben zu müssen und um ihre Würde zu verteidigen. Sie glaubten an den deutschen Staat und dass ihnen nichts passieren würde, weil Max als Kriegsteilnehmer verwundet und ausgezeichnet worden war. Da sie nichts Unrechtes getan hatten, glaubten sie nicht daran, verfolgt zu werden. Die Absicht Jüdinnen und Juden zu vernichten als letztendliches Ziel der nationalsozialistischen Politik, erkannten die Druckers nicht oder erst zu spät. Als treue Bürgerinnen und Bürger des deutschen Staates befolgten sie die zunehmend erdrückenden Gesetze und Verordnungen der nationalsozialistischen Politik. Zum Ende hin blieb ihnen dazu keine andere Wahl mehr.

Während der ganzen Jahre verfolgte das Naziregime gegenüber Jüdinnen und Juden eine systematische Politik der Entrechtung und Entmenschlichung: Die meisten Berufe durften nicht mehr ausgeübt werden, der Besitz von Geschäften, Geld, Schmuck oder vielen anderen Dingen wurde verboten. Jüdinnen und Juden durften nicht telefonieren, reisen, auf bestimmten Bänken sitzen oder Zeitungen lesen. Jede gegenseitige Hilfe war verboten; am Ende war ihnen das Recht auf Leben verwehrt. Max und Selma waren mittel-, macht- und hilflos als sie feststellten, dass es keine Möglichkeit gab, gegen die Ungerechtigkeit anzukämpfen.

Mehrmals wurde Max in Berlin verhaftet, beim letzten Mal wurde er am 2. Juni 1942 nach Sachsenhausen ins KZ deportiert, von wo er nie zurückkehrte. Am 10. Oktober 1942 wurde er mit 61 Jahren in Bernburg in Sachsen-Anhalt vergast. In den Akten steht jedoch, dass er an Grippe im KZ Sachsenhausen starb.
Selma lebte noch wenige Monate in Berlin, ohne Kontakt zum Rest ihrer Familie, die ebenfalls in Berlin lebte. Schließlich wurde sie nach Auschwitz-Birkenau deportiert und dort 51-jährig am 6. März 1943 ermordet.

Die Nazis ermordeten auch Selmas Mutter und ihre Brüder.

Harry Leo lebte in Jerusalem, heiratete dort und hatte eine Tochter und einen Sohn.

Hans Bodos Flucht führte ihn durch viele Länder, bis er sich schließlich in New York niederließ. Er diente während des 2. Weltkriegs bei der amerikanischen Armee und änderte seinen Namen in Henry Brian Draker. Er heiratete und bekam zwei Söhne.