Martha Driesen

Verlegeort
Waitzstr. 7
Bezirk/Ortsteil
Charlottenburg
Verlegedatum
12. Mai 2023
Geboren
24. Juni 1902 in Charlottenburg
Deportation
am 15. Juni 1942 nach Sobibor
Ermordet
1942 in Sobibor

Martha Driesen kam am 24. Juni 1902 als Tochter des aus Segnitz/Unterfranken stammenden Otto Driesen und seiner in Paris geborenen Ehefrau Henriette Rosenbaum, in der damals noch unabhängigen Stadt Charlottenburg zur Welt. Vier Jahre später wurde ihr Bruder Reinhold geboren, der 1921 im Alter von 15 Jahren tödlich verunglückte.

Familie Driesen wohnte damals in Charlottenburg, zog aber - bedingt durch das berufliche Fortkommen des Vaters - 1921 nach Frankfurt/Main, wo Otto Driesen die Leitung des Philanthropin, einer Schule der Israelitischen Gemeinde, übernommen hatte. Vermutlich zog sie nicht mit ihren Eltern und ihrem Bruder nach Frankfurt, sondern blieb in Berlin. Es ist bekannt, dass sie 1926 als Schriftstellerin in Berlin lebte und wegen eines Nervenleidens in einer Heilanstalt untergebracht wurde. Dort blieb sie ein halbes Jahr, wurde entlassen und zog dann zu ihren Eltern nach Frankfurt. 

Martha Driesen erkrankte erneut und lebte seit März 1937 in der Jacoby'schen Heil- und Pflegeanstalt in Bendorf-Sayn in der Nähe von Koblenz, einem Kranken- und Pflegeheim für jüdische gemüts- und nervenkranke Menschen. Ihre Eltern, die im September 1937 nach Berlin zurückgezogen waren, entschlossen sich wegen der immer bedrohlicher werdenden Verfolgungsmaßnahmen der Nationalsozialisten Deutschland zu verlassen. Im April 1939 flohen sie nach Frankreich, konnten aber der Verfolgung nicht entkommen. Sie wurden nach der Besetzung Frankreichs durch die Deutsche Wehrmacht im berüchtigten „Sammel- und Durchgangslager" Drançy bei Paris interniert und am 25. März 1943 in das Vernichtungslager Sobibor deportiert und dort ermordet.

Martha lebte weiterhin in der Jacoby'schen Anstalt, die - nach der Flucht der Familie Jacoby im Juni 1940 nach Uruguay - Ende des Jahres beschlagnahmt und formal der „Reichsvereinigung der Juden in Deutschland" übertragen wurde. Die Reichsvereinigung war eine Institution, der alle jüdischen Gemeinden und Verbände ab Mitte 1939  zwangsweise angehören mussten und die ausschließlich auf Anordnung der Nationalsozialisten handeln konnte. Tatsächlich wurde das Heil-und Pflegeheim nach der „Wannseekonferenz" vom Januar 1942 zu einem Ort der "Endlösung der Judenfrage" gemacht. Zwischen März und November 1942 wurden mit fünf Transporten 573 Menschen in die Vernichtungslager „im Osten" deportiert. Die Staatspolizei versuchte - wie in so vielen Fällen - auch hier, das Ziel dieser Verschleppungen zu verschleiern. Auf der Deportationsliste vom 15. Juni 1942, auf der Martha Driesen unter der Nummer 57 zu finden ist, wurde z. B. vermerkt: "Es wird hiermit bestätigt, dass die in der vorstehenden Liste aufgeführten Juden auf Grund der 11. Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 25.11.1941 - RGBl I S. 722 - am 15. Juni 1942 ausgewandert sind und somit, soweit sie die deutsche Staatsangehörigkeit besessen haben, diese verloren haben." 

Martha Driesen wurde am 14. Juni 1942 aus der Heilanstalt Bendorf-Sayn nach Koblenz „überstellt" und am folgenden Tag in das Vernichtungslager Sobibor deportiert und dort ermordet.