Julius Lewinsohn wurde am 2. Januar 1895 im brandenburgischen Wriezen (Oberbarnim) geboren.
Wriezen hatte im 19. Jahrhundert eine jüdische Gemeinde mit 100 bis 150 Mitgliedern aus über 30 Familien, eine jüdische Elementarschule und eine Synagoge mit angeschlossenem Friedhof. Die Wriezener Juden waren – auch weil ihnen traditionsgemäß andere Möglichkeiten verschlossen waren – fast ausschließlich im Handel tätig.
Julius Lewinsohns Großeltern mütterlicherseits, Moses und Rahel Jacob, waren schon 1874 in der Heberolle für Wriezen genannt. Ihre Tochter Alma, Julius’ Mutter, heiratete 1894 den aus Allenstein (Ostpreußen) stammenden David Lewinsohn. Das Paar bekam zwei Söhne, am 2. Januar 1895 Julius und am 26. März 1902 Helmut. David Lewinsohn starb 1914 im Alter von 48 Jahren in der „Landesirrenanstalt Eberswalde“. Sein Grab befindet sich auf dem Wriezener Friedhof.
Julius und sein Bruder verließen zu einem nicht bekannten Zeitpunkt Wriezen und zogen nach Berlin. Helmut war als Dekorateur tätig und Julius war Kaufmann, bzw. später Vertreter. Die Unternehmen, für die sie tätig waren, sind nicht bekannt. Julius taucht in den Berliner Adressbüchern erstmals namentlich 1927 unter der Adresse Herzbergstraße 32 auf. Die Herzbergstraße liegt in Rixdorf, im historischen Kern Neuköllns.
1928 war Julius Trauzeuge seines Bruders Helmut, der vor dem Charlottenburger Standesamt Klara Perl heiratete. Helmut und Klara zogen wieder nach Wriezen, wo ihre drei Töchter zur Welt kamen: Marion am 4. August 1932, Hella am 7. Juli 1933 und Rita am 30. Oktober 1937. Später kehrte die Familie nach Berlin Prenzlauer Berg zurück, von wo alle fünf Familienmitglieder am 19. Januar 1942 aus der Christburger Straße 18 in das Rigaer Ghetto deportiert wurden.
In den Jahren 1933 bis 1935 ist die Anschrift Julius Lewinsohns ungeklärt. In der sogenannten Vermögenserklärung, in der Juden kurz vor ihrer Deportation all ihre verbliebenen Habseligkeit auflisten mussten, gab Julius am 12. September 1943 an, von 1936 bis Dezember 1942 in der Nassauischen Straße 61 gewohnt zu haben „und dann illegal“ – wie er hinzufügte. Die 2-Zimmer-Wohnung befand sich im Gartenhaus parterre. Der Auflistung des Inventars durch den Gerichtsvollzieher nach, war die Wohnung gut und individuell möbliert. Im Dezember 1938 wurde in eins der beiden Zimmer das Ehepaar Siegfried und Margarete Levy einquartiert, das keine eigenen Besitztümer mitbrachte. Julius’ Mutter Alma soll ebenfalls in der Wohnung gelebt haben, auf der Sterbeurkunde vom 20. Mai 1940 war die Nassauische Straße 61 als ihre Wohnadresse angegeben. Sie starb im Jüdischen Krankenhaus im Wedding an Brustkrebs.
Julius Lewinsohn wurde wie viele andere Juden zur Zwangsarbeit herangezogen. Als Schweißer musste er für einen Wochenlohn von 28-30 RM in der Deutschen Schneekettenfabrik „Nordland“, Kurfürstenstraße 14 Schwerstarbeit leisten.
Wann, wo und wie lange Julius Lewinsohn illegal lebte, ist nicht bekannt.
In einem Schreiben der Oberfinanzdirektion vom 20. September 1943 an die Gestapo heißt es: „Nach meinen Ermittlungen ist der o.g. Jude aus seiner Wohnung unbekannt verzogen und wahrscheinlich flüchtig.“ Offenbar war der Oberfinanzdirektion nicht bekannt, dass Julius Lewinsohn bereits am 12. September seine Vermögenserklärung unterzeichnet hatte, also schon davor gefasst worden sein musste.
Wenig später, am 28. September 1943, wurde er von dem Sammellager in der Großen Hamburger Straße 26 aus mit dem 1001 Menschen umfassenden 43. Osttransport in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert und dort ermordet.