Ilse Kohn

Verlegeort
Bergfriedstraße 6
Historischer Name
Fürstenstraße 15
Bezirk/Ortsteil
Kreuzberg
Verlegedatum
04. April 2022
Geboren
18. Januar 1901 in Frankfurt am Main
Flucht
1939 England
Verhaftet
08. Juni 1939 bis Juli 1939 in Ravensbrück
Verhaftet
März 1939 in Polizeigefängnis Alexanderplatz
Überlebt

Ilse Elisabeth Kohn kam am 18. Januar 1901 in Frankfurt am Main als Tochter des jüdischen Kaufmanns Isidor Kohn und dessen Ehefrau Elise, geb. Wohl, zur Welt. Ilses Eltern stammten ursprünglich aus West- bzw. Ostpreußen und wechselten öfters den Wohnort. Sie hatten noch sieben weitere Kinder: Alfred (*1898 in Schöneck), Erich (*1899 in Danzig-Langfuhr), Grete (1903–1913), Max Emanuel (*1907), Johannes Albert (*1909), Anna Erika (*1911) und Charlotte Marie (*1917). Die fünf jüngsten Kinder kamen alle in Schöneck / Westpreußen zur Welt.

Ilse Kohn besuchte die Volksschule. Die Familie übersiedelte um 1920 nach Berlin, nachdem ihre Heimatstadt Schöneck aufgrund der Bestimmungen des Versailler Vertrags an Polen abgetreten worden war.

In den 1920er Jahren betrieb Isidor Kohn ein Kolonialwarengeschäft in der Wrangelstraße 136 in Kreuzberg. Ilse soll als Hausangestellte sowie in der Nähe von Berlin in der Landwirtschaft tätig gewesen sein. Am 26. Mai 1933 brachte sie in Berlin ihre Tochter Gisela zur Welt. Ilse Kohn wohnte zu diesem Zeitpunkt in der Wiener Straße 28 und arbeitete als Verkäuferin. Giselas Vater soll ein „Arier“ gewesen sein, der offenbar nur unregelmäßig Unterhalt zahlte. Ilse zog mit ihrer Tochter zu ihren Eltern in die Fürstenstraße 15 (das Haus existiert nicht mehr, dort befindet sich heute die Bergfriedstraße 6).

In den späten 1930er Jahren war Ilse Kohn als Wäscherin im Jüdischen Krankenhaus Berlin beschäftigt. Im März 1939 wurde sie von der Gestapo verhaftet. Ihre Schwägerin Margarete Kohn, geb. Pieper, schildert in den Entschädigungsakten: „1939, ich glaube im Frühjahr, erfuhr ich durch die Eltern von Ilse, dass sie plötzlich abgeholt worden war und sich im Polizeipräsidium Alexanderplatz befindet. Kurz danach war ihr Bruder Erich im Polizeipräsidium und erfuhr, dass Ilse aufgrund einer bloßen Denunzierung wegen Rassenschande verhaftet worden war. … Es wurde ihm damals auch angedeutet, dass er besser nichts unternehmen sollte, auch wenn die Denunzierung nicht der Wahrheit entspricht.“

Ilse Kohn wurde am 8. Juni 1939 in das KZ Ravensbrück verschleppt, wo sie schwere Zwangsarbeit in einem Steinbruch verrichten musste. Nachdem sie sich bei einem Sturz in eine Erdvertiefung das rechte Handgelenk gebrochen hatte, wurde ihr keine ausreichende ärztliche Behandlung zuteil.

Isidor Kohn versuchte alles, um seine Tochter freizubekommen. Nach vielen Bemühungen gelang es der Jüdischen Gemeinde Berlin für Ilse eine Stellung als Hausangestellte in England und eine Einreiseerlaubnis zu beschaffen. Sie wurde daraufhin Anfang Juli 1939 aus dem KZ entlassen und wanderte einige Tage später nach England aus. Ihre Tochter Gisela konnte sie aber nicht mitnehmen, diese hielt sich dann teils bei ihren Großeltern, die die Vormundschaft inne hatten, teils bei der Familie ihres Onkels Erich auf.

Ilses Eltern Isidor und Elise Kohn wurden am 3. Oktober 1942 mit dem 3. großen Alterstransport nach Theresienstadt deportiert. Nach der Deportation der Großeltern wurde der Jüdischen Gemeinde die Vormundschaft über Ilses Tochter Gisela übertragen. Zuletzt lebte sie bei einem Ehepaar Pottlitzer in der Hirtenstraße 22, unweit des Alexanderplatzes. Ilse Kohn war es inzwischen gelungen, für ihre Tochter eine Einreise nach Schweden zu beschaffen. Diese scheiterte aber, weil Berlin die Ausreise untersagte.

Die 9-jährige Gisela Kohn wurde am 4. März 1943 mit dem 34. Osttransport nach Auschwitz deportiert, wo sie wahrscheinlich gleich nach der Ankunft ermordet wurde.

Ilses Vater Isidor Kohn kam in Theresienstadt am 30. Mai, ihre Mutter am 25. August 1943 ums Leben.

Ihr ältester Bruder Alfred wurde mit seiner Frau und den beiden Töchtern in Auschwitz ermordet. Ilses Bruder Erich überlebte die Shoah aufgrund seiner Ehe mit einer „Arierin“. Die anderen Brüder und Schwestern waren rechtzeitig nach Südamerika, Palästina oder England ausgewandert.

Ilse Kohn war nach ihrer Ankunft in England mit der gebrochenen rechten Hand nicht in der Lage zu arbeiten. Diese sollte sie für den Rest ihres Lebens nicht mehr richtig benutzen können, außerdem litt sie unter den psychischen Folgen ihrer Haft.

Ilse lebte mehrere Jahre in Flüchtlingsheimen. Im Krieg lernte sie bei der Landarbeit ihren späteren Mann Wolodzimierz Dawidow kennen, den sie am 5. April 1952 heiratete. Sie lebten in ärmlichen Verhältnissen in Hayes-End, im Westen Londons. Ilse versorgte den Haushalt, ihr Mann war Fabrikarbeiter, aufgrund von Krankheiten aber öfters arbeitsunfähig.

Ilse Dawidow ist am 22. Februar 1987 in Wolverhampton gestorben. Sie ist über die Ermordung ihrer Tochter und ihrer Eltern sowie ihre eigenen Erlebnisse im KZ Ravensbrück nie hinweggekommen.