Johann "Rukeli" Trollmann

Verlegeort
Fidicinstr. 1 -2
Historischer Name
Fidicinstr. 3 - 4
Bezirk/Ortsteil
Kreuzberg
Verlegedatum
01. Juli 2010
Geboren
27. Dezember 1907 in Gifhorn-Wilsche
Beruf
Boxer
Verhaftet
im Arbeitslager Hannover-Ahlem
Verhaftet
Juni 1942 in Hannover in der sog. "Zigeunerzentrale"
Deportation
1942 nach Neuengamme
Ermordet
1944 im KZ Wittenberge

Johann Trollmann wurde am 27.12.1907 als Sohn einer sinto-deutschen Familie in Wilsche, Gifhorn geboren. Da seine aufrechte Statur an einen gerade gewachsenen, schönen Baum erinnerte, gaben ihm seine Eltern Wilhelm und Friederike den Namen „Rukeli“. Ruk bedeutet in der Sprache der Sinti und Roma, dem Romanes, soviel wie Baum.<br />
Johann Trollmann wuchs mit acht Geschwistern in ärmlichen Verhältnissen in der Altstadt von Hannover auf. Schon früh zeichnete sich sein großes Talent zum Boxen ab und bereits mit acht Jahren stieg er erstmals in den Ring, um einen Sport auszuüben, der bis zum Ende des Kaiserreichs verboten war. Bald gewann er die Südkreismeisterschaft und wurde Mitglied des 1922 gegründeten BC Heros Hannover, welcher zu dem 1920 gegründeten Deutschen Reichsverband für Amateurboxen DRfAB gehörte. Johann Trollmann gewann in jungen Jahren viermal die Regionalmeisterschaft, stieg zum norddeutschen Meister auf und nahm an der deutschen Meisterschaft im Amateurboxen teil.<br />
<br />
Das Boxen, bislang als „Proletensport“ deklassiert, wurde in den 1920er Jahren immer bekannter und fand Einzug in den offiziell anerkannten Sport. Zugleich war das Boxen in der Kulturszene der Weimarer Republik ein beliebtes Freizeitvergnügen, zu populären Kämpfen strömten Hunderte. Trollmann wurde in diesen Jahren ein versierter Mittelgewichtsboxer, der schnell und extrem beweglich war und dennoch hart zuschlagen konnte. Sein Stil war spektakulär und kam beim Publikum gut an. Im Januar 1929 wechselte er zu dem bekanntesten Arbeitersportverein Hannovers, dem BC Sparta Linden, nachdem er vom Reichsverband nicht zu den Olympischen Spielen von 1928 in Amsterdam aufgestellt wurde. Unter fadenscheinigen Begründungen war behauptet worden, seine Leistungen seien ungenügend gewesen; wahrscheinlicher ist jedoch die Vermutung, dass die olympische Nationalmannschaft nicht von einem Sinto vertreten werden sollte. Mit seiner wachsenden Bekanntheit gab die Sportpresse Johann Trollmann bald den Beinamen „Gypsy“; häufig wurde er als „tanzender Zigeuner“, der „undeutsch“ boxte, rassistisch diffamiert.<br />
<br />
Der Ausschluss von der olympischen Nominierung bewog ihn im Juni 1929 zu dem Entschluss, Profiboxer zu werden. Unter der Obhut des Berliner Managers Ernst Zirzow kämpfte Trollmann fortan auch im Profibetrieb mit Erfolg und machte sich in Berlin schnell einen Namen. Allein im Jahr 1930 bestritt er 13 Kämpfe und war in der ganzen Republik unterwegs. Sein Erfolg steigerte sich aber noch: Im Jahre 1932 kämpfte Trollmann nur noch gegen die Besten, sowohl im Welter-, als auch im Mittel- und Halbschwergewicht. Auch internationale Gegner waren darunter. Von nun an kam der deutsche Boxsport an Trollmann nicht mehr vorbei. <br />
<br />
Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Januar 1933 ändert sich das Leben Trollmanns – und der Sport. Die Nationalsozialisten instrumentalisierten das Boxen für ihre Ziele, war das „Kämpfen“ doch immer schon ihre Sache – der Boxsport wurde in den „deutschen Faustkampf“ umbenannt und sollte eine zentrale Rolle in der so genannten Leibeserziehung des Dritten Reichs spielen. Die Boxclubs in Deutschland wurden zentralisiert und arisiert. Mit dieser sportpolitischen Offensive zum Zweck der Schaffung eines „wehrhaften Volkskörpers“ begann die Ausgrenzung und Verfolgung „nicht-arischer“ Sportler und Sportlerinnen lange vor dem Inkrafttreten der Nürnberger Rassegesetze 1935.<br />
<br />
Von Ausgrenzung und Verfolgung war auch Erich Seelig, der als deutsche Meister im Mittelgewicht und Halbschwergewicht Trollmanns Gewichtsklasse dominierte, betroffen. In der Nacht vor seinem Titelverteidigungskampf wurde Seelig mit dem Tode bedroht und floh nach Frankreich – er war Jude und als Ausnahmesportler seines Lebens nicht mehr sicher. <br />
Johann Trollmann floh nicht – und die nationalsozialistischen Sportbehörden hatten ein Problem, denn er war zu beliebt und zu erfolgreich, als dass man ihn sang- und klanglos hätte aus dem Boxsport verdrängen können. <br />
Nicht zufällig wurde ihm sein größter Erfolg als Boxer zugleich zum Verhängnis.<br />
Am 9. Juni 1933 trat Johann Trollmann in der Berliner Bockbierbrauerei zum Meisterschaftskampf im Halbschwergewicht gegen Adolf Witt an und gewann diesen klar nach Punkten. Für die Nationalsozialisten stellte sein Sieg eine Bedrohung dar, denn Trollmann demontierte das propagandistische Bild vom körperlich überlegenen, arischen Herrenmenschen und machte deutlich, wie konstruiert diese Vorstellung war. Im Publikum saß der überzeugte Nationalsozialist Georg Radamm. Er war der Vorsitzende des „Verbandes deutscher Faustkämpfer“, der von den Nationalsozialisten geschaffene neue Dachverband für den Boxsport. Radamm gab der Jury Anweisungen, den Kampf als unentschieden zu werten, als klar wurde, wie der Kampf enden würde. Und die Jury befolgte dies. Das boxkundige Publikum war jedoch nicht bereit, Teil der ideologisch motivierten Manipulation zu werden, hatte es Trollmann doch über sechs Runden hinweg als den überlegenen Boxer erlebt. Nach einer halben Stunde lautstarkem Protest und Drohungen gegen die anwesenden nationalsozialistischen Funktionäre wurde Trollmann der Siegkranz um den Hals gehängt. Dem erschöpften Boxer liefen die Tränen über die Wangen – aus Wut über den zunächst nicht anerkannten Sieg und aus Freude über den doch noch zuerkannten Meisterschaftstitel. Die Freude währte kurz; nur eine Woche nach dem Kampf erhielt Trollmann einen Brief des Boxverbandes, der ihm mitteilte, dass ihm der Meisterschaftstitel im Halbschwergewicht wieder aberkannt wurde, da beide Boxer „ungenügende Leistungen“ erbracht hätten. Der Titel wurde nicht vergeben. Auch wegen der vergossenen Tränen gab es hämische Stimmen – ein deutscher Mann hatte sich nicht solch „armseligen Verhaltens“ schuldig zu machen.<br />
<br />
Doch auch ohne den Meisterschaftstitel blieb Johann Trollmann ein Publikumsliebling und den Nationalsozialisten ein Dorn im Auge. Seine Karriere sollte endgültig beendet und Trollmann als Boxer diskreditiert werden.<br />
Vor seinem Kampf am 21.7.1933 gegen den bekannten und schlagkräftigen Weltergewichtler Gustav Eder, wurde ihm deutlich nahe gelegt, dass der Entzug seiner Lizenz als Boxer drohe, sollte er „zigeunerhaft“ tänzelnd, also „undeutsch“ boxen und sich nicht dem Kampf stellen. <br />
Trollmann, der Aussichtslosigkeit seiner Lage bewusst, stieg mit hell gefärbten Haaren und weiß gepuderter Haut in den Ring. Mit dieser Selbstinszenierung als arischer Kämpfer karikierte er die ihm zugewiesene Rolle als Opfer unmissverständlich. Zugleich dominierte im Kampf die Unterwerfung unter das Diktat der NS-Sportfunktionäre: Mit Verzicht auf die für seinen Stil elementare Beinarbeit, ohne vor den Schlägen wegzupendeln, stellte er sich dem „deutschen Kampf“. „Fuß an Fuß“ mit seinem Gegner stand er in der Mitte des Ringes, um dort Schläge auszuteilen und einzustecken. Nach 5 Runden war er k.o. geschlagen und seine Karriere als Boxer endgültig besiegelt. Das trotzige Aufbegehren im Moment des Untergangs – für diesen mutigen Akt des Widerstandes wurde Trollmann bei den deutschen Sinti und Roma als Held gefeiert.<br />
<br />
In den folgenden Jahren schlug sich Johann Trollmann als Boxer auf Jahrmärkten durch, lebte in Hannover und in Berlin. Hier begegnete er Olga Frieda Bilda, die er im Juni 1935 auf dem Standesamt in Berlin-Charlottenburg heiratete. Das Paar lebte dort in der Schlüterstraße 70. <br />
Wie es dazu kam, ist nicht bekannt, aber es scheint, als sei Johann Trollmann kurz darauf in das „Bewahrungs- und Arbeitshaus Rummelsburg“ eingewiesen worden. Nachweislich ist, dass der Direktor im Juli 1935 einen Antrag auf Sterilisierung des als „Heinrich“ Trollmann Eingewiesenen stellt. Johann benutzte oft den Namen seines Bruders, und da der in den Akten angegebene Geburtstag der seine ist und als Berufsbezeichnung „Berufsboxer“ notiert ist, gilt es als gesichert, dass es sich um Johann Trollmann handelt. Die Zwangssterilisierung wurde im Dezember 1935 durchgeführt – in Berlin erlitten ca. 20 000 Menschen diesen grausamen Zwangseingriff. Die aus der Ehe mit Olga geborene Tochter Rita wuchs ohne ihren Vater auf.<br />
<br />
Die Verfolgung von Sinti und Roma nahm nach dem Erlass der Nürnberger Rassegesetzen am 15. September 1935, in denen nicht nur die systematische Ausgrenzung und Entrechtung der jüdischen Menschen festgelegt wurde, sondern auch Sinti und Roma des „artfremden Blutes“ bezichtigt wurden, immer stärker zu.<br />
Die „Arisierung“ von Wohnraum betraf fortan Juden genauso wie Sinti und Roma. Letztere wurden gezwungen, ihre Wohnungen aufzugeben, um in so genannte „Zigeunerlager“ umzuziehen. Dies waren meistens eingezäunte Barackenlager auf offenem Feld ohne sanitäre Einrichtungen. Auch Mitglieder der Familie Trollmann werden inhaftiert und vor die nicht zu beantwortende Frage gestellt, sich entweder sterilisieren oder ins Lager deportieren zu lassen. <br />
<br />
Im September 1938 ließ sich Johann Trollmann von seiner Frau Olga scheiden, in der Hoffnung, seine Frau und die gemeinsame Tochter so vor Verfolgung schützen zu können.<br />
Zu diesem Zeitpunkt standen insbesondere so genannte „Zigeunermischlinge“ unter der besonderen Aufmerksamkeit der nationalsozialistischen Rassekundler und der Reichskriminalpolizei. <br />
Mit dem im Dezember 1938 in Kraft tretenden „Zigeuner-Runderlass“ nahm die Verfolgung der Sinti und Roma noch an Schärfe zu. Himmler forderte dazu auf, „die Regelung der Zigeunerfrage aus dem Wesen dieser Rasse heraus in Angriff zu nehmen“, der Weg in die Vernichtung zeichnete sich nun deutlich ab. <br />
Bereits 1938 war Trollmann für mehrere Monate ins Arbeitslager Hannover-Ahlem verschleppt worden. Nach seiner Entlassung lebte er im Verborgenen, um weiteren Verhaftungen zu entgehen. Im November 1939 wurde er in die Wehrmacht einberufen; vom Kämpfen fürs Vaterland waren die Sinti und Roma noch nicht ausgeschlossen. Nachdem er als Infanterist in Polen, Belgien und Frankreich stationiert war, wurde er im Frühjahr 1941 an die Ostfront geschickt, wo er nach dem Überfall auf die Sowjetunion verwundet wurde. Zeitgleich fanden die ersten Massenerschießungen sowjetischer Sinti und Roma statt. 1942 gab das Oberkommando der Wehrmacht einen Erlass heraus, der Sinti und Roma aus „rassepolitischen Gründen“ vom Wehrdienst ausschloss; auch Johann Trollmann wurde aus der Wehrmacht entlassen. Mehrere Angehörige seiner Familie waren zu diesem Zeitpunkt in Arbeitslager eingepfercht und leisteten unter schwersten Bedingungen Zwangsarbeit.<br />
<br />
Im Juni 1942 wurde Trollmann in Hannover verhaftet und in die berüchtigte „Zigeunerzentrale“ in der Innenstadt gebracht, wo man ihn schwer misshandelte. Von dort aus wurde er im Oktober des gleichen Jahres in das KZ Neuengamme bei Hamburg deportiert. Als Häftling mit der Nummer 9841 leistete er schwerste Zwangsarbeit. <br />
Bald erkannte ihn jedoch der frühere Ringrichter und jetzige SS-Mann Albert Lütkemeyer, der veranlasste, dass Trollmann trotz schwindender Kräfte – er hatte in den 3 Monaten KZ-Haft ca. 30kg an Gewicht verloren – allabendlich nach der Arbeit gegen SS-Männer zum Boxtraining antrat. Das illegales Häftlingskomitee von Neuengamme beschloss, Trollmann eine neue Identität zu geben und ihn aus dem Fokus der SS zu lösen: Offiziell starb Johann Trollmann am 9. Februar 1943 an Herz- und Kreislaufversagen, tatsächlich handelte es sich bei dem Toten um einen verstorbener Häftling, dessen Identität weitergegeben wurde. Um der Entdeckung zu entgehen, wurde Trollmann ins Nebenlager Wittenberge transportiert. <br />
Aber auch hier entkam er seiner Vergangenheit als Boxer nicht; er musste sich im Laufe des Jahres 1944 einem vom Lagerältesten inszenierten Kampf mit dem bei Mithäftlingen verhassten kriminellen Kapo Emil Cornelius stellen. Trollmann gewann zwar den Kampf, doch wenige Zeit später rächte sich Cornelius für die Niederlage und ließ Trollmann bei einem Arbeitseinsatz außerhalb des Lagers bis zur Erschöpfung schuften, um ihn dann mit einem Knüppel zu erschlagen. <br />
Johann Trollmanns Tod wurde als Unfall angegeben, sein Leichnam mit den vielen anderen Toten des Lagers auf dem Friedhof von Wittenberge verscharrt. <br />
Doch der Häftling Robert Landsberger, der bei dem Arbeitseinsatz Zeuge vom Mord an Trollmann wurde, überlebte das KZ und machte nach der Befreiung eine Aussage über den Tod Trollmanns. Diese blieb im Archiv der Gedenkstätte Neuengamme lange Zeit unentdeckt.<br />
<br />
Ende 2003 übergab der Deutsche Berufsboxerverband der Familie des Boxers den Meistergürtel von Johann „Rukeli“ Trollmann, der heute wieder offiziell als Deutscher Meister im Halbschwergewicht geführt wird. <br />
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Johann Trollmann wurde am 27.12.1907 als Sohn einer sinto-deutschen Familie in Wilsche, Gifhorn geboren. Da seine aufrechte Statur an einen gerade gewachsenen, schönen Baum erinnerte, gaben ihm seine Eltern Wilhelm und Friederike den Namen „Rukeli“. Ruk bedeutet in der Sprache der Sinti und Roma, dem Romanes, soviel wie Baum.
Johann Trollmann wuchs mit acht Geschwistern in ärmlichen Verhältnissen in der Altstadt von Hannover auf. Schon früh zeichnete sich sein großes Talent zum Boxen ab und bereits mit acht Jahren stieg er erstmals in den Ring, um einen Sport auszuüben, der bis zum Ende des Kaiserreichs verboten war. Bald gewann er die Südkreismeisterschaft und wurde Mitglied des 1922 gegründeten BC Heros Hannover, welcher zu dem 1920 gegründeten Deutschen Reichsverband für Amateurboxen DRfAB gehörte. Johann Trollmann gewann in jungen Jahren viermal die Regionalmeisterschaft, stieg zum norddeutschen Meister auf und nahm an der deutschen Meisterschaft im Amateurboxen teil.

Das Boxen, bislang als „Proletensport“ deklassiert, wurde in den 1920er Jahren immer bekannter und fand Einzug in den offiziell anerkannten Sport. Zugleich war das Boxen in der Kulturszene der Weimarer Republik ein beliebtes Freizeitvergnügen, zu populären Kämpfen strömten Hunderte. Trollmann wurde in diesen Jahren ein versierter Mittelgewichtsboxer, der schnell und extrem beweglich war und dennoch hart zuschlagen konnte. Sein Stil war spektakulär und kam beim Publikum gut an. Im Januar 1929 wechselte er zu dem bekanntesten Arbeitersportverein Hannovers, dem BC Sparta Linden, nachdem er vom Reichsverband nicht zu den Olympischen Spielen von 1928 in Amsterdam aufgestellt wurde. Unter fadenscheinigen Begründungen war behauptet worden, seine Leistungen seien ungenügend gewesen; wahrscheinlicher ist jedoch die Vermutung, dass die olympische Nationalmannschaft nicht von einem Sinto vertreten werden sollte. Mit seiner wachsenden Bekanntheit gab die Sportpresse Johann Trollmann bald den Beinamen „Gypsy“; häufig wurde er als „tanzender Zigeuner“, der „undeutsch“ boxte, rassistisch diffamiert.

Der Ausschluss von der olympischen Nominierung bewog ihn im Juni 1929 zu dem Entschluss, Profiboxer zu werden. Unter der Obhut des Berliner Managers Ernst Zirzow kämpfte Trollmann fortan auch im Profibetrieb mit Erfolg und machte sich in Berlin schnell einen Namen. Allein im Jahr 1930 bestritt er 13 Kämpfe und war in der ganzen Republik unterwegs. Sein Erfolg steigerte sich aber noch: Im Jahre 1932 kämpfte Trollmann nur noch gegen die Besten, sowohl im Welter-, als auch im Mittel- und Halbschwergewicht. Auch internationale Gegner waren darunter. Von nun an kam der deutsche Boxsport an Trollmann nicht mehr vorbei.

Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Januar 1933 ändert sich das Leben Trollmanns – und der Sport. Die Nationalsozialisten instrumentalisierten das Boxen für ihre Ziele, war das „Kämpfen“ doch immer schon ihre Sache – der Boxsport wurde in den „deutschen Faustkampf“ umbenannt und sollte eine zentrale Rolle in der so genannten Leibeserziehung des Dritten Reichs spielen. Die Boxclubs in Deutschland wurden zentralisiert und arisiert. Mit dieser sportpolitischen Offensive zum Zweck der Schaffung eines „wehrhaften Volkskörpers“ begann die Ausgrenzung und Verfolgung „nicht-arischer“ Sportler und Sportlerinnen lange vor dem Inkrafttreten der Nürnberger Rassegesetze 1935.

Von Ausgrenzung und Verfolgung war auch Erich Seelig, der als deutsche Meister im Mittelgewicht und Halbschwergewicht Trollmanns Gewichtsklasse dominierte, betroffen. In der Nacht vor seinem Titelverteidigungskampf wurde Seelig mit dem Tode bedroht und floh nach Frankreich – er war Jude und als Ausnahmesportler seines Lebens nicht mehr sicher.
Johann Trollmann floh nicht – und die nationalsozialistischen Sportbehörden hatten ein Problem, denn er war zu beliebt und zu erfolgreich, als dass man ihn sang- und klanglos hätte aus dem Boxsport verdrängen können.
Nicht zufällig wurde ihm sein größter Erfolg als Boxer zugleich zum Verhängnis.
Am 9. Juni 1933 trat Johann Trollmann in der Berliner Bockbierbrauerei zum Meisterschaftskampf im Halbschwergewicht gegen Adolf Witt an und gewann diesen klar nach Punkten. Für die Nationalsozialisten stellte sein Sieg eine Bedrohung dar, denn Trollmann demontierte das propagandistische Bild vom körperlich überlegenen, arischen Herrenmenschen und machte deutlich, wie konstruiert diese Vorstellung war. Im Publikum saß der überzeugte Nationalsozialist Georg Radamm. Er war der Vorsitzende des „Verbandes deutscher Faustkämpfer“, der von den Nationalsozialisten geschaffene neue Dachverband für den Boxsport. Radamm gab der Jury Anweisungen, den Kampf als unentschieden zu werten, als klar wurde, wie der Kampf enden würde. Und die Jury befolgte dies. Das boxkundige Publikum war jedoch nicht bereit, Teil der ideologisch motivierten Manipulation zu werden, hatte es Trollmann doch über sechs Runden hinweg als den überlegenen Boxer erlebt. Nach einer halben Stunde lautstarkem Protest und Drohungen gegen die anwesenden nationalsozialistischen Funktionäre wurde Trollmann der Siegkranz um den Hals gehängt. Dem erschöpften Boxer liefen die Tränen über die Wangen – aus Wut über den zunächst nicht anerkannten Sieg und aus Freude über den doch noch zuerkannten Meisterschaftstitel. Die Freude währte kurz; nur eine Woche nach dem Kampf erhielt Trollmann einen Brief des Boxverbandes, der ihm mitteilte, dass ihm der Meisterschaftstitel im Halbschwergewicht wieder aberkannt wurde, da beide Boxer „ungenügende Leistungen“ erbracht hätten. Der Titel wurde nicht vergeben. Auch wegen der vergossenen Tränen gab es hämische Stimmen – ein deutscher Mann hatte sich nicht solch „armseligen Verhaltens“ schuldig zu machen.

Doch auch ohne den Meisterschaftstitel blieb Johann Trollmann ein Publikumsliebling und den Nationalsozialisten ein Dorn im Auge. Seine Karriere sollte endgültig beendet und Trollmann als Boxer diskreditiert werden.
Vor seinem Kampf am 21.7.1933 gegen den bekannten und schlagkräftigen Weltergewichtler Gustav Eder, wurde ihm deutlich nahe gelegt, dass der Entzug seiner Lizenz als Boxer drohe, sollte er „zigeunerhaft“ tänzelnd, also „undeutsch“ boxen und sich nicht dem Kampf stellen.
Trollmann, der Aussichtslosigkeit seiner Lage bewusst, stieg mit hell gefärbten Haaren und weiß gepuderter Haut in den Ring. Mit dieser Selbstinszenierung als arischer Kämpfer karikierte er die ihm zugewiesene Rolle als Opfer unmissverständlich. Zugleich dominierte im Kampf die Unterwerfung unter das Diktat der NS-Sportfunktionäre: Mit Verzicht auf die für seinen Stil elementare Beinarbeit, ohne vor den Schlägen wegzupendeln, stellte er sich dem „deutschen Kampf“. „Fuß an Fuß“ mit seinem Gegner stand er in der Mitte des Ringes, um dort Schläge auszuteilen und einzustecken. Nach 5 Runden war er k.o. geschlagen und seine Karriere als Boxer endgültig besiegelt. Das trotzige Aufbegehren im Moment des Untergangs – für diesen mutigen Akt des Widerstandes wurde Trollmann bei den deutschen Sinti und Roma als Held gefeiert.

In den folgenden Jahren schlug sich Johann Trollmann als Boxer auf Jahrmärkten durch, lebte in Hannover und in Berlin. Hier begegnete er Olga Frieda Bilda, die er im Juni 1935 auf dem Standesamt in Berlin-Charlottenburg heiratete. Das Paar lebte dort in der Schlüterstraße 70.
Wie es dazu kam, ist nicht bekannt, aber es scheint, als sei Johann Trollmann kurz darauf in das „Bewahrungs- und Arbeitshaus Rummelsburg“ eingewiesen worden. Nachweislich ist, dass der Direktor im Juli 1935 einen Antrag auf Sterilisierung des als „Heinrich“ Trollmann Eingewiesenen stellt. Johann benutzte oft den Namen seines Bruders, und da der in den Akten angegebene Geburtstag der seine ist und als Berufsbezeichnung „Berufsboxer“ notiert ist, gilt es als gesichert, dass es sich um Johann Trollmann handelt. Die Zwangssterilisierung wurde im Dezember 1935 durchgeführt – in Berlin erlitten ca. 20 000 Menschen diesen grausamen Zwangseingriff. Die aus der Ehe mit Olga geborene Tochter Rita wuchs ohne ihren Vater auf.

Die Verfolgung von Sinti und Roma nahm nach dem Erlass der Nürnberger Rassegesetzen am 15. September 1935, in denen nicht nur die systematische Ausgrenzung und Entrechtung der jüdischen Menschen festgelegt wurde, sondern auch Sinti und Roma des „artfremden Blutes“ bezichtigt wurden, immer stärker zu.
Die „Arisierung“ von Wohnraum betraf fortan Juden genauso wie Sinti und Roma. Letztere wurden gezwungen, ihre Wohnungen aufzugeben, um in so genannte „Zigeunerlager“ umzuziehen. Dies waren meistens eingezäunte Barackenlager auf offenem Feld ohne sanitäre Einrichtungen. Auch Mitglieder der Familie Trollmann werden inhaftiert und vor die nicht zu beantwortende Frage gestellt, sich entweder sterilisieren oder ins Lager deportieren zu lassen.

Im September 1938 ließ sich Johann Trollmann von seiner Frau Olga scheiden, in der Hoffnung, seine Frau und die gemeinsame Tochter so vor Verfolgung schützen zu können.
Zu diesem Zeitpunkt standen insbesondere so genannte „Zigeunermischlinge“ unter der besonderen Aufmerksamkeit der nationalsozialistischen Rassekundler und der Reichskriminalpolizei.
Mit dem im Dezember 1938 in Kraft tretenden „Zigeuner-Runderlass“ nahm die Verfolgung der Sinti und Roma noch an Schärfe zu. Himmler forderte dazu auf, „die Regelung der Zigeunerfrage aus dem Wesen dieser Rasse heraus in Angriff zu nehmen“, der Weg in die Vernichtung zeichnete sich nun deutlich ab.
Bereits 1938 war Trollmann für mehrere Monate ins Arbeitslager Hannover-Ahlem verschleppt worden. Nach seiner Entlassung lebte er im Verborgenen, um weiteren Verhaftungen zu entgehen. Im November 1939 wurde er in die Wehrmacht einberufen; vom Kämpfen fürs Vaterland waren die Sinti und Roma noch nicht ausgeschlossen. Nachdem er als Infanterist in Polen, Belgien und Frankreich stationiert war, wurde er im Frühjahr 1941 an die Ostfront geschickt, wo er nach dem Überfall auf die Sowjetunion verwundet wurde. Zeitgleich fanden die ersten Massenerschießungen sowjetischer Sinti und Roma statt. 1942 gab das Oberkommando der Wehrmacht einen Erlass heraus, der Sinti und Roma aus „rassepolitischen Gründen“ vom Wehrdienst ausschloss; auch Johann Trollmann wurde aus der Wehrmacht entlassen. Mehrere Angehörige seiner Familie waren zu diesem Zeitpunkt in Arbeitslager eingepfercht und leisteten unter schwersten Bedingungen Zwangsarbeit.

Im Juni 1942 wurde Trollmann in Hannover verhaftet und in die berüchtigte „Zigeunerzentrale“ in der Innenstadt gebracht, wo man ihn schwer misshandelte. Von dort aus wurde er im Oktober des gleichen Jahres in das KZ Neuengamme bei Hamburg deportiert. Als Häftling mit der Nummer 9841 leistete er schwerste Zwangsarbeit.
Bald erkannte ihn jedoch der frühere Ringrichter und jetzige SS-Mann Albert Lütkemeyer, der veranlasste, dass Trollmann trotz schwindender Kräfte – er hatte in den 3 Monaten KZ-Haft ca. 30kg an Gewicht verloren – allabendlich nach der Arbeit gegen SS-Männer zum Boxtraining antrat. Das illegales Häftlingskomitee von Neuengamme beschloss, Trollmann eine neue Identität zu geben und ihn aus dem Fokus der SS zu lösen: Offiziell starb Johann Trollmann am 9. Februar 1943 an Herz- und Kreislaufversagen, tatsächlich handelte es sich bei dem Toten um einen verstorbener Häftling, dessen Identität weitergegeben wurde. Um der Entdeckung zu entgehen, wurde Trollmann ins Nebenlager Wittenberge transportiert.
Aber auch hier entkam er seiner Vergangenheit als Boxer nicht; er musste sich im Laufe des Jahres 1944 einem vom Lagerältesten inszenierten Kampf mit dem bei Mithäftlingen verhassten kriminellen Kapo Emil Cornelius stellen. Trollmann gewann zwar den Kampf, doch wenige Zeit später rächte sich Cornelius für die Niederlage und ließ Trollmann bei einem Arbeitseinsatz außerhalb des Lagers bis zur Erschöpfung schuften, um ihn dann mit einem Knüppel zu erschlagen.
Johann Trollmanns Tod wurde als Unfall angegeben, sein Leichnam mit den vielen anderen Toten des Lagers auf dem Friedhof von Wittenberge verscharrt.
Doch der Häftling Robert Landsberger, der bei dem Arbeitseinsatz Zeuge vom Mord an Trollmann wurde, überlebte das KZ und machte nach der Befreiung eine Aussage über den Tod Trollmanns. Diese blieb im Archiv der Gedenkstätte Neuengamme lange Zeit unentdeckt.

Ende 2003 übergab der Deutsche Berufsboxerverband der Familie des Boxers den Meistergürtel von Johann „Rukeli“ Trollmann, der heute wieder offiziell als Deutscher Meister im Halbschwergewicht geführt wird.