Marianne Brach geb. Nathan

Verlegeort
Hartmannstraße 35
Bezirk/Ortsteil
Lichterfelde
Verlegedatum
23. Juni 2023
Geboren
13. März 1858 in Berlin
Deportation
am 14. September 1942 nach Theresienstadt
Ermordet
24. September 1942 in Theresienstadt

Marianne Miriam Brach geb. Nathan

Marianne Nathan wurde am 13.3.1858 in Berlin geboren. Ihre Eltern Robert und Rosalie waren jüdischen Glaubens. Drei Brüder und eine Schwester gehörten zur Familie. Der Vater war im kaufmännischen Bereich tätig. Da weitere Geschwister in Polen und England geboren wurden ist anzunehmen, dass sich der Wohnsitz der Familie zeitweise im Ausland befunden hatte.

Am 16.12.1886 heiratete Marianne den jüdischen Kursmakler Georg Felix Brach, der am 5.4.1858 in Berlin geboren worden war. Ehemann Georg Felix war ein amtlich bestellter Börsenmakler der u.a. an der Berliner Börse ihm anvertraute Wertpapiere handelte. Seine Geschäftsadresse war in der Burgstraße 26. Als Familiensitz wurde eine Villa in der Annastr. 1 in Berlin-Lichterfelde Ost ausgewählt. Die Familie lebte im Wohlstand und Marianne Brach konnte sich ganz der Haushaltsführung bzw. der Repräsentation widmen.

Sechs Kinder wurden in dieser Ehe zwischen 1887 und 1900 geboren. Ehemann Georg Felix war musikbegeistert und es befand sich ein Flügel im Haus, an dem Tochter Edith ihre ersten Übungen spielte und sich in späteren Jahren an diesem Instrument als Sängerin begleiten ließ. Es waren glückliche- und erfolgreiche Jahre für Familie Brach in Lichterfelde-Ost. Die Kinder konnten unbeschwert erwachsen werden, waren beruflich erfolgreich und gründeten eigene Familien. Tochter Edith heiratete 1914 den erfolgreichen Unternehmer Simon Braun. 

Am 17. April 1931 verstarb Ehemann Georg Felix Brach. 44 Jahre hatten die Eheleute gemeinsam leben dürfen. Nun kam die große Wende im Leben von Marianne Brach. Mit 63 Jahren wurde sie Witwe. Ehemann Georg Felix hatte für sie gut vorgesorgt. Ein Wertpapierdepot sicherte ihren Lebensabend und sie konnte die Familienvilla weiter bewirtschaften. Bereits nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten wurden diverse Straßennamen auch in der Reichshauptstadt Berlin geändert.  Aus der Annastr.1 wurde Hartmannstr. 35. Was bis hier hin als natürlicher Lauf des Lebens bezeichnet werden kann, stellt sich in den Folgejahren hingegen als dramatisch dar. Unschuldig wurden Marianne Brach, Tochter Edith und Schwiegersohn Simon Opfer der NS-Täter.

Im Zuge der Reichspogromnacht 1938 wurde Simon Braun und Tochter Edith zum zwangsweisen Verkauf ihres Modegeschäftes und ihrer Familienvilla in der Herwarthstr. 12a genötigt. Im April 1939 zogen sie deswegen mit einem Teil ihres verbliebenen Mobiliars in die Hartmannstr. 35 ein und bewohnten die 1. Etage des  Elternhauses von Edith. Zu diesem Zeitpunkt hatten Edith und Simon bereits Vorbereitungen für ihre Emigration getroffen. Zur Emigration kam es nicht mehr. Simon Braun wurde nach dem Brandanschlag der jüdischen Widerstandsgruppe um Herbert Baum (18.5.1942, im Berliner Lustgarten) von den NS-Tätern im Zuge von brutalen Vergeltungsmaßnahmen als eine von vielen weiteren jüdischen Geisel ausgewählt. Am 27.5.1942, gegen 21.00 Uhr, wurde Simon Braun von der Gestapo in der Hartmannstr. 35 festgenommen und am nächsten Tag im KZ-Oranienburg mit vielen anderen jüdischen Geiseln erschossen. Wenig später wurde Ehefrau Edith ebenfalls als Geisel bestimmt und in das Ghetto

Theresienstadt am 5.6.1942 deportiert.

                                                                                                                                                  Marianne Brach

Ab November 1941 hatten die NS-Täter begonnen die aus Böhmen und Mären stammenden Menschen jüdischen Glaubens in die ehemalige Festung Theresienstadt zu deportieren. Ab 1942 wurden die Deportationen auf das gesamten Reichsgebiet ausgeweitet. Zunächst wurden nur ältere Menschen mit den Alterstransporten deportiert.  

Im September 1942 wurde Marianne Brach auf Anordnung der NS-Täter für den Transport I/65, Zug Da 514, eingeteilt. 1000 Personen fuhren zwangsweise mit diesem Zug von Berlin nach Theresienstadt. Den zur Deportation eingeteilten Juden wurde befohlen selbst im Sammellager Große Hamburger Straße zu erscheinen oder sie wurden von der Gestapo und verpflichteten Mitgliedern des Judenrates mit Lastwagen von zu Hause abgeholt. Vermutlich wurde Marianne Brach am 13.9.1942 von ihrem Wohnhaus in das Sammellager Große Hamburger Strasse überführt. Ihre bewohnten Zimmer im Haus Hartmannstr. 35 wurden versiegelt und die Wertgegenstände später durch einen Gerichtsvollzieher verwertet. Wer noch weiter im Haus wohnte oder danach einzog ist hier mit Sicherheit nicht nachzuvollziehen. Die Hausangestellte Frau Casparius blieb nach eigenen Angaben bis zum 28.1.1943 im Haus wohnen, tauchte danach unter und überlebte die Shoah. Das Haus Hartmannstr. 35 wurde im 2. Weltkrieg durch Luftangriffe zerstört. Spätestens im Sammellager Große Hamburger Straße wurde Marianne Brach genötigt eine Erklärung zu unterzeichnen, in der sie den Staat ermächtigte ihr noch gebliebenes Vermögen einzuziehen. Zuvor hatte sie einen sogenannten

Heimeinkaufsvertrag“ mit der „Reichsvereinigung der Juden“ schliessen müssen. Dieser Vertrag war unter Druck geschlossen worden und diente zum Abgreifen von Vermögenswerten zu Gunsten der Nationalsozialisten und zugleich zur Ruhigstellung der älteren Menschen vor dem „Reiseantritt“. Der Transport in das Ghetto fuhr vom Bahnhof Putlitzstraße ab und erreichte Theresienstadt am 15.9.1942.

Nur zehn Tage nach ihrer Festnahme verstarb Marianne Brach am 24.9.1942 im Ghetto Theresienstadt. Es ist davon auszugehen, dass sich Mutter und Tochter im Ghetto begegnet sind? Vielleicht durfte Edith in der Sterbestunde, gegen 15.00 Uhr, bei ihrer Mutter sein? Die in der Todesfallanzeige benannten Wohnräume Q304 und Q316 lassen es vermuten, da sie in räumlicher Nähe zueinander lagen. Die hygienischen-, medizinischen- und Ernährungsbedingungen waren im Ghetto entsetzlich und darauf ausgelegt, dass Leben der Inhaftierten so schnell wie möglich dem Tode zuzuführen. Einfach durch Unterlassung der notwendigen Versorgung. Für ältere Inhaftierte bestand kaum eine Chance zum Überleben. Das drei Ärzte den Tod bescheinigt hatten täuscht darüber hinweg, dass der aufopferungsvollen Ärzteschaft nicht genügend Medikamente und Nahrungsmittel zur Verfügung standen. Die Großdeportationen aus dem Reich im Sommer 1942 führten zur Überfüllung des Ghettos. An den ausgebrochenen Krankheiten und Seuchen starben in den Sommermonaten 1942 ca. 10.000  Häftlinge. Tochter Edith verblieb bis zum 9.10.1944 in Theresienstadt und wurde anschließend in AuschwitzBirkenau ermordet. Die Geschwister und weiteren Kinder von Marianne Brach überlebten die Shoah. Nach dem 2. Weltkrieg stellten sie als Erbengemeinschaft Anträge auf Wiedergutmachung bzw. Rückübertragung. Tragisch, dass einige von ihnen vor dem Vergleich bereits verstorben waren. Diese Verfahren wurden erst durch richterliche Klärung 1966 abgeschlossen. Glücklicherweise lebt die Familie in den Überlebenden und deren Kindern in den USA, Brasilen und Israel weiter!

 

Landesarchiv Berlin, Yadvashem Archiv, Ghetto Theresienstadt Archiv, Scheffler, Wolfgang, Der Brandanschlag im Berliner Lustgarten im Mai 1942 und seine Folgen, in: Jahrbuch des Landesarchivs, Berlin 1984 Landesarchiv Berlin, Arolsen Archiv, Schellenbacher, Wolfgang Armin (2010), Das Gesundheitswesen im Ghetto Theresienstadt, Universität Wien, ancestry.com