Charlotte Goldstein

Verlegeort
Jungfernstieg 18
Historischer Name
Jungfernstieg 18
Bezirk/Ortsteil
Lichterfelde
Verlegedatum
07. Oktober 2022
Geboren
31. Januar 1891 in Berlin-Lichterfelde
Flucht
1940 Schweden
Überlebt

Charlotte Goldstein wurde am 31. Januar 1891 in Berlin-Lichterfelde geboren. Sie kam als drittes von fünf Kindern des Ehepaares Julie und Max Goldstein zur Welt. Ihr ältester Bruder Willibald war bereits als Vierjähriger gestorben, ihr Bruder Fritz kam 1888 zur Welt, 1893 und 1895 folgten die beiden jüngeren Schwestern Elisabeth und Sophie.[i]

Ihr Vater Max Goldstein war Arzt. Er hatte 1889 gemeinsam mit Albert Lilienfeld, einem Kollegen aus der Maison de Santé in Schöneberg, das Gesellschaftshaus im Jungfernstieg 14 in Berlin-Lichterfelde erworben und dort ein Sanatorium für Nervenkranke und Erholungsbedürftige, das Goldstein Sanatorium, eingerichtet.

Hier verbrachte Charlotte ihre Kindheit.  Ihre Eltern führten ein offenes und gastfreundliches Haus. Häufig kamen Freunde und die in Berlin lebenden Verwandten zu Besuch. Charlotte besuchte zunächst die Gemeindeschule, später die Höhere Töchterschule in der Berliner Straße (heute Ostpreußendamm).

Um 1910 bezog Familie Goldstein eine Villa im Jungfernstieg 18, auf der anderen Straßenseite des Sanatoriums. Während in den darauffolgenden Jahren ihre Geschwister heirateten und nach und nach das elterliche Haus verließen, blieb Charlotte im Jungfernstieg. Im Juni 1916 heiratete sie Martin Goldstein. Dieser war ein Nervenarzt wie sein Schwiegervater, und er richtete seine Praxis im Wohnhaus der Familie ein.[ii] Im Jahr darauf wurde ihr erstes Kind, Helmut geboren, 1919 folgte Max und 1920 Joachim.

Als ihr Vater Max Goldstein 1918 starb, übernahm ihre MutterJulie die Leitung des Sanatoriums und Charlottes Mann, Martin Goldstein, wurde einer der Ärzte im Haus. Er starb jedoch nur acht Jahre später im Alter von 41 Jahren. Charlotte wurde mit gerade 35 Jahren Witwe, der jüngste Sohn Joachim war kaum sechs Jahre alt.[iii] Zu ihr ins Haus zog ihre Tante Frieda Goldstein, eine Schwester ihres Vaters, die jahrelang die Küche des Sanatoriums führte.

Mit der nationalsozialistischen Machtübernahme veränderte sich schlagartig das Leben und Arbeiten der Familie Goldstein, ebenso wie das aller jüdischen Familien in Deutschland. Das gehobene Berliner Bürgertum mied von nun an das von der Jüdin Julie Goldstein geleitete Sanatorium. Auch die Zahl der jüdischen Gäste ging zurück, sei es, weil sie das Land verließen oder weil ihnen die finanziellen Mittel für einen Sanatoriumsaufenthalt fehlten. Kurz nach dem 30. Januar 1933 wehten auf den ersten Grundstücken im Jungfernstieg die Hakenkreuzfahnen. Noch im gleichen Jahr entschloss sich die jüngste Schwester Charlottes, Sophie Michaeli, mit ihrem Mann Wilhelm nach Schweden auszuwandern.

1935 verstarb ihre Mutter Julie Goldstein und Charlotte übernahm die Leitung des Hauses, das inzwischen in das Sanatorium Lichterfelde umbenannt worden war. Unter den Repressionen des NS-Regimes wurde es für sie jedoch zunehmend schwerer, das Sanatorium in seiner bisherigen Form zu betreiben. Ein Großteil der Zimmer war inzwischen mit älteren Dauerbewohnern*innen belegt, und ihr wurde, wie sie später berichtete, ein Aufseher beigeordnet, der sie immer wieder dazu drängte, das Sanatorium mit dem dazugehörigen Grundstück zu verkaufen.[iv]

Noch vor dem Novemberpogrom gelang Charlottes ältestem Sohn Helmut im Sommer 1938 die Flucht nach Schweden. Ihm folgten wenig später seine Brüder und Cousins.[v] Etwa zur gleichen Zeit zog Charlottes Schwiegermutter Henriette Goldstein, die man aus ihrer Wohnung in Wilmersdorf vertrieben hatte, zu ihr in den Jungfernstieg. Auch ihr Bruder Fritz Goldstein, der Kinderarzt geworden war, kam mit seiner Familie zunächst im Jungfernstieg unter, da er nicht nur seine Praxis in Weißensee aufgeben musste, sondern dort auch aus seiner Wohnung vertrieben worden war. Ende 1938 flohen auch er, seine Frau und die beiden Söhne nach Schweden. Von der einst großen Familie waren jetzt nur noch Charlotte, ihre Schwester Elisabeth mit ihrem Mann Erwin Müller-Winter und die beiden alten Damen Frieda und Henriette Goldstein in Berlin zurückgeblieben.

Nachdem im August 1939 ihre Tante Frieda und wenig später im September Erwin Müller-Winter starben, gab Charlotte dem Drängen der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland nach und verpachtete ihr das Sanatorium, das nun in ein jüdisches Altenheim umgewandelt wurde. Für eine kurze Übergangszeit blieb Charlotte noch Leiterin des Hauses, konnten aber dann mit ihrer Schwester der Familie ins Exil nach Schweden folgen. Im März 1941 wurden Charlotte Goldstein und ihren Söhnen die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt. [vi]