Gustav Seelig

Verlegeort
Kopenhagener Straße 11
Bezirk/Ortsteil
Prenzlauer Berg
Verlegedatum
Juni 2009
Geboren
14. November 1878 in Bandsechow / Będziechowo
Deportation
am 04. März 1943 nach Auschwitz
Ermordet
August 1943 in Natzweiler-Struthof

Gustav Seelig wurde am 14. November 1878 im dörflichen Bandsechow (dem heutigen Będziechowo in Polen) in der damaligen Provinz Pommern geboren. Er war der Sohn des Kaufmanns Guter Seelig und der Ernestine Seelig, geborene Drucker. Gustav war eines der mittleren von insgesamt sieben Kindern des Ehepaares. Seine älteren Brüder Salomon und Sally waren 1875 und 1876 zur Welt gekommen, eine ältere Schwester Johanna im Januar 1877. In den folgenden Jahren wurden 1882, 1887 und 1891 seine jüngeren Geschwister Bertha, Adolf und Helene geboren. Über die Kindheit und Jugend von Gustav Seelig im Kreise seiner Familie haben sich keine Informationen erhalten. Spätestens Ende der 1890er-Jahre zog die Familie aus dem pommerschen Bandsechow nach Berlin – vermutlich als Teil der großen Migrationsbewegungen und Landflucht aus den Provinzen, die mit der Industrialisierung in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts einsetzte.

Nach Beendigung seiner Schulzeit nahm Gustav Seelig in Berlin eine Ausbildung in der Textilbranche auf. Gustav war belesen und sprachgewandt und besaß später eine umfangreiche Bibliothek. Seine Militärpflicht absolvierte er als junger Mann in Graudenz (heute Grudziądz). In der westpreußischen Festungsstadt waren mehrere Regimenter der Infanterie sowie Bataillone der Artillerie und Kavallerie stationiert. Im Jahr 1906 eröffnete er ein Textilwarengeschäft im Prenzlauer Berg. Die Partiewarenhandlung für rabattierte Waren und Restposten befand sich in der Kopenhagener Straße 11 nahe der Schönhauser Allee. Im gleichen Jahr heiratete er die Berlinerin Clara Gellert, die in den folgenden Jahren mit Gustav in den eigenen Textilwarengeschäften arbeitete. Bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs hatten Gustav und Clara den Ladenbetrieb räumlich und im Warensortiment erweitert und Verkaufspersonal eingestellt. Sie vertrieben an einen sich vergrößernden Kundenkreis neben Damen- und Herrenmode auch Berufsbekleidung, Badeartikel, Schneiderartikel und ähnliches. Bis 1914 konnten sie zwei Filialen eröffnen, eine in der Rostocker Straße 35 im Tiergarten und eine in der Stargarder Straße 19 im Prenzlauer Berg.

Nach der Hochzeit 1906 war Clara Seelig in die Wohnung ihres Ehemanns in der Havelberger Straße in Moabit gezogen. Gut ein Jahr später, am 15. November 1907, kam ihr einziges Kind zur Welt, ihre Tochter Hertha Hanna. 1914 zog die Kleinfamilie in eine Wohnung in der Kopenhagener Straße 11, in dessen Erdgeschoss nunmehr das „Kaufhaus Gustav Seelig“ firmierte. Kurz nach Kriegsbeginn wurde der damals 31-jährige Gustav Seelig im August 1914 eingezogen und in den folgenden Jahren als Frontsoldat auf den europäischen Kriegsschauplätzen eingesetzt. Währenddessen führte Clara Seelig die Geschäfte in Berlin weiter. In der Not der Kriegsjahre in Berlin war sie gezwungen, beide Filialen zu schließen, sodass nach der Demobilisierung, als der im Krieg mehrfach für Tapferkeit ausgezeichnete Gustav Seelig heimkehrte, der Familie einzig das Geschäft in der Kopenhagener Straße verblieb. In den Nachkriegsjahren konnte das Ehepaar das Geschäft wieder etablieren. 1923/1924 wurden die Seeligs Eigentümer des Wohnhauses Kopenhagener Straße 11, in dem sie auch in den Folgejahren wohnen blieben. Im Januar 1927 verstarb Gustavs Vater in Berlin und kurze Zeit später auch seine Mutter Ernestine. Die Seeligs zählten während der Weimarer Republik zum gutbürgerlichen Mittelstand Berlins, waren sozial eng vernetzt und in Vereinen engagiert. Hertha Hanna berichtete später über diese Zeit: „Meine Eltern waren sehr beliebt. Mein Vater war im Vorstand des Grundbesitzervereins und auch Mitglied anderer Organisationen. Bei den Wahlen diente er sehr oft als Beisitzer und fungierte als Schöffe beim Gericht in Moabit.“

Mit der schrittweisen Entrechtung und Verfolgung von Juden seit 1933 – beziehungsweise aller Personen, die nach den Nürnberger Gesetzen im NS-Staat als Juden galten – begannen auch staatliche Zwangsmaßnahmen gegen die Familie Seelig. Darunter fielen zahlreiche Maßnahmen der Diskriminierung und sozialen Ausgrenzung, des Entzugs staatsbürgerlicher Rechte sowie der Verdrängung aus dem Berufs- und Wirtschaftsleben. Ab 1933 waren die Seeligs als Geschäftsinhaber von den antisemitischen Kampagnen und Ausschreitungen betroffen, die ihren sichtbarsten Ausdruck in Boykotten sowie den Pogromen im Mai und November 1938 in Berlin erfuhren. Seit 1933/1934 hatte das Geschäft unter den rassistischen Repressalien stetig an Kundschaft verloren. Am 19. August 1935 wurde Gustav Seelig von der Gestapo verhaftet und in das Polizeipräsidium Alexanderplatz verbracht. Man hielt ihn dort ohne Angabe von Gründen für drei Wochen in Einzelhaft fest. Gustavs Tochter Hertha Hanna und ihr Ehemann – sie hatte im September 1934 den Berliner Kaufmann Herbert Nathan Noah geheiratet – setzten sich vergeblich für eine Freilassung des Vaters ein. Als sie sich zwei Tage nach der Verhaftung auf dem Weg vom Polizeipräsidium zu Clara Seelig befanden, wurden sie Zeuge von Plünderungen im elterlichen Geschäft: „Wir sahen schon von weitem eine große Menschenmenge vor dem Geschäft meiner Eltern. Als wir näherkamen, sahen wir, dass geplündert wurde, die Schaufensterscheiben waren eingeschlagen und Waren wurden weggeschleppt.“ SA-Männer hatten zuvor die Schaufenster eingeschlagen und das Warenlager teils zerstört, teils auf die Straße gezerrt. „Mein Vater war durch diese großen Aufregungen physisch und nervlich herunter und musste sich in ärztliche Behandlung begeben."

Anfang 1938 mussten sich die Seeligs dem politischen und ökonomischen Druck beugen und ihr Geschäft in der Kopenhagener Straße zum Schleuderpreis verkaufen. Ihre Tochter Hertha Hanna Noah schaffte es, mit ihrem Ehemann 1939/1940 das Land zu verlassen. Am 19. November 1940 erreichten sie mit der S.S. Ginyo Maru über den japanischen Hafen Yokohama den Zwischenhafen San Pedro in Kalifornien, von wo aus sie über Panama ins Exil nach Südamerika gingen. Gustav und Clara Seelig verblieben in Berlin. Sollten sie Pläne zur Auswanderung gehabt haben, schlugen diese fehl. Ab Oktober 1941 wurden der inzwischen 62-jährige Gustav und seine 60-jährige Ehefrau zu Zwangsarbeit herangezogen. Gustav Seelig war zuletzt Maschinenarbeiter im Siemens-Plania-Werk in Lichtenberg, das insbesondere als kriegswichtig eingestufte Kohleerzeugnisse herstellte. Mit der Polizeiverordnung vom 1. September 1941 „über die Kennzeichnung der Juden“ konnte sich das Ehepaar nur noch mit stigmatisierendem „Judenstern“ in der Öffentlichkeit bewegen.

Der Entrechtung folgte die Deportation: Im Rahmen der „Fabrik-Aktion“, bei der die letzten offiziell in der Hauptstadt verbliebenen Juden deportiert werden sollten, wurde Gustav Seelig am Arbeitsplatz verhaftet. „Nachdem meine Mutter vergeblich auf ihn wartete“, schrieb seine Tochter, „stellte sie sich freiwillig, um mit ihm zusammen sein zu können.“ Am 4. März 1943 wurden beide mit dem „34. Osttransport“ über den Güterbahnhof Moabit in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert. Von den 1142 Deportierten des Transports wurden in Auschwitz 389 Männer und 96 Frauen zum „Arbeitseinsatz“ selektiert – darunter auch Gustav Seelig. Clara Seelig wurde – vermutlich unmittelbar nach ihrer Ankunft am 5. März 1943 – in Auschwitz ermordet. In jedem Fall gehörte sie nicht zu den wenigen Überlebenden. Nach der Selektion ins Lager musste Gustav Seelig in den Buna-Werken im Lager Auschwitz-Monowitz Schwerstarbeiten verrichten. Am 29. März 1943 wurde er wegen einer Fraktur am rechten Unterschenkel ins Krankenrevier des Stammlagers Auschwitz überwiesen.

Im Juli wurde Gustav Seelig in Auschwitz durch die SS-Anthropologen Bruno Beger und Hans Fleischhacker in das pseudowissenschaftliche Programm des NS-Arztes August Hirt selektiert. Hirt, Anatomieprofessor an der Reichsuniversität Straßburg, wollte für künftige „judenfreie“ Zeiten eine jüdische Skelettsammlung anlegen und selektierte hierfür mit Unterstützung der SS-Organisation „Ahnenerbe“ und einiger Kollegen insgesamt 86 Personen in Auschwitz. Am 30. Juli 1943 wurde Gustav Seelig im Rahmen dieses Programms in das Straf- und Arbeitslager Natzweiler-Struthof im besetzten französischen Elsass verschleppt. Hier wurde der 64-Jährige am 17. oder 19. August 1943 vergast; seine Leiche wurde an das Straßburger anatomische Institut verschickt. Nach der Befreiung Straßburgs waren die Morde Gegenstand der Nürnberger Ärzteprozesse. Die sterblichen Überreste von Gustav Seelig wurden später auf dem jüdischen Friedhof Cronenbourg beigesetzt.

Von den Familienangehörigen von Gustav Seelig überlebte seine Tochter mit ihrem Ehemann im Exil in Südamerika. Sie lebten später in Kalifornien. Gustavs Brüder Salomon und Adolf Seelig wurden am 3. Februar und am 9. Dezember 1943 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Seine Schwester Johanna Davidsohn, geborene Seelig, nahm sich aus Furcht vor der drohenden Deportation am 25. November 1941 in Berlin das Leben. Das Schicksal seiner Geschwister Sally, Bertha und Helene, verheiratete Raphael, ist ungeklärt.

Gustav Seelig wurde am 14. November 1878 im dörflichen Bandsechow (dem heutigen Będziechowo in Polen) in der damaligen Provinz Pommern geboren. Er war der Sohn des Kaufmanns Guter Seelig und der Ernestine Seelig, geborene Drucker. Gustav war eines der mittleren von insgesamt sieben Kindern des Ehepaares. Seine älteren Brüder Salomon und Sally waren 1875 und 1876 zur Welt gekommen, eine ältere Schwester Johanna im Januar 1877. In den folgenden Jahren wurden 1882, 1887 und 1891 seine jüngeren Geschwister Bertha, Adolf und Helene geboren. Über die Kindheit und Jugend von Gustav Seelig im Kreise seiner Familie haben sich keine Informationen erhalten. Spätestens Ende der 1890er-Jahre zog die Familie aus dem pommerschen Bandsechow nach Berlin – vermutlich als Teil der großen Migrationsbewegungen und Landflucht aus den Provinzen, die mit der Industrialisierung in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts einsetzte.

Nach Beendigung seiner Schulzeit nahm Gustav Seelig in Berlin eine Ausbildung in der Textilbranche auf. Gustav war belesen und sprachgewandt und besaß später eine umfangreiche Bibliothek. Seine Militärpflicht absolvierte er als junger Mann in Graudenz (heute Grudziądz). In der westpreußischen Festungsstadt waren mehrere Regimenter der Infanterie sowie Bataillone der Artillerie und Kavallerie stationiert. Im Jahr 1906 eröffnete er ein Textilwarengeschäft im Prenzlauer Berg. Die Partiewarenhandlung für rabattierte Waren und Restposten befand sich in der Kopenhagener Straße 11 nahe der Schönhauser Allee. Im gleichen Jahr heiratete er die Berlinerin Clara Gellert, die in den folgenden Jahren mit Gustav in den eigenen Textilwarengeschäften arbeitete. Bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs hatten Gustav und Clara den Ladenbetrieb räumlich und im Warensortiment erweitert und Verkaufspersonal eingestellt. Sie vertrieben an einen sich vergrößernden Kundenkreis neben Damen- und Herrenmode auch Berufsbekleidung, Badeartikel, Schneiderartikel und ähnliches. Bis 1914 konnten sie zwei Filialen eröffnen, eine in der Rostocker Straße 35 im Tiergarten und eine in der Stargarder Straße 19 im Prenzlauer Berg.

Nach der Hochzeit 1906 war Clara Seelig in die Wohnung ihres Ehemanns in der Havelberger Straße in Moabit gezogen. Gut ein Jahr später, am 15. November 1907, kam ihr einziges Kind zur Welt, ihre Tochter Hertha Hanna. 1914 zog die Kleinfamilie in eine Wohnung in der Kopenhagener Straße 11, in dessen Erdgeschoss nunmehr das „Kaufhaus Gustav Seelig“ firmierte. Kurz nach Kriegsbeginn wurde der damals 31-jährige Gustav Seelig im August 1914 eingezogen und in den folgenden Jahren als Frontsoldat auf den europäischen Kriegsschauplätzen eingesetzt. Währenddessen führte Clara Seelig die Geschäfte in Berlin weiter. In der Not der Kriegsjahre in Berlin war sie gezwungen, beide Filialen zu schließen, sodass nach der Demobilisierung, als der im Krieg mehrfach für Tapferkeit ausgezeichnete Gustav Seelig heimkehrte, der Familie einzig das Geschäft in der Kopenhagener Straße verblieb. In den Nachkriegsjahren konnte das Ehepaar das Geschäft wieder etablieren. 1923/1924 wurden die Seeligs Eigentümer des Wohnhauses Kopenhagener Straße 11, in dem sie auch in den Folgejahren wohnen blieben. Im Januar 1927 verstarb Gustavs Vater in Berlin und kurze Zeit später auch seine Mutter Ernestine. Die Seeligs zählten während der Weimarer Republik zum gutbürgerlichen Mittelstand Berlins, waren sozial eng vernetzt und in Vereinen engagiert. Hertha Hanna berichtete später über diese Zeit: „Meine Eltern waren sehr beliebt. Mein Vater war im Vorstand des Grundbesitzervereins und auch Mitglied anderer Organisationen. Bei den Wahlen diente er sehr oft als Beisitzer und fungierte als Schöffe beim Gericht in Moabit.“

Mit der schrittweisen Entrechtung und Verfolgung von Juden seit 1933 – beziehungsweise aller Personen, die nach den Nürnberger Gesetzen im NS-Staat als Juden galten – begannen auch staatliche Zwangsmaßnahmen gegen die Familie Seelig. Darunter fielen zahlreiche Maßnahmen der Diskriminierung und sozialen Ausgrenzung, des Entzugs staatsbürgerlicher Rechte sowie der Verdrängung aus dem Berufs- und Wirtschaftsleben. Ab 1933 waren die Seeligs als Geschäftsinhaber von den antisemitischen Kampagnen und Ausschreitungen betroffen, die ihren sichtbarsten Ausdruck in Boykotten sowie den Pogromen im Juni und November 1938 in Berlin erfuhren. Seit 1933/1934 hatte das Geschäft unter den rassistischen Repressalien stetig an Kundschaft verloren. Am 19. August 1935 wurde Gustav Seelig von der Gestapo verhaftet und in das Polizeipräsidium Alexanderplatz verbracht. Man hielt ihn dort ohne Angabe von Gründen für drei Wochen in Einzelhaft fest. Gustavs Tochter Hertha Hanna und ihr Ehemann – sie hatte im September 1934 den Berliner Kaufmann Herbert Nathan Noah geheiratet – setzten sich vergeblich für eine Freilassung des Vaters ein. Als sie sich zwei Tage nach der Verhaftung auf dem Weg vom Polizeipräsidium zu Clara Seelig befanden, wurden sie Zeuge von Plünderungen im elterlichen Geschäft: „Wir sahen schon von weitem eine große Menschenmenge vor dem Geschäft meiner Eltern. Als wir näherkamen, sahen wir, dass geplündert wurde, die Schaufensterscheiben waren eingeschlagen und Waren wurden weggeschleppt.“ SA-Männer hatten zuvor die Schaufenster eingeschlagen und das Warenlager teils zerstört, teils auf die Straße gezerrt. „Mein Vater war durch diese großen Aufregungen physisch und nervlich herunter und musste sich in ärztliche Behandlung begeben."

Anfang 1938 mussten sich die Seeligs dem politischen und ökonomischen Druck beugen und ihr Geschäft in der Kopenhagener Straße zum Schleuderpreis verkaufen. Ihre Tochter Hertha Hanna Noah schaffte es, mit ihrem Ehemann 1939/1940 das Land zu verlassen. Am 19. November 1940 erreichten sie mit der S.S. Ginyo Maru über den japanischen Hafen Yokohama den Zwischenhafen San Pedro in Kalifornien, von wo aus sie über Panama ins Exil nach Südamerika gingen. Gustav und Clara Seelig verblieben in Berlin. Sollten sie Pläne zur Auswanderung gehabt haben, schlugen diese fehl. Ab Oktober 1941 wurden der inzwischen 62-jährige Gustav und seine 60-jährige Ehefrau zu Zwangsarbeit herangezogen. Gustav Seelig war zuletzt Maschinenarbeiter im Siemens-Plania-Werk in Lichtenberg, das insbesondere als kriegswichtig eingestufte Kohleerzeugnisse herstellte. Mit der Polizeiverordnung vom 1. September 1941 „über die Kennzeichnung der Juden“ konnte sich das Ehepaar nur noch mit stigmatisierendem „Judenstern“ in der Öffentlichkeit bewegen.

Der Entrechtung folgte die Deportation: Im Rahmen der „Fabrik-Aktion“, bei der die letzten offiziell in der Hauptstadt verbliebenen Juden deportiert werden sollten, wurde Gustav Seelig am Arbeitsplatz verhaftet. „Nachdem meine Mutter vergeblich auf ihn wartete“, schrieb seine Tochter, „stellte sie sich freiwillig, um mit ihm zusammen sein zu können.“ Am 4. März 1943 wurden beide mit dem „34. Osttransport“ über den Güterbahnhof Moabit in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert. Von den 1142 Deportierten des Transports wurden in Auschwitz 389 Männer und 96 Frauen zum „Arbeitseinsatz“ selektiert – darunter auch Gustav Seelig. Clara Seelig wurde – vermutlich unmittelbar nach ihrer Ankunft am 5. März 1943 – in Auschwitz ermordet. In jedem Fall gehörte sie nicht zu den wenigen Überlebenden. Nach der Selektion ins Lager musste Gustav Seelig in den Buna-Werken im Lager Auschwitz-Monowitz Schwerstarbeiten verrichten. Am 29. März 1943 wurde er wegen einer Fraktur am rechten Unterschenkel ins Krankenrevier des Stammlagers Auschwitz überwiesen.

Im Juli wurde Gustav Seelig in Auschwitz durch die SS-Anthropologen Bruno Beger und Hans Fleischhacker in das pseudowissenschaftliche Programm des NS-Arztes August Hirt selektiert. Hirt, Anatomieprofessor an der Reichsuniversität Straßburg, wollte für künftige „judenfreie“ Zeiten eine jüdische Skelettsammlung anlegen und selektierte hierfür mit Unterstützung der SS-Organisation „Ahnenerbe“ und einiger Kollegen insgesamt 86 Personen in Auschwitz. Am 30. Juli 1943 wurde Gustav Seelig im Rahmen dieses Programms in das Straf- und Arbeitslager Natzweiler-Struthof im besetzten französischen Elsass verschleppt. Hier wurde der 64-Jährige am 17. oder 19. August 1943 vergast; seine Leiche wurde an das Straßburger anatomische Institut verschickt. Nach der Befreiung Straßburgs waren die Morde Gegenstand der Nürnberger Ärzteprozesse. Die sterblichen Überreste von Gustav Seelig wurden später auf dem jüdischen Friedhof Cronenbourg beigesetzt.

Von den Familienangehörigen von Gustav Seelig überlebte seine Tochter mit ihrem Ehemann im Exil in Südamerika. Sie lebten später in Kalifornien. Gustavs Brüder Salomon und Adolf Seelig wurden am 3. Februar und am 9. Dezember 1943 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Seine Schwester Johanna Davidsohn, geborene Seelig, nahm sich aus Furcht vor der drohenden Deportation am 25. November 1941 in Berlin das Leben. Das Schicksal seiner Geschwister Sally, Bertha und Helene, verheiratete Raphael, ist ungeklärt.