Clara Seelig geb. Gellert

Verlegeort
Kopenhagener Straße 11
Bezirk/Ortsteil
Prenzlauer Berg
Verlegedatum
Juni 2009
Geboren
02. Juli 1881 in Berlin
Deportation
am 04. März 1943 nach Auschwitz
Ermordet
in Auschwitz

Clara Gellert wurde am 2. Juli 1881 in Berlin geboren. Sie war die Tochter des Berliner Textilhändlers Moritz Gellert und der Auguste Gellert, geborene Neumann. Zum Zeitpunkt der Geburt von Clara wohnten die Gellerts in der Invalidenstraße 160 in Mitte. Über die Kindheit und Jugend von Clara Seelig im Berlin der Kaiserzeit haben sich keine Informationen erhalten. Ihre Eltern gehörten aber aller Wahrscheinlichkeit nach zur jüdischen Gemeinde der Stadt. Kurz nach ihrem 25. Geburtstag heiratete Clara am 28. August 1906 in Berlin den aus Bandsechow (dem heutigen Będziechowo) stammenden Kaufmann Gustav Seelig. Nach der Hochzeit zog sie in seine Wohnung in der Havelberger Straße in Moabit. Hier kam am 15. November 1907 das einzige Kind des Ehepaares, ihre Tochter Hertha Hanna, zur Welt.

Nachdem seine Familie Ende des 19. Jahrhunderts aus der damaligen Provinz Pommern nach Berlin gekommen war, hatte Gustav eine Kaufmannslehre abgeschlossen und 1906 eine Partiewarenhandlung im Prenzlauer Berg eröffnet. In den kommenden Jahren half Clara ihrem Mann in der Geschäftsführung und im Verkauf. Das Ehepaar hatte geschäftlichen Erfolg. In den 1910er-Jahren hatten sie einen großen Kundenkreis aufgebaut, Verkaufspersonal eingestellt und zwei weitere Filialen im Tiergarten und im Prenzlauer Berg eröffnet. 1914 zogen die Seeligs in eine Wohnung in der Kopenhagener Straße 11, in dessen Erdgeschoss nunmehr das „Kaufhaus Gustav Seelig“ firmierte. Kurz nach Kriegsbeginn wurde Claras Ehemann im August 1914 eingezogen. Clara kümmerte sich unterdessen während der vier Kriegsjahre neben dem Großziehen der Tochter Hertha auch um die Geschäfte in Berlin. In der Not der Kriegsjahre in Berlin war sie vor allem durch den Mangel an Waren gezwungen, die angemieteten Filialen im Tiergarten und im Prenzlauer Berg zu schließen. Als Gustav Seelig 1918/1919 heimkehrte, war den Eheleuten also nur das Ladengeschäft in der Kopenhagener Straße verblieben, auf dessen Ausbau sie sich konzentrierten. 1923/1924 wurden sie Eigentümer des Wohnhauses Kopenhagener Straße 11. Die Seeligs zählten während der Weimarer Republik zum gutbürgerlichen Mittelstand Berlins, waren sozial eng vernetzt und in Vereinen engagiert. Hertha Hanna berichtete später über diese Zeit: „Meine Eltern waren sehr beliebt. Mein Vater war im Vorstand des Grundbesitzervereins und auch Mitglied anderer Organisationen. Bei den Wahlen diente er sehr oft als Beisitzer und fungierte als Schöffe beim Gericht in Moabit.“

Mit der schrittweisen Entrechtung und Verfolgung von Juden seit 1933 – beziehungsweise aller Personen, die nach den Nürnberger Gesetzen im NS-Staat als Juden galten – begannen auch staatliche Zwangsmaßnahmen gegen die Familie Seelig. Darunter fielen zahlreiche Maßnahmen der Diskriminierung und sozialen Ausgrenzung, des Entzugs staatsbürgerlicher Rechte sowie der Verdrängung aus dem Berufs- und Wirtschaftsleben. Ab 1933 waren die Seeligs insbesondere als Geschäftsinhaber von den antisemitischen Kampagnen und Ausschreitungen betroffen, die ihren sichtbarsten Ausdruck in Boykotten sowie den Pogromen im Mai und November 1938 in Berlin erfuhren.

Am 19. August 1935 wurde Claras Ehemann von der Gestapo verhaftet und im Polizeipräsidium Alexanderplatz festgehalten. Man hielt ihn dort ohne Angabe von Gründen für drei Wochen in Einzelhaft. Während sich Clara, Hertha Hanna und ihr Ehemann – sie hatte im September 1934 den Berliner Kaufmann Herbert Nathan Noah geheiratet – sich vergeblich für die Freilassung einsetzten, zerschlugen SA-Männer zwei Tage nach der Verhaftung die Ladenzeile in der Köpenicker Straße und zerstörten das Warenlager. Herta Hanna, die mit ihrem Ehemann Augenzeuge der Plünderungen wurde, berichtete später: „Wir sahen schon von weitem eine große Menschenmenge vor dem Geschäft meiner Eltern. Als wir näherkamen, sahen wir, dass geplündert wurde, die Schaufensterscheiben waren eingeschlagen und Waren wurden weggeschleppt.“ Gustav Seelig erholte sich nur schwer von der Inhaftierung. „Mein Vater“, so Herta Hanna, „war durch diese großen Aufregungen physisch und nervlich herunter und musste sich in ärztliche Behandlung begeben."

Anfang 1938 beugten sich die Seeligs dem politischen und ökonomischen Druck und verkauften ihr Geschäft in der Kopenhagener Straße zum Schleuderpreis. Im Folgejahr 1939/1940 gelang es ihrer Tochter mit ihrem Ehemann, Deutschland zu verlassen. Sie flüchteten über den japanischen Hafen Yokohama nach Kalifornien, von wo aus sie über Panama Südamerika erreichten. Gustav und Clara Seelig verblieben in Berlin. Vermutlich planten sie zu folgen, denn sie hatten bei einer Hamburger Reederei Passagegeld einbezahlt. Es gelang den Seeligs aber nicht mehr, das Land zu verlassen. Ab Oktober 1941 wurde die 60-jährige Clara Seelig und ihr 62-jähriger Ehemann zu Zwangsarbeit bei in Berlin ansässigen Unternehmen herangezogen. Es ist nicht bekannt, bei welcher Firma Clara zwangsbeschäftigt war. Gustav Seelig musste als Maschinenarbeiter im Siemens-Plania-Werk in Lichtenberg arbeiten. Mit der Polizeiverordnung vom 1. September 1941 „über die Kennzeichnung der Juden“ konnte sich das Ehepaar nur noch mit stigmatisierendem „Judenstern“ in der Öffentlichkeit bewegen.

Der Entrechtung folgte die Deportation: Im Rahmen der „Fabrik-Aktion“, bei der die letzten offiziell in der Hauptstadt verbliebenen Juden deportiert werden sollten, wurde Gustav Seelig am Arbeitsplatz verhaftet. „Nachdem meine Mutter vergeblich auf ihn wartete“, schrieb seine Tochter, „stellte sie sich freiwillig, um mit ihm zusammen sein zu können“. Am 4. März 1943 wurden Clara und Gustav Seelig mit dem „34. Osttransport“ über den Güterbahnhof Moabit in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert. Von den 1142 Deportierten des Transports wurden in Auschwitz 389 Männer und 96 Frauen zum Arbeitseinsatz selektiert – darunter auch Gustav Seelig. Clara Seelig wurde – vermutlich unmittelbar nach ihrer Ankunft am 5. März 1943 – in den Gaskammern des Vernichtungslagers ermordet. In jedem Fall gehörte sie nicht zu den wenigen Überlebenden von Auschwitz. Zum Zeitpunkt ihrer Deportation war sie 62 Jahre alt.

Von ihren Familienangehörigen überlebte ihre Tochter im Exil in Südamerika die NS-Verfolgung. Sie lebte mit ihrem Ehemann später in Kalifornien. Claras Ehemann Gustav erlitt am 29. März 1943 bei Arbeiten in den Buna-Werken Auschwitz-Monowitz eine Fraktur am rechten Unterschenkel und wurde ins Krankenrevier des Stammlagers Auschwitz überstellt. Dort wurde er für das pseudowissenschaftliche Programm des NS-Arztes August Hirt ausgewählt, der für Forschungs- und Ausstellungszwecke eine Skelettsammlung anlegen wollte. Am 30. Juli 1943 wurde Gustav Seelig in das Straf- und Arbeitslager Natzweiler-Struthof im besetzten französischen Elsass deportiert, wo er am 17. oder 19. August 1943 ermordet wurde. Nach der Befreiung Straßburgs waren die Morde Gegenstand der Nürnberger Ärzteprozesse. Die sterblichen Überreste von Gustav Seelig wurden später auf dem jüdischen Friedhof Cronenbourg beigesetzt.

Clara Gellert wurde am 2. Juli 1881 in Berlin geboren. Sie war die Tochter des Berliner Textilhändlers Moritz Gellert und der Auguste Gellert, geborene Neumann. Zum Zeitpunkt der Geburt von Clara wohnten die Gellerts in der Invalidenstraße 160 in Mitte. Über die Kindheit und Jugend von Clara Seelig im Berlin der Kaiserzeit haben sich keine Informationen erhalten. Ihre Eltern gehörten aber aller Wahrscheinlichkeit nach zur jüdischen Gemeinde der Stadt. Kurz nach ihrem 25. Geburtstag heiratete Clara am 28. August 1906 in Berlin den aus Bandsechow (dem heutigen Będziechowo) stammenden Kaufmann Gustav Seelig. Nach der Hochzeit zog sie in seine Wohnung in der Havelberger Straße in Moabit. Hier kam am 15. November 1907 das einzige Kind des Ehepaares, ihre Tochter Hertha Hanna, zur Welt.

Nachdem seine Familie Ende des 19. Jahrhunderts aus der damaligen Provinz Pommern nach Berlin gekommen war, hatte Gustav eine Kaufmannslehre abgeschlossen und 1906 eine Partiewarenhandlung im Prenzlauer Berg eröffnet. In den kommenden Jahren half Clara ihrem Mann in der Geschäftsführung und im Verkauf. Das Ehepaar hatte geschäftlichen Erfolg. In den 1910er-Jahren hatten sie einen großen Kundenkreis aufgebaut, Verkaufspersonal eingestellt und zwei weitere Filialen im Tiergarten und im Prenzlauer Berg eröffnet. 1914 zogen die Seeligs in eine Wohnung in der Kopenhagener Straße 11, in dessen Erdgeschoss nunmehr das „Kaufhaus Gustav Seelig“ firmierte. Kurz nach Kriegsbeginn wurde Claras Ehemann im August 1914 eingezogen. Clara kümmerte sich unterdessen während der vier Kriegsjahre neben dem Großziehen der Tochter Hertha auch um die Geschäfte in Berlin. In der Not der Kriegsjahre in Berlin war sie vor allem durch den Mangel an Waren gezwungen, die angemieteten Filialen im Tiergarten und im Prenzlauer Berg zu schließen. Als Gustav Seelig 1918/1919 heimkehrte, war den Eheleuten also nur das Ladengeschäft in der Kopenhagener Straße verblieben, auf dessen Ausbau sie sich konzentrierten. 1923/1924 wurden sie Eigentümer des Wohnhauses Kopenhagener Straße 11. Die Seeligs zählten während der Weimarer Republik zum gutbürgerlichen Mittelstand Berlins, waren sozial eng vernetzt und in Vereinen engagiert. Hertha Hanna berichtete später über diese Zeit: „Meine Eltern waren sehr beliebt. Mein Vater war im Vorstand des Grundbesitzervereins und auch Mitglied anderer Organisationen. Bei den Wahlen diente er sehr oft als Beisitzer und fungierte als Schöffe beim Gericht in Moabit.“

Mit der schrittweisen Entrechtung und Verfolgung von Juden seit 1933 – beziehungsweise aller Personen, die nach den Nürnberger Gesetzen im NS-Staat als Juden galten – begannen auch staatliche Zwangsmaßnahmen gegen die Familie Seelig. Darunter fielen zahlreiche Maßnahmen der Diskriminierung und sozialen Ausgrenzung, des Entzugs staatsbürgerlicher Rechte sowie der Verdrängung aus dem Berufs- und Wirtschaftsleben. Ab 1933 waren die Seeligs insbesondere als Geschäftsinhaber von den antisemitischen Kampagnen und Ausschreitungen betroffen, die ihren sichtbarsten Ausdruck in Boykotten sowie den Pogromen im Juni und November 1938 in Berlin erfuhren.

Am 19. August 1935 wurde Claras Ehemann von der Gestapo verhaftet und im Polizeipräsidium Alexanderplatz festgehalten. Man hielt ihn dort ohne Angabe von Gründen für drei Wochen in Einzelhaft. Während sich Clara, Hertha Hanna und ihr Ehemann – sie hatte im September 1934 den Berliner Kaufmann Herbert Nathan Noah geheiratet – sich vergeblich für die Freilassung einsetzten, zerschlugen SA-Männer zwei Tage nach der Verhaftung die Ladenzeile in der Köpenicker Straße und zerstörten das Warenlager. Herta Hanna, die mit ihrem Ehemann Augenzeuge der Plünderungen wurde, berichtete später: „Wir sahen schon von weitem eine große Menschenmenge vor dem Geschäft meiner Eltern. Als wir näherkamen, sahen wir, dass geplündert wurde, die Schaufensterscheiben waren eingeschlagen und Waren wurden weggeschleppt.“ Gustav Seelig erholte sich nur schwer von der Inhaftierung. „Mein Vater“, so Herta Hanna, „war durch diese großen Aufregungen physisch und nervlich herunter und musste sich in ärztliche Behandlung begeben."

Anfang 1938 beugten sich die Seeligs dem politischen und ökonomischen Druck und verkauften ihr Geschäft in der Kopenhagener Straße zum Schleuderpreis. Im Folgejahr 1939/1940 gelang es ihrer Tochter mit ihrem Ehemann, Deutschland zu verlassen. Sie flüchteten über den japanischen Hafen Yokohama nach Kalifornien, von wo aus sie über Panama Südamerika erreichten. Gustav und Clara Seelig verblieben in Berlin. Vermutlich planten sie zu folgen, denn sie hatten bei einer Hamburger Reederei Passagegeld einbezahlt. Es gelang den Seeligs aber nicht mehr, das Land zu verlassen. Ab Oktober 1941 wurde die 60-jährige Clara Seelig und ihr 62-jähriger Ehemann zu Zwangsarbeit bei in Berlin ansässigen Unternehmen herangezogen. Es ist nicht bekannt, bei welcher Firma Clara zwangsbeschäftigt war. Gustav Seelig musste als Maschinenarbeiter im Siemens-Plania-Werk in Lichtenberg arbeiten. Mit der Polizeiverordnung vom 1. September 1941 „über die Kennzeichnung der Juden“ konnte sich das Ehepaar nur noch mit stigmatisierendem „Judenstern“ in der Öffentlichkeit bewegen.

Der Entrechtung folgte die Deportation: Im Rahmen der „Fabrik-Aktion“, bei der die letzten offiziell in der Hauptstadt verbliebenen Juden deportiert werden sollten, wurde Gustav Seelig am Arbeitsplatz verhaftet. „Nachdem meine Mutter vergeblich auf ihn wartete“, schrieb seine Tochter, „stellte sie sich freiwillig, um mit ihm zusammen sein zu können“. Am 4. März 1943 wurden Clara und Gustav Seelig mit dem „34. Osttransport“ über den Güterbahnhof Moabit in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert. Von den 1142 Deportierten des Transports wurden in Auschwitz 389 Männer und 96 Frauen zum Arbeitseinsatz selektiert – darunter auch Gustav Seelig. Clara Seelig wurde – vermutlich unmittelbar nach ihrer Ankunft am 5. März 1943 – in den Gaskammern des Vernichtungslagers ermordet. In jedem Fall gehörte sie nicht zu den wenigen Überlebenden von Auschwitz. Zum Zeitpunkt ihrer Deportation war sie 62 Jahre alt.

Von ihren Familienangehörigen überlebte ihre Tochter im Exil in Südamerika die NS-Verfolgung. Sie lebte mit ihrem Ehemann später in Kalifornien. Claras Ehemann Gustav erlitt am 29. März 1943 bei Arbeiten in den Buna-Werken Auschwitz-Monowitz eine Fraktur am rechten Unterschenkel und wurde ins Krankenrevier des Stammlagers Auschwitz überstellt. Dort wurde er für das pseudowissenschaftliche Programm des NS-Arztes August Hirt ausgewählt, der für Forschungs- und Ausstellungszwecke eine Skelettsammlung anlegen wollte. Am 30. Juli 1943 wurde Gustav Seelig in das Straf- und Arbeitslager Natzweiler-Struthof im besetzten französischen Elsass deportiert, wo er am 17. oder 19. August 1943 ermordet wurde. Nach der Befreiung Straßburgs waren die Morde Gegenstand der Nürnberger Ärzteprozesse. Die sterblichen Überreste von Gustav Seelig wurden später auf dem jüdischen Friedhof Cronenbourg beigesetzt.