David Jelski

Verlegeort
Melanchthonstraße Ecke Paulstraße
Historischer Name
Melanchthonstraße 1
Bezirk/Ortsteil
Moabit
Verlegedatum
24. Juni 2023
Geboren
05. Januar 1872 in Neustadt (Westpreußen) / Wejherowo
Beruf
Bürovorsteher, Kassierer
Deportation
am 07. September 1942 von Klopstockstraße 45 nach Theresienstadt
Ermordet
09. Mai 1943 in Theresienstadt

David Jelski wurde am 5. Januar 1872 als viertes von sechs Kindern der Eheleute Isaak und Ida Jelski, geb. Kremer (Krämer), in Neustadt, jetzt Wejherowo, PL, geboren.8  

Isaak Jelski war Kantor und Schächter an der Synagoge Breitgasse in Danzig bis zu ihrer Auflösung 1883, einer Gemeinde deutscher Juden, danach wirkte er bis zu seiner Pensionierung an der orthodoxen Synagoge in Mattenboden.[1][2] Über David Jelskis Mutter Ida liegen keine Informationen vor.

David Jelskis ältere Geschwister waren der spätere Prediger an der Jüdischen Reformgemeinde zu Berlin Dr. Julius Jelski (1867-1953), dessen Zwillingsschwester Martha, später Gesangslehrerin (1867- 1943) und der Sanitätsrat und Kinderarzt Dr. med. Bernhard Jelski (1870-1943). Martha und Bernhard Jelski lebten überwiegend in Danzig. 

Als David fünf Jahre alt war, wurde seine Schwester Franziska (1877-1932) geboren und 14 Jahre später, David Jelski war 18 Jahre alt, das Nesthäkchen Erich Gotthold (1891-1895), das 3jährig verstarb. [3] Davids Schwester Franziska Jelski war in erster Ehe mit dem in Lodz tätigen Prediger Dr. Israel Jelski-Goldin verheiratet.3                                                               

Über David Jelskis Schullaufbahn und Ausbildungsgang liegen keine Informationen vor. Ein Hochschul- oder Fachhochschulstudium hatte er laut Ergänzungskarte zur Volkszählung am 17. Mai 1938 nicht abgeschlossen.[4]  Die Brüder Julius und Bernhard legten ihr Abitur am Städtischen Gymnasium in Danzig ab.[5] 

Eine erste Information zu David Jelskis Beruf findet sich im Berliner Adressbuch von 1907 und in der Eheschließungsurkunde von 1908. Hier wird als Beruf Kassierer angegeben. [6] Über die Berliner Adressbücher lässt sich sein weiterer beruflicher Aufstieg bis zu seinem Ausscheiden 1932 in der Jüdischen Gemeinde nachvollziehen.

David Jelski wird Ende 1906, Anfang 1907 nach Berlin in die Melanchthonstraße 1, NW 52, gezogen sein. Diese Adresse wurde auch bei der Eheschließung Anfang Januar 1908 genannt. Mit Unterbrechung von 1916 bis 1919 findet sich diese Adresse bis 1940 in den Berliner Adressbüchern. In dem Jahr 1940 verstarb seine Frau Klara.6 Die Wohnung befand sich im dritten Obergeschoss. Zwischenzeitlich, von 1916 bis 1922, war David Jelski in der Oranienburger Straße 28/29 als Verwalter des Hauses der Jüdischen Gemeinde und in seiner Position als Bürovorsteher gemeldet.[7] 1934 wird er in Ruhestand gegangen sein. In den folgenden Adressbüchern bezeichnete er sich als Bürovorsteher im Ruhestand (i.R.) oder außer Dienst (a.D.). In den Berliner Adressbüchern ist er auch unter den Namen David Fritz Jelski und auch nur Fritz Jelski gemeldet.   

Nicht nur David Jelski hatte Berlin als Lebensmittelpunkt gewählt. Berlin wurde ab 1889 zum zentralen Lebensort der großen Danziger Familie Jelski. Der 22jährige älteste Bruder Julius war von 1889 bis 1900 zum Studium der Philosophie an der Friedrich-Wilhelms-Universität, jetzt Humboldt-Universität, eingeschrieben, mit ihm sein 20jähriger Bruder Bernhard Jelski zum Studium der Medizin. David Jelskis Schwestern Martha und Franziska haben sich ebenfalls längere Zeit zu Ausbildungszwecken in Berlin aufgehalten. Beide waren Schülerinnen am Stern’schen Konservatorium. Die spätere Ehefrau des Bruders Bernhard, die Berliner Violinistin Margarethe Baginsky (1874-1942), studierte hier ebenfalls, dokumentiert 1889 bis 1892. Im Studienjahr 1889/90, zeitgleich mit Julius und Bernhard, befanden die 22jährige Martha Jelski und die damals 15jährige Margarethe Baginsky gleichzeitig am Konservatorium. Später, 1924/25, studierte am Stern‘schen Konservatorium auch Irene, Bernhard und Margarethe Jelskis Tochter, Gesang. Sie war David Jelskis Nichte.[8]  Seit Juli 1897 wirkte Dr. Julius Jelski, Davids ältester Bruder, als Prediger/Rabbiner an der Jüdischen Reformgemeinde in Berlin in der Johannisstraße 16, nachdem er unter anderen an der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin und an der Hochschule für die Wissenschaft des Judentums studiert hatte.[9] [10] Zwischen 1904 und 1913 lebten David Jelskis Eltern Isaac und Ida Jelski in der Doberaner Straße 4 in Schmargendorf, damals Landkreis Teltow. 1904 war der pensionierte Kantor Isaac Jelski auch im Verzeichnis der wahlfähigen Mitglieder der jüdischen Gemeinde zu Berlin verzeichnet.[11] [12] 

Am 09. Januar 1908 schlossen David Jelski und die Schneiderin Klara Liesbeth Charlotte Tautenhahn (1873-1940), geschiedene Weimar, in Berlin die Ehe.6  David Jelski war zu dem Zeitpunkt 36 Jahre alt, Klara Tautenhahn 35 Jahre. Die in Berlin geborene und evangelisch getaufte Klara Tautenhahn war vor der Ehe zum jüdischen Glauben übergetreten. 

David Jelski war mindestens 25 Jahre bei der Jüdischen Gemeinde Berlin tätig. Zuerst dokumentiert ist seine Tätigkeit ab 1907 als Kassierer im Bureau für Vermietung der Synagogenplätze, danach, 1913 als Verwaltungsbeamter und Leiter des Hauptbüros und von 1914 bis 1932 als Leiter des Steuerbüros.[13],[14] Am 21.Dezember 1930 verstarb David Jelskis Vater Isaak im Alter von fast 86 Jahren in Danzig-Langfuhr. Den Tod zeigte die Opernsängerin Irene Jelski, Nichte von David Jelski, an. Vorher war bereits Isaak Jelskis Frau Ida verstorben.3 Nach dem Tod der Eltern musste David Jelski zehn Jahre später den Verlust seiner Ehefrau erleiden. Am 16. Februar 1940 verstarb Klara Jelski mit 67 Jahren eines natürlichen Todes im Rudolf-Virchow-Krankenhaus. Der Witwer David Jelski meldete die Beerdigung am 18 Februar an, die Bestattung erfolgte drei Tage später, am 21. Februar, auf dem Jüdischen Friedhof Berlin Weißensee.12     

Über zwei Jahre später musste David Jelski wie viele seiner betagten Leidensgenossen auf Veranlassung der Gestapo einen Heimeinkaufvertrag H mit der Reichsvereinigung der Juden schließen. Mit seiner Unterschrift am 3. September 1942 wurde das letzte verbliebene Bankvermögen auf die Reichsvereinigung überschrieben und die Deportation in das Altersghetto Theresienstadt besiegelt. Die Unterschrift des Vertrages durch Vertreter der Reichsvereinigung ist auf den 16. September datiert, die Buchung am 24. September bestätigt. [15][16] Zu diesem Zeitpunkt lebte David Jelski schon nicht mehr in Berlin. Am 07. September 1942 musste er aus seiner zuletzt genannten Wohnung über das Sammellager Große Hamburger Str. 26 mit dem 58. Alterstransport Berlin in Richtung Theresienstadt verlassen.[17],[18] Die letzte genannte Adresse war „Klopstockstraße 45 ptr./b. Alexander“.[19],[20] 

Nur acht Monate später, am 9. Mai 1943, wurde die Einäscherung des 71jährigen David Jelski im Krematorium Theresienstadt vermerkt.19     

Vorher, am 26. Januar 1943, etwas über einen Monat nach ihrer Ankunft in Theresienstadt mit dem Transport XXIII/2 aus Danzig, wurden hier ebenfalls Tod und Einäscherung der 75jährigen Martha Jelski, David Jelskis Schwester, dokumentiert.  Auf der Todesfallanzeige wird als Angehöriger David Jelski, in Theresienstadt lebender Bruder, vermerkt. Als David Jelskis Adresse in Theresienstadt wurde Q 704 angegeben. Marthas Adresse lautete Q 311, Zimmer 4.[21]19

Über die Schicksale des älteren Bruders und Danziger Kinderarztes Dr. med. Bernhard Jelski und seiner Ehefrau, der in Berlin geborenen Violinistin und Geigenlehrerin Margarethe Jelski-Baginsky, berichten die Gedenkblätter ihres überlebenden Schwiegersohns Dr. Yosef Rakover in der Gedenkstätte Yad Vashem. Danach wurden Beide 1942 im Vernichtungslager Treblinka ermordet.[22] Bernhard und Margarethe Jelskis Tochter Irene (1903-), Opernsängerin, ihr Mann, der Rechtsanwalt Dr.jur. Max Sandelowski (1893-) und der gemeinsame kleine Sohn Michael (1936-) gelten, nachdem sie 1940 aus Deutschland ‚ausgebürgert‘ wurden, als in Litauen vermisst.[23][24] Die Tochter Sigrid (1909-1942) flüchtete mit ihrem 4jährigen Söhnchen in einem Versteck in den Tod. Ihr Ehemann Dr. Yosef Rakover konnte überleben und schloss sich als Arzt der Partisanengruppe um Dr. Yehezkel Atlas an.[25],[26] Überleben konnten auch Julius und Martha Jelski, geb. Klemperer (1874-1954), durch Flucht zu ihrer Tochter Lilli (1909-2007) nach Uruguay.[27] Die Söhne Walter (1903-1958) und Wilhelm (1912-1994) konnten ebenfalls durch Flucht überleben.  

Die Nachfahren tragen das Andenken an die Danziger Familie Jelski weiter.

Quellen

[1] Schulz, Michael K., Sozialgeschichte der Danziger Juden im 19. Jahrhundert, Potsdamer Jüdische Studien Vol. 6, be.bra wissenschaft verlag, 2020

[2] Dr. Michael K. Schulz, Schrift. Mitteilung vom 08.07.2021

[3] Landesarchiv, Berlin, Deutschland. Östliche preußische Provinzen, Polen, Personenstandsregister 1874-1945 Standesamt Danzig (Danzig Stadt)

[4] Bundesarchiv Berlin-Lichtenberg (BArch) R1509

[5] Das Städtische Gymnasium in Danzig von 1858 bis 1908, Festschrift zur Feier des dreihundertundfünfzigjährigen Bestehens von Prof. Dr. Georg Schoenmann.

[6] Landesarchiv, Berlin, Heiratsregister, Sterberegister

[7] Zentral- und Landesbibliothek Berlin (ZLB), Berliner Adressbücher 1799-1970

[8] Archiv der UdK Berlin; Liste der Schülerinnen und Schüler des Stern’schen Konservatoriums (1850–1936),

[9] Wikipedia Deutschland, Julius Jelski, https://de.wikipedia.org/wiki/Julius_Jelski

[10] Archiv der Humboldt Universität Berlin

[11] Schulz, Michael.K., persönliche Mitteilung vom 15.07.2021 mit Fotobeleg.

[12] Archiv Centrum Judaicum Berlin

[13] Zentral- und Landesbibliothek Berlin (ZLB), Adreßkalender für die Königlichen Residenzstädte Berlin, Potsdam, Charlottenburg und die Städte Berlin-Schöneberg, -Wilmersdorf, -Lichtenberg, Neukölln sowie für die Gemeinde Berlin-Dahlem (Public Domain)

[14] Jüdisches Adressbuch für Gross-Berlin, 1931/32

[15] Stolpersteine in Berlin – Glossar https://www.stolpersteine-berlin.de/de/glossar#letter_

[16] Bundesarchiv Berlin-Lichtenberg (BArch) R8150/548, Blatt 157

[17] BArch R8150/676

[18] Stolpersteine in Berlin – Glossar https://www.stolpersteine-berlin.de/de/glossar#letter_s

[19] ITS Digital Archive, Arolsen Archives

[20] Brandenburgisches Landeshauptarchiv, Rep. 36 A Oberfinanzpräsident Berlin-Brandenburg (II), "Vermögensverwertungsstelle", Nr. 53591/20

[21] Datenbank der Holocaust Opfer www.holocaust.cz

[22] Zentrale Datenbank der Namen der Holocaustopfer YadVashem

[23] Gesandtschaft Kaunas, Verzeichnis der reichsangehörigen Juden in Litauen

[24] Siehe auch: Leiserowitz, Ruth, „Wenn doch bloß dieser hässliche Krieg vorbei sei“ Jüdisches Leben in der ostpreußischen Provinz (1939‐1943)

[25] https://peoplepill.com/people/yosef-rakover/, abgerufen am 23.Juni 2020

[26] Organization of Partisans Underground Fighters and Ghetto Rebels in Israel http://eng.thepartisan.org/document/68521,0,407.aspx abgerufen am 22.3.2021

[27] Klemperer, Victor, Klemperer Online. 2019. Berlin, Boston: De Gruyter Oldenbourg.