Eva Kindermann

Verlegeort
Platz der Vereinten Nationen / Weydemeyerstraße
Historischer Name
Lichtenberger Str. 9
Bezirk/Ortsteil
Friedrichshain
Verlegedatum
08. September 2022
Geboren
10. April 1937 in Berlin
Deportation
am 12. Januar 1943 nach Auschwitz
Ermordet
in Auschwitz

Eva Kindermann kam am 10. April 1937 in Berlin im Krankenhaus der Jüdischen Gemeinde zur Welt. Ihre Mutter war die unverheiratete Henriette Kindermann (*1912 in Berlin), die als Hausangestellte im „Olga-Stern-Haus“, einem Altersheim des Jüdischen Frauenbundes in der Koenigsallee 11a in Berlin-Grunewald, beschäftigt gewesen war. Als Evas Vater gab sie den kaufmännischen Angestellten Heinrich Goldstein (*1911 in Berlin) an. Dieser erkannte die Vaterschaft nie offiziell an und wanderte in den späten 1930er Jahren in die USA aus. Beide Elternteile gehörten der jüdischen Religionsgemeinschaft an.

Mutter und Kind verbrachten nach der Geburt einige Monate im Säuglings- und Kleinkinderheim der Jüdischen Gemeinde Berlin in der Moltkestraße 8 in Niederschönhausen. Da Evas Erzeuger keinen Unterhalt zahlte, ihre Mutter alleinstehend war und Geld verdienen musste, war wohl früh klar, dass sie Eva in Pflege geben würde.

Anfang Oktober 1937 zogen Henriette und Eva Kindermann zunächst zu Henriettes Schwester Käthe Weigl in die Danziger Straße 9. Sie lebten dort zusammen mit Käthes Ehemann, dem Kürschner Otto Weigl, und deren 1931 geborenem Sohn Werner.

Das Ehepaar Weigl übernahm die Rolle der Pflegeeltern. In einem Pflegebericht vom August 1938 heißt es, dass Eva „sehr gut entwickelt und sehr rege für das Alter“ sei – sie war bei ihrer Geburt nicht voll ausgetragen. „Die Pflegeeltern bemühen sich sehr um das Kind und hängen mit Liebe an dem Pflegling.“

Bald darauf zog die Familie Weigl mit Eva in eine Wohnung in der Hagenauer Straße 18 im Prenzlauer Berg. Evas Mutter lebte in der Weißenburger Straße 14 (heute Kollwitzstraße) zur Untermiete. Sie hatte inzwischen den Ziegeleiarbeiter Bernhard Nachmann kennengelernt und bekam von ihm am 19. Juni 1939 eine Tochter namens Bela. Henriette Kindermann und Bernhard Nachmann heirateten im Juli 1939 und lebten fortan mit Bela in der Franseckystraße 4 (heute Sredzkistraße) im Prenzlauer Berg. Eva befand sich noch in Pflege bei ihrer Tante Käthe Weigl, die Ende August 1939 selbst noch einen Sohn namens Joachim zur Welt gebracht hatte. Henriette hatte die Absicht, ihre Tochter sobald als möglich zu sich zu nehmen. Dies scheiterte aber an ihrem schlechten Gesundheitszustand – sie war arbeitsunfähig, da sie u.a. unter Rheuma, Thrombose und Gallenblasenentzündung litt – und am mangelnden Geld, da Evas Stiefvater nur wenig verdiente. Nachdem Evas Tante Käthe Weigl mit ihrem Mann und den beiden Söhnen aus Deutschland ausgewandert war, gab die Jüdische Gemeinde Eva Kindermann in Pflege zu dem Ehepaar Schwersenz.

Der Feinmechaniker Herbert Schwersenz und seine Ehefrau Rosa, geb. Kirsch, wohnten in der Lichtenberger Straße 9 in Friedrichshain. Diese Straße existiert so nicht mehr, sie verlief einst zwischen der Palisadenstraße und der Landsberger Straße (heute Landsberger Allee). Die damalige Nr. 9 liegt heute am Platz der Vereinten Nationen / Ecke Weydemeyerstraße. Das Ehepaar Schwersenz hatte keine eigenen Kinder und betreute neben Eva noch ein weiteres Pflegekind: Günther Schwersenz, geb. am 23. Juli 1934. Ob Günther mit seinen Pflegeeltern verwandt war, ist nicht bekannt.

1941 musste das Ehepaar Schwersenz die Wohnung in der Lichtenberger Straße 9 aufgeben. Sie zogen mit ihren Pflegekindern in die Kellerwohnung von Herberts Vater Josef Schwersenz, die sich in der Friedrichsberger Straße 12 befand. Im Pflegebericht der Jüdischen Gemeinde vom Juli 1941 heißt es: „Die Wohnung ist sauber gehalten, die Kinder werden gut versorgt.“

Herbert Schwersenz musste Zwangsarbeit in einer Fabrik für Feinmechanik, Optik und Mikroskopebau in der Kesselstraße 9 in Mitte (heute Habersaathstraße) leisten. Sein 70-jähriger Vater war bei der Straßenreinigung zwangsverpflichtet.

Seit Mitte Mai 1942 wohnte das Ehepaar Schwersenz mit seinen beiden Pfleglingen in einer Zwei-Zimmer-Wohnung in der Strausberger Straße 24.

Günther Schwersenz wurde am 29. November 1942 mit dem 23. Osttransport nach Auschwitz deportiert und ermordet. Die 5-jährige Eva Kindermann wurde mit ihren Pflegeeltern Herbert und Rosa Schwersenz vom Sammellager in der Großen Hamburger Straße 26 am 12. Januar 1943 mit dem 26. Osttransport nach Auschwitz verschleppt und ermordet. Warum der 8-jährige Günther zu einem früheren Zeitpunkt und ohne seine Pflegeeltern deportiert wurde, ist nicht bekannt.

Evas Mutter Henriette, deren Ehemann Bernhard Nachmann und Evas Halbschwester Bela waren ebenfalls unter den 1190 Deportierten, die mit dem 26. Osttransport nach Auschwitz verschleppt wurden. Henriette und Bela Nachmann wurden vermutlich unmittelbar nach der Ankunft in einer der Gaskammern ermordet. Bernhard Nachmann überlebte die Shoah, gründete nach dem Krieg erneut eine Familie und wanderte 1949 in die USA aus.