Herbert Schwersenz

Verlegeort
Platz der Vereinten Nationen / Weydemeyerstraße
Historischer Name
Lichtenberger Str. 9
Bezirk/Ortsteil
Friedrichshain
Verlegedatum
08. September 2022
Geboren
09. Dezember 1904 in Mlynietz (Westpreußen) / Młyniec Drugi
Beruf
Feinmechaniker
Deportation
am 12. Januar 1943 nach Auschwitz
Ermordet
in Auschwitz

Herbert Schwersenz kam am 9. Dezember 1904 in Mlynietz in Westpreußen als Sohn von Josef und Flora Schwersenz zur Welt. Sein Vater, der eigentlich Schneider von Beruf war, betrieb im Dorf Mlynietz (polnisch Młyniec Drugi), das 18 km östlich von Thorn liegt, eine Gastwirtschaft. Herbert, der einer jüdischen Familie entstammte, hatte drei Geschwister: Reinhold (*1906), Erna (*1907) und Paula (*1910). Seine Mutter verstarb jung. Über die Kindheit und Jugend von Herbert Schwersenz haben sich ansonsten keine Informationen erhalten.

Die Familie übersiedelte Anfang der 1920er Jahre nach Berlin, da das Gebiet um Thorn nach dem Ende des Ersten Weltkriegs nach dem Friedensvertrag von Versailles an die neuerrichtete Republik Polen abgetreten werden musste.

Herbert Schwersenz erlernte den Beruf des Feinmechanikers. Er heiratete wahrscheinlich um 1933 Rosa Kirsch, geb. am 27. Oktober 1905 in Freystadt (Westpreußen). Auch sie gehörte der jüdischen Religionsgemeinschaft an.

Mit der schrittweisen Entrechtung und Verfolgung von Juden seit 1933 begannen auch Zwangsmaßnahmen gegen die Familie Schwersenz. Darunter fielen zahlreiche Maßnahmen der Diskriminierung und sozialen Ausgrenzung, des Entzugs staatsbürgerlicher Rechte sowie der Verdrängung aus dem Berufs- und Wirtschaftsleben.

Das Ehepaar Schwersenz wohnte seit 1934 in der Lichtenberger Straße 9 in Friedrichshain. Diese Straße existiert so nicht mehr, sie verlief einst zwischen der Palisadenstraße und der Landsberger Straße (heute Landsberger Allee). Die damalige Nr. 9 liegt heute am Platz der Vereinten Nationen / Ecke Weydemeyerstraße. Da das Ehepaar keine eigenen Kinder hatte, nahmen sie durch Vermittlung der Jüdischen Gemeinde zu Berlin zwei Pflegekinder bei sich auf: Eva Kindermann (*1937) und Günther Schwersenz (*1934). Ob Günther mit seinen Pflegeeltern verwandt war, ist nicht bekannt.

1941 musste das Ehepaar Schwersenz die Wohnung in der Lichtenberger Straße 9 aufgeben und mit seinen Pflegekindern zu Herberts Vater in dessen Kellerwohnung in der Friedrichsberger Straße 12 ziehen. Herbert Schwersenz musste Zwangsarbeit in einer Fabrik für Feinmechanik, Optik und Mikroskopebau in der Kesselstraße 9 in Mitte (heute Habersaathstraße) leisten. Sein 70-jähriger Vater war bei der Straßenreinigung zwangsverpflichtet.

Seit Mitte Mai 1942 wohnte das Ehepaar Schwersenz mit seinen beiden Pfleglingen in einer Zwei-Zimmer-Wohnung in der Strausberger Straße 24.

Günther Schwersenz wurde am 29. November 1942 mit dem 23. Osttransport nach Auschwitz deportiert und ermordet. Herbert und Rosa Schwersenz wurden mit der 5-jährigen Eva Kindermann vom Sammellager in der Großen Hamburger Straße 26 am 12. Januar 1943 mit dem 26. Osttransport nach Auschwitz verschleppt und ermordet. Warum der 8-jährige Günther zu einem früheren Zeitpunkt und ohne seine Pflegeeltern deportiert wurde, ist nicht bekannt.

Mit dem 26. Osttransport wurden auch Herberts Schwester Erna, ihr Ehemann Ludwig Schück und die Tochter Dorothea nach Auschwitz verschleppt und ermordet.

Die Schwester Paula wurde mit ihrem Mann Kurt Landeck und der Tochter Bela am 4. März 1943 mit dem 34. Osttransport nach Auschwitz deportiert und ermordet.

Herberts Bruder Reinhold war bereits im Februar 1941 im Krankenhaus der Jüdischen Gemeinde an einem Lungenriss verstorben, den er wahrscheinlich bei der Zwangsarbeit durch die Verletzung mit einem Traktor erlitten hatte. Reinhold Schwersenz' Ehefrau Charlotte, geb. Segall, wurde mit den Kindern Heinz, Gittel und Zilla am 19. Oktober 1942 mit dem 21. Osttransport nach Riga deportiert und am 22. Oktober ermordet.

Herberts Vater Josef Schwersenz wurde am 17. März 1943 mit dem 4. großen Alterstransport nach Theresienstadt verschleppt. Er überstand die im Ghetto grassierenden Krankheiten, die Mangelernährung, die schlechte Unterkunft sowie die trostlose hygienische Situation. Er heiratete dort sogar eine entfernte Verwandte, Regina Breslauer, geb. Fränkel, geb. 1878 in Punitz (Posen). Sie war am 28. Oktober 1942 mit dem 68. Alterstransport aus Berlin nach Theresienstadt verschleppt worden.

Das Ehepaar hatte das Glück, zu einem Transport von 1200 Menschen zu gehören, der am 5. Februar 1945 aus dem Ghetto in die Schweiz abfuhr.

Von einer jüdischen Organisation um Unterstützung gebeten, nutzte der wegen seiner pro-faschistischen Einstellung in der Kritik stehende Schweizer Alt-Bundespräsident Jean-Marie Musy seine Beziehungen zu Himmler, um die Befreiung jüdischer Gefangener aus Theresienstadt zu erreichen. Seine Schuld am Holocaust und den Untergang des nationalsozialistischen Deutschen Reiches vor Augen, versuchte Heinrich Himmler offenbar mit der Rettung von Juden zukünftige Strafen für seine Verbrechen zu mildern. Weitere erhoffte Transporte scheiterten am persönlichen Veto Adolf Hitlers.

Die Befreiten trafen am 7. Februar 1945 in St. Gallen ein und wurden in verschiedenen Orten der Schweiz untergebracht. Josef Schwersenz verbrachte seine letzten Lebensjahre mit seiner Ehefrau in einem Altersheim in der am Genfersee gelegenen Stadt Vevey, wo er am 15. Februar 1953 starb.