Gertrud Dorothea Coper geb. Jacobowitz

Verlegeort
Sarrazinstr. 22
Historischer Name
Bismarckstr.8
Bezirk/Ortsteil
Friedenau
Verlegedatum
03. August 2022
Geboren
13. Mai 1892 in Halle
Deportation
am 17. November 1941 nach Kowno Fort IX
Ermordet
25. November 1941 in Kowno Fort IX

Gertrud Dorothea Jacobowitz wurde am 13. Mai 1892 in Halle an der Saale geboren.Gertruds Eltern waren Adolf Jacobowitz und Bianka, geborene Frank. Am 27. November 1913 heiratete sie Hermann Coper. Zur Zeit ihrer Heirat war die Mutter von Gertrud bereits verstorben (1861 – 1899).

Hermann Coper arbeitete als Pelzeinkäufer in der Damenkonfektion.

Am 3. Oktober 1914 wurde ihre Tochter Bianca geboren, benannt nach Gertruds Mutter.

Im Ersten Weltkrieg war Hermann Coper Frontsoldat.

Am 20. Januar 1920 wurde ihre Tochter Ilse Henriette geboren, benannt nach Hermanns Mutter.

Die Familie wohnte in der Birkbuschstraße 6 in Steglitz.

1919 zogen sie nach Friedenau, zunächst wohnten sie in der Fröaufstraße.

Im April 1930 zog die Familie in die Bismarckstr. 8 in Friedenau - ab 1937 Jänischallee, seit 1947 Sarrazinstraße 22 - in das Haus, das der zweiten Ehefrau von Adolf Jacobowitz gehörte. Es war ein großes Mietshaus; 1938 waren darin vierzehn Mietparteien aufgeführt.

Clara Jacobowitz, geborene Wolff, geboren am 7. Juni 1867 in Groß Strehlitz, Oberschlesien hatte am 31. Dezember 1915 in Berlin Friedenau Adolf Jacobowitz geheiratet. Als Beruf gab sie an: Privatlehererin; Adolf war Rentner.

In diesem Haus hatte die Familie eine eigene Vierzimmerwohnung. Das Verhältnis der Familie zu der Stiefmutter von Gertrud war wohl sehr gut, denn Ilse Henriette schreibt in ihrem Lebenslauf, dass ihre Stiefgroßmutter – Clara Jacobowitz – sowohl die Kosten für das Lyzeum als auch das spätere Chemie-Studium bezahlen wollte.

Die ältere Tochter Bianca besuchte nach der Grundschule das Lorenz-Lyzeum. Im April 1931 machte sie Abitur und hatte besonders gute Noten in Englisch und Französisch. Zur Vervollkommnung ihrer Sprachkenntnisse zog sie nach London zu Verwandten ihrer Mutter. Dort besuchte sie die  Handelsschule „Clark’s College“, wo sie englische und französische Korrespondenz lernte. Im Juni 1934 kehrte sie nach Berlin zurück, um eine Stelle als Auslandskorrespondentin anzutreten. Dieser Plan konnte jedoch aufgrund der Nazi-Verordnungen gegen Juden nicht verwirklicht werden. Bianca musste sich regelmäßig bei der Auslandsabteilung der NSDAP melden, wo sie zu in London lebenden Deutsche befragt wurde. Sie gab privat Sprachunterricht und besuchte die private Modezeichenschule von Feige-Strassburger in Berlin-Wilmersdorf sowie die Hirsch’sche Zuschneideschule am Spittelmarkt. Nach Beendigung dieser Ausbildung arbeitete sie als Zuschneiderin.

Auch Ilse Henriette besuchte nach der Grundschule das Lorenz-Lyzeum in Friedenau in der Schmargendorfer Straße. Nach der Machtergreifung Hitlers konnte sie noch das Gymnasium besuchen, weil ihr Vater Frontsoldat im Ersten Weltkrieg gewesen war. Sie war in ihrer Klasse die einzige Jüdin. 1935 befand sie sich in der Untersekunda. Nach dem Abitur wollte sie Chemie studieren, doch ihre Eltern schickten sie nach England, wo sie als Fünfzehnjährige als Näherin in Fabriken arbeiten musste.

Die Schwester Bianca wurde von den Eltern am letzten Tag des Jahres 1938 nach London geschickt, um ihre Schwester Ilse Henriette zu besuchen. Während dieses Aufenthalts erhielt sie von ihren Eltern die Mitteilung, dass man zurückreisenden Juden aus dem Ausland die Pässe entziehen würde und dass sie deshalb in England bleiben solle.

Bis Juli 1939 hatte sie in England keine Arbeit. Schließlich arbeitete sie zwei Jahre als Hausangestellte bei Familien in London und Kent. Im Jahr 1940 hatte sie eine Stelle als Zuschneiderin in einer Londoner Oberhemdenfabrikation.

Die Eltern der Mädchen wollten ebenfalls emigrieren, doch gelang es ihnen nicht mehr. Am 13. November 1941 mussten sie die sechzehnseitigen Vermögenserklärungen ausfüllen.Gertrud trug in die Liste ein, dass sie Zwangsarbeit bei der Mützen- und Uniformfabrik Carl Halfar leisten musste und einen Monatslohn von 42 RM erhielt. Sie arbeitete in der Fabrik als „Ausfertigerin für Korkhelme“, d.h. für Tropenhelme, die aus Kork gefertigt wurden.

Hermann war Lagerarbeiter beim Reichsreifenlager des Wehrkreiskommandos III und erhielt einen Stundenlohn von 71 1/2 Pfennige.

Beide füllten die Formulare akribisch genau aus – vom Kleiderschrank zu Frottiertüchern zu persönlicher Kleidung. Hermann: 1 Hut, 1 Pullover, 1 Paar Handschuhe. Gertrud: 1 Wollkleid, 1 Seidenkleid,1 Handtasche. Auch gaben beide gemeinsam ihr Geld-„vermögen“ mit 462 RM an. Aber: Sowohl Hermann als auch Gertrud trugen in die Liste ein, dass sie keine Kinder – weder in ihrem Haushalt, noch außerhalb hätten. Mit Sicherheit wollten sie damit Bianca und Ilse Henriette schützen.

Die Verfügung darüber, dass ihr Vermögen „zugunsten des Deutschen Reiches“ eingezogen sei, wurde ihnen vom Gerichtsvollzieher zugestell

Am 17. November 1941 wurden sie gemeinsam nach Kowno (Kaunas) im von der Wehrmacht besetzten Litauen deportiert. Sie wurden unmittelbar nach ihrer Ankunft ermordet. Hermann Coper war 56 und Gertrud Coper war 50 Jahre alt.

Als das Ehepaar bereits in Kowno ermordet worden war, wurde ihre letzte Habe aufgelistet, bewertet und einkassiert:

Das Inventar der Wohnung wurde auf 100 RM geschätzt und der Betrag an die Stadtbank überwiesen.

Im Dezember 1941 wurde noch ein Restlohn für Hermann in Höhe von 3 RM und 4 Pfennige an das Finanzamt überwiesen.

Im April 1943 überwies die Commerzbank an das Finanzamt das Sparguthaben der Familie in Höhe von 528,95 RM.

Noch im Juni 1944 wurden von der GASAG an das Finanzamt 11,18 RM überwiesen. Das war ein Guthaben, das sich aus der Vorauszahlung für Gaslieferung ergeben hatte.

Clara Jacobowitz wohnte noch bis 1942 in dem Haus. Sie musste erleben, wie Gertrud und Hermann deportiert wurden. Ein knappes Jahr später, am 14. September 1942, wurde sie nach Theresienstadt gebracht. Der Zug fuhr von Berlin-Moabit (Putlitzstrasse) ab und kam einen Tag später in Theresienstadt an. Die Gestapo bestellte bei der Deutschen Reichsbahn einen Zug, und dieser wurde unter der Nummer Da 514 bereitgestellt. Der sogenannte 2. Große Alterstransport bestand aus 1000 Menschen, darunter 82 Bewohner des Berliner Heims für Blinde und Gehörlose. Clara starb kurz nach ihrer Ankunft, am 31. Oktober 1942. Sie war 74 Jahre alt.

Bianca arbeitete von 1944 bis 1946 als Korrespondentin beim Englischen Suchdienst in London. Bianca heiratete 1944 den am 3. Mai 1882 geborenen Dr. jur. Ernst Salinger. Ernst Salinger kam ebenfalls aus Berlin und wurde in der Heiratsurkunde als Bäcker bezeichnet. Es war seine dritte Ehe. Ihr Sohn Ralph wurde am 2. Dezember 1946 geboren. Ernst Salinger starb im Februar 1950. Erst im Januar 1958 wurde Bianca wieder berufstätig und arbeitete halbtags als Stenotypistin.

Bianca verheiratete sich in zweiter Ehe mit Siegfried Rothmann. Das Paar lebte in Wellington, Neuseeland. Hier starb Siegfried Rothman im Februar 1985.

Bianca zog zu ihrem Sohn Ralph nach Israel. Sie starb am 4. Juli 2004 in Kfar Ruppin, einem Kibbuz in Nord-Israel.

Am 10. März 1946 heiratete Ilse Henriette den Witwer Erich Siegfried Wolffberg, der aus Frankfurt am Main geflohen war. Am 23. Oktober 1953 wurde ihre Tochter Doreen geboren. Zu dieser Zeit war sie als Näherin beschäftigt.

Doreen heiratete Barry Sarl. Sie bekamen zwei Kinder: Sabrina, geboren am 28. Juli 1989 und Eliot, geboren am 18. Mai 1992.