Wilfrid Israel wurde am 11. Juli 1899 in London geboren. Sein Vater Berthold Israel (1868–1935) war der Enkel von Nathan Israel, dem Gründer des ältesten und lange Zeit größten Kaufhauses von Berlin. Das Unternehmen „N. Israel“ hatte ein für die damalige Zeit riesiges Warenangebot, das auch per Versandkatalog zu beziehen war. Die Israels waren eine der ältesten jüdischen Familien Berlins, die schon unter Friedrich dem Großen zu sogenannten „Schutzjuden“ erklärt worden waren. Wilfrids Mutter Amy Solomon (1872–1954) kam aus einer der angesehensten Familien Londons, der Familie Adler. Diese Gelehrtenfamilie mit deutschen Wurzeln stellte mehrmals den Oberrabbiner des Commonwealth. Sie war eine sehr gebildete Frau, die sich gern mit den verschiedensten Intellektuellen umgab und bei Tisch, obwohl sie fließend Deutsch sprach, auf das Englische bestand. <br />
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So wurde Wilfrid Israel in eine Familie von Gelehrten und erfolgreichen Unternehmern hineingeboren, die die jüdisch-deutsche Symbiose perfekt symbolisierte. Sein Vater war glühender Nationalist, der zuweilen die Deutschnationale Volkspartei unterstützte, aber an mancher jüdischen Tradition festhielt und das Kaufhaus am Schabbat nicht öffnete. Seine Mutter brachte in die Familie noch viel britische Erziehung hinein. Somit wurde der Sohn Wilfrid von klein auf sowohl in englischer Literatur, Kunst (gerade der italienischen) sowie Hebräisch und der Bibel unterrichtet. Nach dem Gymnasium hegte er eigentlich den Wunsch zu studieren, besonders Oxford reizte ihn. Doch dieser Wunsch wurde durch den Ausbruch des Ersten Weltkrieges zunichte gemacht. Er war überzeugter Pazifist und nahm nicht am Krieg teil, nur dank seiner Familie konnte er davor bewahrt werden, vor ein Militärgericht gestellt zu werden. In dieser Zeit gründete sich im Berliner Scheunenviertel ein Jüdisches Volksheim, wo Wilfrid Israel mit den Ideen des Zionismus und der jüdischen Kultur in Osteuropa in Kontakt kam. <br />
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Nach dem Krieg nahm er an seiner ersten Hilfsmission teil, der Verteilung von Nahrungsmitteln an die in Deutschland notleidende Bevölkerung, gemeinsam mit Quäkern und dem Roten Kreuz unter der Leitung von Elisabeth Rotten. In den folgenden Jahren reiste er durch Europa und Asien. Dabei sah er nicht nur das Elend und die Verfolgung, unter denen Juden in Osteuropa damals zu leiden hatten, er besuchte auch „Eretz Israel“ und traf in Indien auf Verbindungen zwischen jüdischer und buddhistischer Kultur. Diese Reise prägte seine Weltsicht, denn zum einen festigte sie seine zionistischen Ideale – wobei er auch die arabische Bevölkerung im Blick hatte und eher eine Zwei-Staaten-Lösung anstrebte – ebenso wie sein revolutionäres Streben nach einer anderen Form von Gesellschaft. <br />
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Um 1926 wurde er Vorsitzender der Berliner „Waisenhilfe“, die jüdische Kinder aus Osteuropa nach Palästina brachte. In derselben Zeit trat er auch ins elterliche Unternehmen ein, was ihm im Grunde als Erbe mit nur einer älteren Schwester und einem jüngeren Bruder von klein auf bestimmt gewesen war. Zwar war „N. Israel“ in Bezug auf Altersvorsorge u.Ä. schon immer vorbildlich gewesen, dennoch legte Wilfrid Israel einen anderen Führungsstil an den Tag. Er galt als offener und fürsorglicher Chef, der die Hierarchie des Hauses gerne mal dadurch untergrub, dass er einer kleinen Kassiererin ebenso sein Ohr lieh wie einem Abteilungsleiter. Für ihn galten auch politische Einstellung und Religionszugehörigkeit nichts, bei „N. Israel“ waren schon unter seinem Vater alle Strömungen vertreten. Er gründete zudem eine private Handelsschule für die Lehrlinge der Firma, in der diese sowohl den Produktionsablauf der Produkte kennenlernten als auch sämtliche Abteilungen des Kaufhauses. Die Weltwirtschaftskrise überlebte das Haus nur dank der Sparsamkeit von Berthold Israel, den neuen Methoden für Organisation und Buchhaltung, die Herbert Israel, der jüngere Bruder, aus seiner Studienzeit mitbrachte und dem guten Verhältnis, dass zwischen Angestellten und Eigentümern herrschte, was stark mit Wilfrid Israel verbunden war.<br />
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Dies sollte ihn während des Nationalsozialismus einige Male retten, da er mehrfach zum Beispiel vor Verhaftungen gewarnt wurde. Schon vor der Machtergreifung hatte er die Gefahr, die von den Nazis ausging, erkannt und immer wieder in seinem Umfeld, das aus linksgerichteten Intellektuellen, Zionisten und anderen Unternehmern bestand, davor gewarnt. Allein in den ersten Monaten nach der Machtergreifung wurde Wilfrid Israel zweimal verhaftet: das erste Mal, weil er seinem Freund Ernst Friedrich, dem Initiator des „Antikriegsmuseums“, helfen wollte, und kurz vor dem ersten antijüdischen Boykott am 30. März 1933. Dennoch kam es nicht zur Liquidierung des Betriebes, was zu dieser Zeit noch sehr leicht gewesen wäre und der gesamten Familie Israel einige Vorteile verschafft hätte. Man verließ sich darauf, dass die Nazis den Betrieb, weil er ein englischer war, nicht antasten würden, ebenso wenig wie die Familie, die alle auch britische Pässe hatten.<br />
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In dieser Zeit unterstütze Wilfrid Israel eine Gruppe namens „Werkleute“ die einen Kibbuz in Palästina gründen wollten und dies später auch taten. Außerdem begann zu diesem Zeitpunkt seine geheime Arbeit, um Juden die Ausreise aus Deutschland zu ermöglichen. Er sondierte insbesondere bei britischen und amerikanischen Wohltätigkeitsorganisationen die Bereitschaft, dabei behilflich zu sein. Ebenso versuchte er, Regierungen durch Berichte über die Lage der Juden zur Aufnahme von Flüchtlingen zu bewegen, und drängte die britische Regierung, ihre Einreisesperre in das damalige Mandatsgebiet Palästina aufzuheben. <br />
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Bis 1938 engagierte er sich vornehmlich für die Jugend-Alijah, danach versuchte er mittels Kontakten zu Gestapo und britischer Diplomatie Menschen aus den Lagern zu befreien. Bei der Rettung von mindestens 18 000 Kindern und Jugendlichen spielte er somit eine wichtige Rolle. Er verließ Berlin kurz vor dem Beginn des Krieges und lebte von da an in London im Exil, ebenso wie der Rest seiner Familie bis auf seinen Vater, der 1935 gestorben war. Dort engagierte er sich weiterhin für die Ausreise von Juden aus Deutschland, doch dies wurde durch den Krieg sehr erschwert. Hinzu kam noch, dass deutsche Flüchtlinge, zumeist Juden, in Großbritannien zu dieser Zeit interniert wurden, da sie unter dem generalverdacht der Spionage standen. Er nutzte seine britischen Kontakte, um sich für deren Freilassung einzusetzen. <br />
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Ab 1941 war er als Berater im Foreign Research and Press Service angestellt, sein Wirken dort hatte später auf die Nachkriegspolitik, insbesondere die Flüchtlingspolitik, Großbritanniens direkten Einfluss. Seine letzte Reise ab März 1943 hatte zum Ziel, möglichst vielen Flüchtlingen in Portugal und Spanien Einreisezertifikate nach Palästina zu verschaffen; zudem wollte er Möglichkeiten zur Rettung von Kindern aus Vichy-Frankreich sondieren. Mehr oder weniger erfolgreich wollte er am 1. Juni 1943 nach London zurückkehren, doch sein Flugzeug wurde von einer Messerschnitt über dem Golf von Biscaya abgeschossen. <br />
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Über Wilfrid Israel kursieren seitdem unterschiedliche Darstellungen, jeweils geprägt von den vielen verschiedenen Persönlichkeiten, mit denen er Umgang pflegte. Was sein Privatleben betraf, war Wilfrid Israel äußerst diskret. Er galt als verschlossener Mann, zwar der perfekte britische Gentleman und doch ein deutscher Jude. Er war nie verheiratet, vielleicht weil er homosexuell war. Doch dies ist nur eine Vermutung, offen hat er sich nie dazu geäußert, was daran liegen mag, dass sein Onkel sich nach einer öffentlichen Diffamierung als homosexuell das Leben genommen hatte. Er wird als einsamer Mensch beschrieben, seine Briefe legen Zeugnis davon ab. Die Charakterisierung als Geschäftsmann, Philanthrop, Pazifist und Retter von vielen Menschenleben im Nationalsozialismus scheint daher wohl am passendsten.<br />
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HINWEIS: Aufgrund von Baumaßnahmen wurde dieser Stolperstein entnommen und wird nach Abschluss der Bauarbeiten wieder eingesetzt.
So wurde Wilfrid Israel in eine Familie von Gelehrten und erfolgreichen Unternehmern hineingeboren, die die jüdisch-deutsche Symbiose perfekt symbolisierte. Sein Vater war glühender Nationalist, der zuweilen die Deutschnationale Volkspartei unterstützte, aber an mancher jüdischen Tradition festhielt und das Kaufhaus am Schabbat nicht öffnete. Seine Mutter brachte in die Familie noch viel britische Erziehung hinein. Somit wurde der Sohn Wilfrid von klein auf sowohl in englischer Literatur, Kunst (gerade der italienischen) sowie Hebräisch und der Bibel unterrichtet. Nach dem Gymnasium hegte er eigentlich den Wunsch zu studieren, besonders Oxford reizte ihn. Doch dieser Wunsch wurde durch den Ausbruch des Ersten Weltkrieges zunichte gemacht. Er war überzeugter Pazifist und nahm nicht am Krieg teil, nur dank seiner Familie konnte er davor bewahrt werden, vor ein Militärgericht gestellt zu werden. In dieser Zeit gründete sich im Berliner Scheunenviertel ein Jüdisches Volksheim, wo Wilfrid Israel mit den Ideen des Zionismus und der jüdischen Kultur in Osteuropa in Kontakt kam.
Nach dem Krieg nahm er an seiner ersten Hilfsmission teil, der Verteilung von Nahrungsmitteln an die in Deutschland notleidende Bevölkerung, gemeinsam mit Quäkern und dem Roten Kreuz unter der Leitung von Elisabeth Rotten. In den folgenden Jahren reiste er durch Europa und Asien. Dabei sah er nicht nur das Elend und die Verfolgung, unter denen Juden in Osteuropa damals zu leiden hatten, er besuchte auch „Eretz Israel“ und traf in Indien auf Verbindungen zwischen jüdischer und buddhistischer Kultur. Diese Reise prägte seine Weltsicht, denn zum einen festigte sie seine zionistischen Ideale – wobei er auch die arabische Bevölkerung im Blick hatte und eher eine Zwei-Staaten-Lösung anstrebte – ebenso wie sein revolutionäres Streben nach einer anderen Form von Gesellschaft.
Um 1926 wurde er Vorsitzender der Berliner „Waisenhilfe“, die jüdische Kinder aus Osteuropa nach Palästina brachte. In derselben Zeit trat er auch ins elterliche Unternehmen ein, was ihm im Grunde als Erbe mit nur einer älteren Schwester und einem jüngeren Bruder von klein auf bestimmt gewesen war. Zwar war „N. Israel“ in Bezug auf Altersvorsorge u.Ä. schon immer vorbildlich gewesen, dennoch legte Wilfrid Israel einen anderen Führungsstil an den Tag. Er galt als offener und fürsorglicher Chef, der die Hierarchie des Hauses gerne mal dadurch untergrub, dass er einer kleinen Kassiererin ebenso sein Ohr lieh wie einem Abteilungsleiter. Für ihn galten auch politische Einstellung und Religionszugehörigkeit nichts, bei „N. Israel“ waren schon unter seinem Vater alle Strömungen vertreten. Er gründete zudem eine private Handelsschule für die Lehrlinge der Firma, in der diese sowohl den Produktionsablauf der Produkte kennenlernten als auch sämtliche Abteilungen des Kaufhauses. Die Weltwirtschaftskrise überlebte das Haus nur dank der Sparsamkeit von Berthold Israel, den neuen Methoden für Organisation und Buchhaltung, die Herbert Israel, der jüngere Bruder, aus seiner Studienzeit mitbrachte und dem guten Verhältnis, dass zwischen Angestellten und Eigentümern herrschte, was stark mit Wilfrid Israel verbunden war.
Dies sollte ihn während des Nationalsozialismus einige Male retten, da er mehrfach zum Beispiel vor Verhaftungen gewarnt wurde. Schon vor der Machtergreifung hatte er die Gefahr, die von den Nazis ausging, erkannt und immer wieder in seinem Umfeld, das aus linksgerichteten Intellektuellen, Zionisten und anderen Unternehmern bestand, davor gewarnt. Allein in den ersten Monaten nach der Machtergreifung wurde Wilfrid Israel zweimal verhaftet: das erste Mal, weil er seinem Freund Ernst Friedrich, dem Initiator des „Antikriegsmuseums“, helfen wollte, und kurz vor dem ersten antijüdischen Boykott am 30. März 1933. Dennoch kam es nicht zur Liquidierung des Betriebes, was zu dieser Zeit noch sehr leicht gewesen wäre und der gesamten Familie Israel einige Vorteile verschafft hätte. Man verließ sich darauf, dass die Nazis den Betrieb, weil er ein englischer war, nicht antasten würden, ebenso wenig wie die Familie, die alle auch britische Pässe hatten.
In dieser Zeit unterstütze Wilfrid Israel eine Gruppe namens „Werkleute“ die einen Kibbuz in Palästina gründen wollten und dies später auch taten. Außerdem begann zu diesem Zeitpunkt seine geheime Arbeit, um Juden die Ausreise aus Deutschland zu ermöglichen. Er sondierte insbesondere bei britischen und amerikanischen Wohltätigkeitsorganisationen die Bereitschaft, dabei behilflich zu sein. Ebenso versuchte er, Regierungen durch Berichte über die Lage der Juden zur Aufnahme von Flüchtlingen zu bewegen, und drängte die britische Regierung, ihre Einreisesperre in das damalige Mandatsgebiet Palästina aufzuheben.
Bis 1938 engagierte er sich vornehmlich für die Jugend-Alijah, danach versuchte er mittels Kontakten zu Gestapo und britischer Diplomatie Menschen aus den Lagern zu befreien. Bei der Rettung von mindestens 18 000 Kindern und Jugendlichen spielte er somit eine wichtige Rolle. Er verließ Berlin kurz vor dem Beginn des Krieges und lebte von da an in London im Exil, ebenso wie der Rest seiner Familie bis auf seinen Vater, der 1935 gestorben war. Dort engagierte er sich weiterhin für die Ausreise von Juden aus Deutschland, doch dies wurde durch den Krieg sehr erschwert. Hinzu kam noch, dass deutsche Flüchtlinge, zumeist Juden, in Großbritannien zu dieser Zeit interniert wurden, da sie unter dem generalverdacht der Spionage standen. Er nutzte seine britischen Kontakte, um sich für deren Freilassung einzusetzen.
Ab 1941 war er als Berater im Foreign Research and Press Service angestellt, sein Wirken dort hatte später auf die Nachkriegspolitik, insbesondere die Flüchtlingspolitik, Großbritanniens direkten Einfluss. Seine letzte Reise ab März 1943 hatte zum Ziel, möglichst vielen Flüchtlingen in Portugal und Spanien Einreisezertifikate nach Palästina zu verschaffen; zudem wollte er Möglichkeiten zur Rettung von Kindern aus Vichy-Frankreich sondieren. Mehr oder weniger erfolgreich wollte er am 1. Juni 1943 nach London zurückkehren, doch sein Flugzeug wurde von einer Messerschnitt über dem Golf von Biscaya abgeschossen.
Über Wilfrid Israel kursieren seitdem unterschiedliche Darstellungen, jeweils geprägt von den vielen verschiedenen Persönlichkeiten, mit denen er Umgang pflegte. Was sein Privatleben betraf, war Wilfrid Israel äußerst diskret. Er galt als verschlossener Mann, zwar der perfekte britische Gentleman und doch ein deutscher Jude. Er war nie verheiratet, vielleicht weil er homosexuell war. Doch dies ist nur eine Vermutung, offen hat er sich nie dazu geäußert, was daran liegen mag, dass sein Onkel sich nach einer öffentlichen Diffamierung als homosexuell das Leben genommen hatte. Er wird als einsamer Mensch beschrieben, seine Briefe legen Zeugnis davon ab. Die Charakterisierung als Geschäftsmann, Philanthrop, Pazifist und Retter von vielen Menschenleben im Nationalsozialismus scheint daher wohl am passendsten.
HINWEIS: Aufgrund von Baumaßnahmen wurde dieser Stolperstein entnommen und wird nach Abschluss der Bauarbeiten wieder eingesetzt.