Paula Engel geb. Engel

Verlegeort
Sybelstr. 18
Bezirk/Ortsteil
Charlottenburg
Verlegedatum
30. Juli 2005
Geboren
23. November 1885 in Bad Warmbrunn (Schlesien) / Cieplice Śląskie-Zdrój
Deportation
am 13. Januar 1942 nach Riga
Ermordet
in Riga

Paula Engel kam am 23. November 1885 in Bad Warmbrunn im Riesengebirge auf die Welt, heute heißt der Ort Cieplice Śląskie-Zdrój und ist ein Stadtteil von Jelenia Góra (Hirschberg) in Polen. Sie war das jüngste Kind des jüdischen Kaufmanns Joseph Engel (1845–1915) und seiner Ehefrau Johanna, geb. Werner (1847/48–1930) . Ihr Vater besaß ein großes Textilwarengeschäft. Paula Engel hatte fünf Schwestern und einen Bruder: die Schwestern Gertrud (*1873), Rosalie/Rosa (*1876), Else (*1879), Henriette (*1882) und Margarethe (*1884) sowie den Bruder Otto (*1874).

Bad Warmbrunn war ein bekanntes Kurbad im Riesengebirge. Im Zentrum des Ortes lag und liegt bis heute das Schloss der Reichsgrafen von Schaffgotsch. Nicht weit entfernt von Schloss und Schlosspark befanden sich in der Hermsdorfer Straße 2 das Geschäft und die Wohnung der Familie Engel. – Paula Engel lebte – wie es üblich war – bis zur Hochzeit bei den Eltern. Ein Jahr nach der Hochzeit ihrer Schwester Margarethe heiratete sie am 11. Juni 1907 den 1872 geborenen Kaufmann Wilhelm (Willy) Engel.

Wilhelm Engel war, wie auch seine vier (?) Geschwister, in Breslau als Kind des Kaufmanns Leopold (Löbel) Engel und der Bertha Engel (geb. Joseph) auf die Welt gekommen. Seine Familie war schon früh nach Berlin gezogen, sein Vater Leopold Engel ist das erste Mal Anfang der 1890er-Jahre mit der Anschrift Am Wasser 20 (heute das Märkische Ufer) im Berliner Adressbuch verzeichnet. Der Vater war Anfang 1893 gestorben, und die Mutter war danach mehrere Male umgezogen. Im Jahr der Hochzeit wohnte Wilhelm Engel mit seiner Mutter (die nur einen Monat nach der Hochzeit ihres Sohnes sterben sollte) in der Schäferstraße, einer heute nicht mehr existierenden Straße in Berlin-Mitte.

Am 16. November 1908 wurde in der Schäferstraße 11 der Sohn Leopold des jungen Ehepaares geboren. Die Familie blieb nur noch kurze Zeit in der Mitte von Berlin.

Wilhelm Engel war Mitbesitzer eines Großhandels für Besatzartikel/Tressen, Garne und Kurzwaren, der 1902 gegründeten Firma Georg Flach & Engel. Die Firma hatte ihren Sitz im Berliner Konfektionsviertel rund um den Hausvogteiplatz, anfangs in der Niederwallstraße, später in der Jerusalemer Straße. Die Geschäfte müssen sehr gut gegangen sein, denn Paula Engel und ihre Familie zogen weiter nach „Westen“: Im Berliner Adressbuch von 1911 ist ihr Ehemann als Mieter in der Carmerstraße 15 notiert. Damals war Charlottenburg noch eine selbstständige „Bürgerstadt“ und die Straße zwischen Savignyplatz und Steinplatz voller repräsentativer Wohnhäuser mit großen Wohnungen. Einrichtung und Kleidung der Familie entsprachen der Umgebung und den Mitbewohnern. – Hier sollten Paula und Wilhelm Engel ein Vierteljahrhundert leben.

1915 starb der Vater von Paula Engel in Bad Warmbrunn. Die unverheiratete Schwester Else und der Bruder Otto waren bei den Eltern und im Geschäft der Familie geblieben und lebten nach dem Tod des Vaters weiter bei/mit der verwitweten Mutter. Die anderen Schwestern wohnten zu diesem Zeitpunkt verheiratet in Breslau, Zittau und Berlin. – Ende des Jahres 1930 starb in Bad Warmbrunn auch die Mutter Johanna Engel.

1930 starb ebenfalls Paula Engels Schwager Georg Basch, der als Tierarzt eine Praxis in der Großen Frankfurter Straße im Osten Berlins gehabt hatte. Ihre Schwester Margarethe – trotz aller Arbeit ohne eigene Altersversorgung – arbeitete nun im Geschäft von Schwager und Schwester und zog kurze Zeit später nach Berlin-Charlottenburg in die Sybelstraße 18.

Am 1. September 1936 heiratete Paulas Sohn Leopold, der auch Kaufmann geworden war und noch in der Carmerstraße 15 wohnte, die in Südafrika geborene Marian Hammerschlag.

Für das Jahr 1938 ist in der Datenbank zu den Jüdischen Gewerbebetrieben die „Übernahme“ der Firma Georg Flach & Engel notiert, im Berliner Adressbuch von 1940 findet sich in der Jerusalemer Straße 19 die Firma von Theo Freimuth, Handarbeiten, vorm. Flach & Engel.

Das Ehepaar Engel zog aus der Carmerstraße 15 zur verwitweten Schwester von Paula Engel in die Sybelstraße 18. Dort starb Wilhelm Engel am 19. Mai 1941 an einer Herzkrankheit. Im Dezember 1941 kamen die „Listen“ für das Hab und Gut der beiden Schwestern.

Am 13. Januar 1942 wurden Paula Engel und Margarethe Basch mit über tausend anderen in das Ghetto von Riga deportiert. Es war einer der kältesten Winter dieser Jahre. Vom Sammellager in der Synagoge Levetzowstraße ging es – entweder in offenen Lastwagen oder zu Fuß – zum Bahnhof Grunewald und von dort in Personenwagen 3. Klasse nach Riga. Die beiden Frauen überlebten die dreitägige Fahrt. Bis zum Herbst 1943 wurden sie im Ghetto zur Arbeit für die Wehrmacht gezwungen. Ein letztes Lebenszeichen von ihrer Mutter Margarethe Basch erreichte die Nichte Ilse Rewald am 23. November 1943.

Die Schwestern Paula Engel und Margarethe Basch kehrten nicht zurück.

 

Sohn Leopold Engel rettete sich nach England und wurde dort während des Zweiten Weltkrieges interniert. Danach ging er in die USA, wo er 1956 eingebürgert wurde. Neffe Josef Basch konnte ebenfalls entkommen. Nichte Ilse Basch überlebte mit ihrem Ehemann Werner Rewald in der Illegalität und lebte weiterhin in ihrer Heimatstadt Berlin. Werner Rewald ist 1992 und Ilse Rewald im Dezember 2005 gestorben. Sie wurde zur Zeitzeugin, schrieb und erzählte von Verfolgung und Ermordung, aber auch von der schönen Zeit in Bad Warmbrunn und Berlin. – Paula Engel war ihre „Lieblingstante“.