Dr. Dagobert Kallmann wurde am 28. Juni 1860 in Berlin geboren. Er studierte Veterinärmedizin und erlangte mit nur 22 Jahren die Approbation zum praktischen Tierarzt. Um diese Zeit wohnte und/oder arbeitete er in der Holzmarktstraße 50 in Berlin-Friedrichshain. Im Jahr 1900 promovierte er an der Universität Bern über „Die Ellenbogenbeuge des Pferdes und seine Behandlung“ mit Untersuchungen, die er an der Tierärztlichen Hochschule Berlin durchgeführt hatte.
Dr. Kallmann wurde Tierarzt am Zoologischen Garten Berlin. 1910 wurde er zum städtischen Obertierarzt ernannt. Seine Arbeit im Zoo war anspruchsvoll und abwechslungsreich. Aus den Artikeln, die er in der Tierärztlichen Rundschau und anderen Fachzeitschriften veröffentlichte, erfahren wir von tuberkulösen Affen, von der Elefantenkuh Mary, die 1924 an einer Verletzung starb, von Grislybären und Eisbären, die an Trichinose litten. 1925/26 erarbeitete Dr. Kallmann Vorschläge für die Einrichtung von Krankenstationen im Zoo und von Quarantäneeinrichtungen für zugekaufte Tiere. Dabei gab es immer auch Beziehungen zwischen der veterinärmedizinischen Arbeit und medizinischer Hygiene. Bei der Untersuchung der Frage, ob Tiertuberkulose über Schlachtfleisch auf den Menschen übertragen werden könnte, lernte Dr. Kallmann auch den berühmten Hygieniker Robert Koch kennen.
Nach seiner Berentung 1931 blieb er in der Berliner Tierärztlichen Gesellschaft aktiv. Nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten verschwand sein Name wie der anderer jüdischer Tierärzte aus den Akten.
Dagobert Kallmann war nicht verheiratet. Zum Zeitpunkt der Minderheiten-Volkszählung 1939 lebte er mit der drei Jahre älteren, ebenfalls ledigen Rosalie Kallmann (geboren 9. November 1857) in der Trautenaustr. 12 in einer gemeinsamen Wohnung. Vielleicht war Rosalie seine große Schwester. Über die familiären Hintergründe von Dagobert und Rosalie war nichts in Erfahrung zu bringen.
Beide zogen in das jüdische Altersheim in der Iranischen Str. 3 in Berlin-Wedding. Dort mussten sie vor ihrer Deportation die Vermögenserklärungen ausfüllen; die Formulare sind leer, den Kallmanns war kein Pfennig geblieben.
Am 3. Juli 1942 wurden Dagobert und Rosalie Kallmann vom Anhalter Bahnhof aus nach Theresienstadt deportiert. Wahrscheinlich hatte sie die Gestapo direkt im jüdischen Altersheim abgeholt. Es war ein kleiner Transport mit insgesamt 50 alten Jüdinnen und Juden, das Durchschnittsalter war 75 Jahre. Nach einer unerträglichen Reise erreichten sie Bauschowitz (Bohušovice). Von dort aus mussten alle, die noch laufen konnten, die drei Kilometer ins Ghetto Theresienstadt zu Fuß gehen. Rosalie Kallmann wurde dort am 9. August 1942 ermordet, Dagobert Kallmann an einem nicht bekannten Tag im September. Sie waren 84 und 82 Jahre alt.