Marta Tugendhat geb. Exiner

Verlegeort
Uhlandstr. 77
Bezirk/Ortsteil
Wilmersdorf
Verlegedatum
07. Oktober 2020
Geboren
23. April 1873 in Berlin
Deportation
am 18. Oktober 1941 nach Łódź / Litzmannstadt
Später deportiert
am 12. Mai 1942 nach Chełmno / Kulmhof
Ermordet
12. Mai 1942 in Chełmno / Kulmhof

Details zur Biografie von Marta Tugendhaft finden sich in der Biografie ihres Ehemannes Victor Leopold Tugendhat.
 

Marta Exiner wurde am 23. April 1873 als Tochter des Kaufmanns Adolf Exiner und seiner Frau Ernestine, geb. Badt, in Berlin geboren. Sie hatte zwei Schwestern, Berta und Ida, und zwei Brüder, Salomon und Zigfried. Adolf Exiner war Mitinhaber der Stoffhutfabrik J. Badt & Co, zusammen mit J. Badt, wahrscheinlich seinem Schwiegervater.

Marta Exiner heiratete den aus Galizien stammenden Bankkaufmann Victor Tugendhat. Marta und Victor dürften zum Zeitpunkt ihrer Heirat noch ziemlich jung gewesen sein, denn schon 1895 bekamen sie einen Sohn, Josef. Das Paar lebte inzwischen im mährischen Groß Steurowitz (tschechisch Starovice), zog aber wohl bald nach Josefs Geburt wieder nach Berlin. Im Berliner Adressbuch ist Victor erstmalig 1900 in der Dorotheenstraße 82 verzeichnet, Beruf: Bankbeamter. Am 17. März 1902 erblickte die Tochter Irma das Licht der Welt, nun in der Blankenfeldstraße 3. Ein Jahr nach Irmas Geburt zog die Familie in die Wallner-Theater-Straße 7, in das Haus, in dem Martas Eltern wohnten. Folgt man dem Adressbuch, blieben sie dort, bis sie 1907 in Charlottenburg eine Wohnung in der Grolmanstraße 64 bezogen. Dort wohnten sie noch, als 1936 – die Nationalsozialisten waren bereits drei Jahre an der Macht – Victor in den Ruhestand versetzt wurde. Victor war 63 oder 65 Jahre alt, offen bleibt, ob er „regulär“ in Pension ging oder als Jude frühzeitig entlassen wurde. Tochter Irma war schon zu Beginn der NS-Herrschaft 1933 mit ihrem Mann Paul Unger zunächst nach England und weiter nach Palästina ausgewandert.

In die Uhlandstraße 77 zogen Victor und Marta erst 1938. Sie wünschten sich, zur Tochter ziehen zu können, hatten aber weder das Geld noch ein Visum. Wie die restliche jüdische Bevölkerung waren sie inzwischen durch die Verfolgung und Diskriminierung seitens der Regierung entrechtet und verarmt. Die letzten erhaltenen Dokumente sind ein Briefwechsel zwischen Victor Tugendhat und seinem Bruder Bruno Tugendhat (wohnhaft in Stuttgart). In diesen Briefen (1939–1941) ist von der zunehmenden Verarmung, von Hunger und von der Angst vor der drohenden Wohnungskündigung und Abholung die Rede, außerdem von den hilflosen Versuchen Geld und die Möglichkeit zur Emigration zu finden.

Mit dem Beginn der Deportationen aus Berlin im Oktober 1941 ereilte auch sie dieses Schicksal. Gleich mit dem ersten „Transport“ am 18. Oktober 1941 wurden Marta und Victor Tugendhat nach Lodz/Litzmannstadt verschleppt und dort in dem Ghetto in die Kreuzstraße 2a eingewiesen. Die Lebensbedingungen im durch Stacheldraht abgeriegelten Ghetto waren katastrophal. Keine Heizung, keine Toiletten, keine Betten, weitgehend mussten die Menschen auf Strohsäcken oder dem nackten Boden in Massenunterkünften schlafen, die Ernährung war völlig unzureichend. Hunger, Kälte, Erschöpfung und Krankheiten rafften viele Leute dahin. Auch Victor Leopold Tugendhat überlebte nicht lange, er starb am 11. oder 12. März 1942. Wenige Wochen darauf, am 12. Mai 1942, wurde Marta Tugendhat in das Vernichtungslager Kulmhof (Chelmno) weiter deportiert und dort ermordet.

Der Sohn Josef Tugendhat überlebte, er starb 1956 in Wilhelmshaven.