Anny Holländer geb. Weissberg

Verlegeort
Altonaer Straße / Bartningallee
Historischer Name
Altonaer Straße 6
Bezirk/Ortsteil
Hansaviertel
Verlegedatum
08. November 2022
Geboren
23. Februar 1908 in Köln
Flucht
1938 Niederlande
Interniert
11. August 1942 bis 01. Februar 1944 in Westerbork
Deportation
am 01. Februar 1944 nach Bergen-Belsen
Überlebt

Anny Holländer wurde am 23.02.1908 als Anny Weissberg, Tochter von Rebekka und Isaac Weissberg, in Köln geboren. Ihre Eltern besaßen ein Bekleidungsgeschäft am Kölner Heumarkt. Nach dem Abitur studierte Anny, um Lehrerin zu werden.

Anny heiratete später James Holländer und zog nach Berlin. 1935 wurde ihre Tochter Rachel geboren und 1938 ihr Sohn Samuel. Entsetzt über die Ereignisse der Pogromnacht von November 1938 beschlossen Anny und James, einen sichereren Ort für ihre Kinder zu suchen. Rachel wurde zu einer Pflegefamilie in die Niederlande geschickt und drei Wochen nach Samuels Geburt ging Anny mit ihm ebenfalls dorthin. Anny hielt sich hauptsächlich in Den Haag und Leeuwarden auf.

James schloss sich der Familie im Mai 1940 an, wurde aber bald nach der deutschen Besetzung der Niederlande in das Durchgangslager der Polizei nach Westerbork im Nordosten des Landes gebracht. Anny und die Kinder konnten in der Zeit von James Internierung ein noch relativ freies Leben führen. Von Zeit zu Zeit besuchten Anny und die Kinder James im Lager. Im Juli 1942 beschloss Anny, sich James im Lager anzuschließen. Da James schon lange im Lager war und dort arbeitete - er gehörte damit zur aus etwa 2000, überwiegend deutschen Juden, bestehenden Lager-"Elite" - hatte die Familie bessere Bedingungen als die niederländischen Juden, die in großen Baracken leben mussten und meist nur kurze Zeit nach ihrer Ankunft in die Vernichtungslager deportiert wurden.

Anny, James und die Kinder blieben in Westerbork, bis sie im Februar 1944 in das Konzentrationslager Bergen-Belsen transportiert wurden. Sie wurden ins sogenannte „Sternlager“ gebracht, wo die Häftlinge anstelle der Lageruniform gelbe Judensterne auf ihrer Zivilkleidung trugen. Das Lager diente der Unterbringung von etwa 4000 Jüdinnen und Juden, die für den Austausch mit den Alliierten vorgesehen waren. Allerdings kamen nur die wenigsten dieser Menschen durch einen Austausch frei.

Die Bedingungen im „Sternlager“ waren sehr hart. Männer und Frauen wurden getrennt und in großen Baracken untergebracht. Das Essen war knapp. Unabhängig vom Wetter mussten die Häftlinge jeden Tag zwischen vier und fünf Stunden im Freien Appell stehen und wurden zu schweren Arbeitseinsätzen herangezogen. James musste Holzwurzeln aus dem gefrorenen Boden ausgraben und Anny musste Schuhe zerlegen.

Im Laufe der Zeit breiteten sich Krankheiten im Lager aus. James und Samuel erkrankten an Typhus. Am 10. April 1945, fünf Tage vor der Befreiung von Bergen-Belsen durch die Briten, wurde James, Anny und den Kindern zusammen mit weiteren 2500 Gefangenen befohlen, in einen Zug einzusteigen. Ziel: das KZ Theresienstadt. Die Fahrt dauerte Tage. Wegen Bombenangriffen der Alliierten musste der Zug bis zum endgültigen Halt nahe der Ortschaft Tröbitz in Brandenburg immer wieder die Strecke ändern.

Am 23. April befreiten sowjetische Soldaten den Zug. Von den Gefangenen waren bereits 198 an Unterernährung und Krankheit gestorben. 320 weitere Menschen würden in den Tagen nach der Befreiung ihrer Erschöpfung oder Krankheiten zum Opfer fallen.

James starb am 25. April 1945 im Alter von 40 Jahren. Nach zwei Monaten in Tröbitz, transportierten amerikanische Soldaten Anny und die Kinder zusammen mit anderen Überlebenden des Transports nach Maastricht in den Niederlanden.

Am 4. Juli 1945 starb Samuel mit nur sechs Jahren an einer Krankheit. Anny blieb in den Niederlanden. Einige Jahre nach dem Krieg heiratete sie Emil Abrahams aus Amsterdam, wo sie zusammen mit Rachel und Daniel, Emils Sohn, lebte. 1951 zog die Familie von Amsterdam nach Jerusalem. Hier lebte Anny bis zu ihrem Tod 1996.