Hildegard Loewenthal

Verlegeort
Luckauer Straße 4
Bezirk/Ortsteil
Kreuzberg
Verlegedatum
11. Mai 2023
Geboren
11. Juni 1906 in Berlin
Deportation
am 12. März 1943 nach Auschwitz
Ermordet

Hildegard Loewenthal kam am 11. Juni 1906 in Berlin als Tochter des jüdischen Kaufmanns Paul Loewenthal und seiner Ehefrau Elise, geb. Blau, zur Welt. Zu diesem Zeitpunkt lebte die Familie in der Sebastianstraße 88. Kurz nach der Geburt von Hildegards Bruder Hans am 15. Januar 1911 bezogen sie eine 5-Zimmer-Wohnung in der Luckauer Straße 4. 

Ihr Vater Paul Loewenthal hatte im März 1910 das „Wäscheverleihgeschäft Richard Bach“ erworben, das er in der Luckauer Straße 3 betrieb. Er beschäftigte mehrere Angestellte und belieferte u.a. Druckereien, Betriebe, Hotels und Friseure. Das Geschäft florierte und ermöglichte der Familie einen hohen Lebensstandard: Sie hatten zwei Dienstmädchen und noch eine Extrahilfe für die Kinder. Sie konnten sich jedes Jahr längere Auslandsreisen leisten und ihren Kindern eine gute Ausbildung ermöglichen.

Hildegard Loewenthal besuchte von 1912 bis 1922 das Viktoria-Lyzeum in der Prinzenstraße und wurde danach als Kinderhortnerin im Sozialpädagogischen Seminar im von Anna von Gierke geleiteten Verein Jugendheim ausgebildet, einer bedeutenden und einflussreichen privaten sozialen Institution in Charlottenburg, die sich bis zu ihrer zwangsweisen Schließung durch die Nationalsozialisten zu einem vielfach kopierten Modellprojekt entwickelte.

1923 erlitt Hildegards Vater einen schweren Schlaganfall, der ihn vollkommen arbeitsunfähig machte. Paul Loewenthal verstarb schließlich am 23. Dezember 1926 im Alter von 58 Jahren. Hildegards Mutter hatte ihrem Mann schon seit einigen Jahren im Geschäft geholfen und sich inzwischen so gut eingearbeitet, dass sie nach der Erkrankung und dem Tod ihres Ehemanns die Leitung übernehmen und die Firma weiterführen konnte. Mitte der 1920er Jahre zog das Wäscheverleihgeschäft in das Haus Luckauer Straße 7 um, das Elise Loewenthal und ihren Geschwistern gehörte. 

Mit der schrittweisen Entrechtung und Verfolgung von Juden seit 1933 begannen auch Zwangsmaßnahmen gegen die Familie Loewenthal. Darunter fielen zahlreiche Maßnahmen der Diskriminierung und sozialen Ausgrenzung, des Entzugs staatsbürgerlicher Rechte sowie der Verdrängung aus dem Berufs- und Wirtschaftsleben.

Hildegard Loewenthal verlor ihre Anstellung als Kinderhortnerin bei der Stadt Berlin, die sie jahrelang innegehabt hatte. Ihr Bruder Hans hatte an der Berliner Universität Medizin studiert, bis ihm 1933 als Juden die Zulassung zur Universität entzogen wurde. Danach wurde er Angestellter und 1935 Juniorpartner im Wäscheverleihgeschäft seiner Mutter, bis dieses Ende 1938 geschlossen werden musste. Hans Loewenthal wanderte Ende Februar 1939 mit seiner Frau Lilli, geb. Sachs, die er 1935 geheiratet hatte, nach England aus. Von dort übersiedelten sie im November 1940 in die USA, wo Hans seinen Namen in John Lowental änderte.

Hildegard war inzwischen als Hortnerin bei der Jüdischen Gemeinde Berlin angestellt worden. Im September 1941 war sie im Kindertagesheim Thielschufer (heute Fraenkelufer) tätig. Zuletzt arbeitete sie in der Wäscherei der Reichsvereinigung der Juden.

Hildegard und Elise Loewenthal wohnten noch immer in der Luckauer Straße 4, hatten von ihren drei Zimmern allerdings zwei an andere Juden untervermietet. 

Der Entrechtung folgte die Deportation: Elise Loewenthal wurde am 3. Oktober 1942 mit dem 3. großen Alterstransport nach Theresienstadt deportiert, wo sie am 30. März 1943 ums Leben kam.

Die 36-jährige Hildegard Loewenthal wurde am 12. März 1943 mit dem 36. Osttransport nach Auschwitz verschleppt und ermordet.