Hildegard Loewenthal kam am 11. Juni 1906 in Berlin als Tochter des jüdischen Kaufmanns Paul Loewenthal und seiner Ehefrau Elise, geb. Blau, zur Welt. Zu diesem Zeitpunkt lebte die Familie in der Sebastianstraße 88. Kurz nach der Geburt von Hildegards Bruder Hans am 15. Januar 1911 bezogen sie eine Fünfzimmerwohnung in der Luckauer Straße 4.
Ihr Vater Paul Loewenthal hatte im März 1910 das „Wäscheverleihgeschäft Richard Bach“ erworben, das er in der Luckauer Straße 3 betrieb. Er beschäftigte mehrere Angestellte und belieferte u.a. Druckereien, Betriebe, Hotels und Friseure. Das Geschäft florierte und ermöglichte der Familie einen hohen Lebensstandard: Sie hatten zwei Dienstmädchen und noch eine Extrahilfe für die Kinder. Sie konnten sich jedes Jahr längere Auslandsreisen leisten und ihren Kindern eine gute Ausbildung ermöglichen.
Hildegard Loewenthal besuchte bis 1922 das Viktoria-Lyzeum in der Prinzenstraße und wurde danach als Erzieherin im Sozialpädagogischen Seminar im Verein Jugendheim ausgebildet. Der von Anna von Gierke geleitete Verein war eine bedeutende und einflussreiche soziale Institution in Charlottenburg, die sich bis zu ihrer zwangsweisen Schließung durch die Nationalsozialisten zu einem vielfach kopierten Modellprojekt entwickelte.
1923 erlitt Hildegards Vater einen schweren Schlaganfall, der ihn vollkommen arbeitsunfähig machte. Paul Loewenthal verstarb schließlich am 23. Dezember 1926 im Alter von 58 Jahren. Hildegards Mutter hatte ihrem Mann schon seit einigen Jahren im Geschäft geholfen und sich so gut eingearbeitet, dass sie nach seinem Tod die Firma weiterführen konnte. Mitte der 1920er Jahre zog das Wäscheverleihgeschäft in das Haus Luckauer Straße 7 um, das Elise Loewenthal und ihren Geschwistern gehörte.
Die schrittweise Entrechtung und Verfolgung von Jüdinnen und Juden seit 1933 setzte auch der Familie Loewenthal schwer zu. Zahlreiche Maßnahmen der Diskriminierung und sozialen Ausgrenzung, des Entzugs staatsbürgerlicher Rechte sowie der Verdrängung aus dem Berufs- und Wirtschaftsleben erschwerten die familiäre Existenz zunehmend.
Hildegard Loewenthal verlor ihre jahrelange Anstellung als Erzieherin bei der Stadt Berlin. Ihr Bruder Hans hatte in Berlin Medizin studiert, bis er 1933 exmatrikuliert wurde. Danach wurde er Angestellter und 1935 Juniorpartner im Wäscheverleihgeschäft seiner Mutter, bis dieses Ende 1938 geschlossen werden musste. Hans wanderte Ende Februar 1939 mit seiner Frau Lilli, geb. Sachs, die er 1935 geheiratet hatte, nach England aus. Von dort übersiedelten sie im November 1940 in die USA, wo Hans seinen Namen in John Lowental änderte.
Hildegard war inzwischen als Erzieherin bei der Jüdischen Gemeinde Berlin angestellt worden. Im September 1941 war sie im Kindertagesheim Thielschufer (heute Fraenkelufer) tätig. Zuletzt arbeitete sie in der Wäscherei der Reichsvereinigung der Juden.
Hildegard und Elise Loewenthal wohnten noch immer in der Luckauer Straße 4, hatten von ihren drei Zimmern allerdings zwei an andere jüdische Untermieter vermietet.
Der Entrechtung folgte die Deportation: Elise Loewenthal wurde am 3. Oktober 1942 mit dem „3. großen Alterstransport“ nach Theresienstadt deportiert, wo sie am 30. März 1943 ums Leben kam.
Die 36-jährige Hildegard Loewenthal wurde am 12. März 1943 mit dem „36. Osttransport“ nach Auschwitz verschleppt und ermordet.
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