Margarete Gosliner geb. Fass

Verlegeort
Matternstr. 5
Bezirk/Ortsteil
Friedrichshain
Verlegedatum
21. Juli 2012
Geboren
14. Juli 1879 in Obornik (Posen) / Oborniki
Deportation
am 20. Juli 1942 nach Theresienstadt
Tot
04. April 1943 in Theresienstadt

Margarete Fass wurde geboren am 14. Juli 1879 in der Stadt Obornik (dem heutigen Oborniki in Polen), die etwa 30 Kilometer nördlich der Stadt Posen (Poznań) liegt. Sie war die Tochter von Abraham und Rosalie Fass. Ihr Vater arbeitete am Ort als Bäckermeister. Margarete hatte mindestens zwei Geschwister: Ihre ältere Schwester Lina Fass war 1870 in Obornik zur Welt gekommen, ihr Bruder Siegmund Fass im Jahr 1874 ebenfalls in Obornik.

Über das Elternhaus, die Kindheit und Jugend von Margarete und ihren Geschwistern in Obornik haben sich keine Informationen erhalten. Ihre Eltern gehörten aber aller Wahrscheinlichkeit nach zur jüdischen Gemeinde der Stadt, zu der zum Zeitpunkt von Margaretes Geburt etwa 400 Einwohner Oborniks zählten. 1907 heiratete Margarete den 1873 in Rogasan (dem heutigen Rogoźno) geborenen Kaufmann Hermann Gosliner. Die Eheleute waren in der Stadt Posen ansässig, wo sie am Sophiaplatz 8 lebten und 1908 ihr Sohn Norbert zur Welt kam. Am 17. November 1909 folgte ihre Tochter Ilse Gosliner. Nach Ende des Ersten Weltkriegs zog die Familie 1922 nach Berlin, wo sie ab 1923 in einer Wohnung in der Matternstraße 5 im Friedrichshain lebte. Hermann Gosliner betrieb in Berlin ein Engrosgeschäft mit Herrenstoffen und Kleidung für Herren. Ihr Sohn Norbert besuchte bis 1926 das Königstädtische Gymnasium in Berlin, absolvierte eine dreijährige Lehrzeit bei der Firma W. Siebenhuener in der Karlsstraße und war anschließend als kaufmännischer Angestellter und Lagerverwalter beschäftigt.

In dem Haus in der Matternstraße 5 lebte auch der aus Wreschen (Września) stammende Ludwig Fass, dessen verwitwete Mutter Emilie Fass bis 1936 eingetragene Eigentümerin des Wohnhauses war. Zuvor war zwischen 1906 und 1922 Ludwigs Vater Louis der Eigentümer gewesen. Bei Ludwig handelte es sich vermutlich um einen Cousin von Margarete. Margaretes Schwester Lina war mit ihrem Ehemann Isidor Michaelis ebenfalls nach Berlin gezogen. Beide lebten zuletzt in Reinickendorf in der Schulzendorfer Straße 66. Ihr Bruder Siegmund, der in Berlin als Handelsmann tätig war, lebte in einer Wohnung in der Treskowallee in Karlshorst.

Mit der schrittweisen Entrechtung und Verfolgung von Juden seit 1933 – beziehungsweise aller Personen, die nach den Nürnberger Gesetzen im NS-Staat als Juden galten – begannen auch staatliche Zwangsmaßnahmen gegen Margarete Gosliner und ihre Familie. Darunter fielen zahlreiche Maßnahmen der Diskriminierung und sozialen Ausgrenzung, des Entzugs staatsbürgerlicher Rechte sowie der Verdrängung aus dem Berufs- und Wirtschaftsleben. Ab 1933 waren Hermann und Margarete Gosliner auch als Geschäftsinhaber von den antisemitischen Kampagnen und Ausschreitungen betroffen, die ihren sichtbarsten Ausdruck in Boykotten sowie den Pogromen im Mai und November 1938 in Berlin erfuhren. Der Umsatz des Herrenausstatters ging drastisch zurück und schließlich musste das Geschäft aufgegeben werden. Norbert Gosliner wurde aus seiner Stelle als Lagerverwalter und kaufmännischer Angestellter 1933 entlassen. In seinem Beruf fand er keine Beschäftigung mehr und verdiente sein Einkommen mit verschiedenen Stellen, bis er Mitte der 1930er-Jahre beim Jüdischen Kulturbund als Beleuchter angestellt wurde.

1935 heiratete Margaretes Tochter Ilse Gosliner den drei Jahre älteren, gelernten Sattler Paul Falkenstein, der ein Lederwarengeschäft in Wilmersdorf betrieb. Im darauffolgenden Jahr kam in Berlin Margaretes Enkel Alfred Falkenstein zur Welt. Im selben Jahr wurden Margarete Gosliner und Ludwig Fass zu Miteigentümern des Wohnhauses Matternstraße 5. Margaretes Tochter lebte mit Ehemann und Kind in der Kaiserstraße 33 in Mitte (der heutigen Jacobystraße). 1937 heiratete Norbert Gosliner die aus Braunschweig stammende Gerda Flatow, mit der er im März 1939 nach England flüchtete. Ob auch seine Eltern und seine Schwester in dieser Zeit versuchten, Deutschland zu verlassen, ist nicht bekannt. Sollten konkrete Schritte unternommen worden sein, so scheiterten diese. Ende der 1930er-Jahre und Anfang der 1940er-Jahre wurde das Leben für das Ehepaar Gosliner in Berlin zum reinen Existenzkampf. In der Position von Rechtlosen wurden sie fast täglich durch neue Erlasse und Sondergesetze drangsaliert. Um nur eine der vielen einschneidenden Maßnahmen zu nennen, konnten sie sich mit der Polizeiverordnung vom 1. September 1941 „über die Kennzeichnung der Juden“ nur noch mit stigmatisierendem „Judenstern“ in der Öffentlichkeit bewegen.

Der Demütigung und Entrechtung folgte die Deportation: Am 1. Oktober 1941 teilte die Gestapo der Jüdischen Gemeinde Berlin mit, dass die „Umsiedlung“ der Berliner Juden beginnen würde. Am 12. April 1942 verstarb Hermann Gosliner im Alter von 68 Jahren unter ungeklärten Umständen im Jüdischen Krankenhaus Berlin in der Iranischen Straße. Zu diesem Zeitpunkt drohte der Einrichtung die Schließung, die mehrfach geplündert worden war. Die Versorgungssituation ließ einen geregelten Krankenhausbetrieb kaum noch zu, die Kranken konnten nur noch eingeschränkt und nur unter Aufsicht der Gestapo behandelt werden. Margarete Gosliner erhielt den Deportationsbescheid im Sommer 1942. Sie wurde im Sammellager in der Großen Hamburger Straße 26 interniert und knapp eine Woche nach ihrem 63. Geburtstag mit dem „25. Alterstransport“ vom 20. Juli 1942 in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Sie überlebte die unmenschlichen Bedingungen im Ghetto knapp ein Jahr, bevor sie im April 1943 in Theresienstadt ermordet wurde – entweder durch direkte Gewalteinwirkung oder indirekte mittels planvoller Mangelernährung, versagter Medikamente, Kälte und körperlichen Misshandlungen.

Margaretes Schwester Lina und ihr Ehemann Isidor Michaelis wurden im September 1942 nach Theresienstadt deportiert und zwei Jahre später im April 1944 weiter in das Vernichtungslager Auschwitz, wo sie beide ermordet wurden. Ihr Schwiegersohn Paul Falkenstein wurde am 1. März 1943 nach Auschwitz deportiert; ihre Tochter Ilse mit ihrem Enkel Alfred am 4. März 1943. Keiner von ihnen gehörte zu den wenigen Überlebenden. Margaretes Sohn Norbert überlebte die NS-Verfolgung mit seiner Ehefrau Gerda Gosliner, geborene Flatow, im Exil in England. Ihr Bruder Siegmund Fass wurde am 14. Juli 1942 in das Ghetto Theresienstadt deportiert und am 19. September 1942 weiter in das Vernichtungslager Treblinka, wo er ermordet wurde.

Margarete Fass wurde geboren am 14. Juli 1879 in der Stadt Obornik (dem heutigen Oborniki in Polen), die etwa 30 Kilometer nördlich der Stadt Posen (Poznań) liegt. Sie war die Tochter von Abraham und Rosalie Fass. Ihr Vater arbeitete am Ort als Bäckermeister. Margarete hatte mindestens zwei Geschwister: Ihre ältere Schwester Lina Fass war 1870 in Obornik zur Welt gekommen, ihr Bruder Siegmund Fass im Jahr 1874 ebenfalls in Obornik.

Über das Elternhaus, die Kindheit und Jugend von Margarete und ihren Geschwistern in Obornik haben sich keine Informationen erhalten. Ihre Eltern gehörten aber aller Wahrscheinlichkeit nach zur jüdischen Gemeinde der Stadt, zu der zum Zeitpunkt von Margaretes Geburt etwa 400 Einwohner Oborniks zählten. 1907 heiratete Margarete den 1873 in Rogasan (dem heutigen Rogoźno) geborenen Kaufmann Hermann Gosliner. Die Eheleute waren in der Stadt Posen ansässig, wo sie am Sophiaplatz 8 lebten und 1908 ihr Sohn Norbert zur Welt kam. Am 17. November 1909 folgte ihre Tochter Ilse Gosliner. Nach Ende des Ersten Weltkriegs zog die Familie 1922 nach Berlin, wo sie ab 1923 in einer Wohnung in der Matternstraße 5 im Friedrichshain lebte. Hermann Gosliner betrieb in Berlin ein Engrosgeschäft mit Herrenstoffen und Kleidung für Herren. Ihr Sohn Norbert besuchte bis 1926 das Königstädtische Gymnasium in Berlin, absolvierte eine dreijährige Lehrzeit bei der Firma W. Siebenhuener in der Karlsstraße und war anschließend als kaufmännischer Angestellter und Lagerverwalter beschäftigt.

In dem Haus in der Matternstraße 5 lebte auch der aus Wreschen (Września) stammende Ludwig Fass, dessen verwitwete Mutter Emilie Fass bis 1936 eingetragene Eigentümerin des Wohnhauses war. Zuvor war zwischen 1906 und 1922 Ludwigs Vater Louis der Eigentümer gewesen. Bei Ludwig handelte es sich vermutlich um einen Cousin von Margarete. Margaretes Schwester Lina war mit ihrem Ehemann Isidor Michaelis ebenfalls nach Berlin gezogen. Beide lebten zuletzt in Reinickendorf in der Schulzendorfer Straße 66. Ihr Bruder Siegmund, der in Berlin als Handelsmann tätig war, lebte in einer Wohnung in der Treskowallee in Karlshorst.

Mit der schrittweisen Entrechtung und Verfolgung von Juden seit 1933 – beziehungsweise aller Personen, die nach den Nürnberger Gesetzen im NS-Staat als Juden galten – begannen auch staatliche Zwangsmaßnahmen gegen Margarete Gosliner und ihre Familie. Darunter fielen zahlreiche Maßnahmen der Diskriminierung und sozialen Ausgrenzung, des Entzugs staatsbürgerlicher Rechte sowie der Verdrängung aus dem Berufs- und Wirtschaftsleben. Ab 1933 waren Hermann und Margarete Gosliner auch als Geschäftsinhaber von den antisemitischen Kampagnen und Ausschreitungen betroffen, die ihren sichtbarsten Ausdruck in Boykotten sowie den Pogromen im Juni und November 1938 in Berlin erfuhren. Der Umsatz des Herrenausstatters ging drastisch zurück und schließlich musste das Geschäft aufgegeben werden. Norbert Gosliner wurde aus seiner Stelle als Lagerverwalter und kaufmännischer Angestellter 1933 entlassen. In seinem Beruf fand er keine Beschäftigung mehr und verdiente sein Einkommen mit verschiedenen Stellen, bis er Mitte der 1930er-Jahre beim Jüdischen Kulturbund als Beleuchter angestellt wurde.

1935 heiratete Margaretes Tochter Ilse Gosliner den drei Jahre älteren, gelernten Sattler Paul Falkenstein, der ein Lederwarengeschäft in Wilmersdorf betrieb. Im darauffolgenden Jahr kam in Berlin Margaretes Enkel Alfred Falkenstein zur Welt. Im selben Jahr wurden Margarete Gosliner und Ludwig Fass zu Miteigentümern des Wohnhauses Matternstraße 5. Margaretes Tochter lebte mit Ehemann und Kind in der Kaiserstraße 33 in Mitte (der heutigen Jacobystraße). 1937 heiratete Norbert Gosliner die aus Braunschweig stammende Gerda Flatow, mit der er im März 1939 nach England flüchtete. Ob auch seine Eltern und seine Schwester in dieser Zeit versuchten, Deutschland zu verlassen, ist nicht bekannt. Sollten konkrete Schritte unternommen worden sein, so scheiterten diese. Ende der 1930er-Jahre und Anfang der 1940er-Jahre wurde das Leben für das Ehepaar Gosliner in Berlin zum reinen Existenzkampf. In der Position von Rechtlosen wurden sie fast täglich durch neue Erlasse und Sondergesetze drangsaliert. Um nur eine der vielen einschneidenden Maßnahmen zu nennen, konnten sie sich mit der Polizeiverordnung vom 1. September 1941 „über die Kennzeichnung der Juden“ nur noch mit stigmatisierendem „Judenstern“ in der Öffentlichkeit bewegen.

Der Demütigung und Entrechtung folgte die Deportation: Am 1. Oktober 1941 teilte die Gestapo der Jüdischen Gemeinde Berlin mit, dass die „Umsiedlung“ der Berliner Juden beginnen würde. Am 12. April 1942 verstarb Hermann Gosliner im Alter von 68 Jahren unter ungeklärten Umständen im Jüdischen Krankenhaus Berlin in der Iranischen Straße. Zu diesem Zeitpunkt drohte der Einrichtung die Schließung, die mehrfach geplündert worden war. Die Versorgungssituation ließ einen geregelten Krankenhausbetrieb kaum noch zu, die Kranken konnten nur noch eingeschränkt und nur unter Aufsicht der Gestapo behandelt werden. Margarete Gosliner erhielt den Deportationsbescheid im Sommer 1942. Sie wurde im Sammellager in der Großen Hamburger Straße 26 interniert und knapp eine Woche nach ihrem 63. Geburtstag mit dem „25. Alterstransport“ vom 20. Juli 1942 in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Sie überlebte die unmenschlichen Bedingungen im Ghetto knapp ein Jahr, bevor sie im April 1943 in Theresienstadt ermordet wurde – entweder durch direkte Gewalteinwirkung oder indirekte mittels planvoller Mangelernährung, versagter Medikamente, Kälte und körperlichen Misshandlungen.

Margaretes Schwester Lina und ihr Ehemann Isidor Michaelis wurden im September 1942 nach Theresienstadt deportiert und zwei Jahre später im April 1944 weiter in das Vernichtungslager Auschwitz, wo sie beide ermordet wurden. Ihr Schwiegersohn Paul Falkenstein wurde am 1. März 1943 nach Auschwitz deportiert; ihre Tochter Ilse mit ihrem Enkel Alfred am 4. März 1943. Keiner von ihnen gehörte zu den wenigen Überlebenden. Margaretes Sohn Norbert überlebte die NS-Verfolgung mit seiner Ehefrau Gerda Gosliner, geborene Flatow, im Exil in England. Ihr Bruder Siegmund Fass wurde am 14. Juli 1942 in das Ghetto Theresienstadt deportiert und am 19. September 1942 weiter in das Vernichtungslager Treblinka, wo er ermordet wurde.