Gertrude Striem geb. Preuss

Verlegeort
Mollstraße 29
Historischer Name
Gollnowstraße 37
Bezirk/Ortsteil
Friedrichshain
Verlegedatum
11. Mai 2023
Geboren
10. August 1897 in Schloppe (Westpreußen) / Człopa
Deportation
am 28. März 1942 nach Piaski
Ermordet

Gertrude Preuss kam am 10. August 1897 in Schloppe (Westpreußen) als Tochter des jüdischen Handelsmanns Moses Preuss und seiner Ehefrau Cäcilie, geb. Löwenthal, zur Welt. Gertrude hatte sechs Geschwister, die ebenfalls alle in der kleinen Stadt Schloppe (polnisch Człopa), etwa 100 km südöstlich von Stettin gelegen, zur Welt gekommen waren: Johanna (*1886), Rosa (*1888), Julius (*1889), Helene (1891–1892), Emma (*1893) und Dora (*1898). Um die Jahrhundertwende übersiedelte die Familie Preuss nach Berlin. Dort wohnten sie in verschiedenen Adressen östlich und nördlich des Alexanderplatzes. Leider haben sich keine Informationen erhalten, die einen Einblick in das Leben der Familie Preuss in den letzten Jahren des Kaiserreichs geben könnten. Gertrudes Schwester Rosa starb im November 1913 im Alter von 25 Jahren.

Gertrude Preuss heiratete am 30. September 1920 Arthur Less, geb. am 27. September 1894 in Berlin. Er war von Beruf Packer und gehörte ebenfalls der jüdischen Religionsgemeinschaft an. Arthur Less zog offenbar nach der Hochzeit zu Gertrude und ihren Eltern in die Georgenkirchstraße 21. Am 9. Februar 1924 kam der gemeinsame Sohn Herbert zur Welt. Gertrudes Ehemann starb am 17. März 1931 im Rudolf-Virchow-Krankenhaus im Alter von nur 36 Jahren an Tuberkulose. Im Jahr darauf verstarb Gertrudes Mutter, 1936 ihr Vater Moses Preuss. Die Familie war inzwischen in die Gollnowstraße 37 gezogen. Diese Straße, die die Bezirksgrenze zwischen Mitte und Friedrichshain bildete, existiert seit 1963 nicht mehr. Sie begann an der Neuen Königstraße (heute Otto-Braun-Straße) und verlief in etwa dort, wo sich heute die Mollstraße befindet.

Gertrude Less heiratete am 8. Juli 1941 Bruno Striem, geb. am 11. April 1899 in Tomice (Posen). Auch er gehörte der jüdischen Religionsgemeinschaft an. Vermutlich lebte Bruno Striem schon einige Jahre vor der Heirat zusammen mit Gertrude Less und deren Sohn Herbert in der Wohnung in der Gollnowstraße 37. Im Keller desselben Hauses betrieb Bruno Striem sein Geschäft, den An- und Verkauf von Fellen und Pelzabfällen, bis er 1938/39 gezwungen war, sein Gewerbe einzustellen und Zwangsarbeit in einer Bürstenfabrik zu verrichten. 

Aufgrund der „Polizeiverordnung über die Kennzeichnung der Juden“ konnten sie sich ab dem 19. September 1941 nur noch mit stigmatisierendem „Judenstern“ in der Öffentlichkeit bewegen.

Der Entrechtung folgte die Deportation: Gertrude und Bruno Striem sowie Herbert Less wurden am 28. März 1942 mit dem 11. Osttransport nach Piaski deportiert. Hier verliert sich ihre Spur. 

Der kleine Ort Piaski, 23 km südöstlich von Lublin gelegen, war nach der deutschen Besetzung Polens Teil des Generalgouvernements geworden. Im Schtetl in Piaski wurde Anfang 1940 ein Ghetto eingerichtet, in das u.a. mehrere tausend Juden aus dem Deutschen Reich deportiert wurden.

Die wenigen sanitären Anlagen des Ghettos waren in einem katastrophalen Zustand, die Grundversorgung mit Nahrung und Trinkwasser absolut unzureichend. Das Ghetto, bestehend aus kleinen, hauptsächlich eingeschossigen Holzhäusern, war nicht für so viele Personen ausgelegt. Zwischen 10 und 20 Menschen mussten sich in der Regel einen Wohnraum teilen. Wer nicht bald an Hunger, Entkräftung oder Krankheiten starb, wurde in eins der Vernichtungslager deportiert und ermordet.

Gertrudes Schwester Emma, verheiratete Schwarz, wurde am 5. September 1942 mit dem 19. Osttransport nach Riga deportiert, wo sie gleich nach der Ankunft ermordet wurde. Ihre Schwestern Johanna, verheiratete Prause, und Dora, verheiratete Köhler, überlebten die Shoah, da sie sich mit Nicht-Juden verehelicht hatten. 

Auch Gertrudes Bruder Julius Preuss war mit einer so genannten „Arierin“ verheiratet und war dadurch zunächst vor der Verfolgung geschützt. Seine Frau starb aber am 15. Mai 1942 an Unterleibskrebs. Am 27. August 1942 entzog sich Julius Preuss durch Flucht der Verhaftung durch die Gestapo. Es gelang ihm, in der Illegalität bis zur Befreiung Berlins durch die Rote Armee zu überleben.