Heimann Schendel

Verlegeort
Poststraße 12
Bezirk/Ortsteil
Mitte
Verlegedatum
20. September 2013
Geboren
03. September 1885 in Schivelbein/ Świdwin
Deportation
am 03. März 1943 nach Auschwitz
Ermordet
in Auschwitz

Heimann Schendel, auch Hugo Schendel genannt, wurde am 3. September 1885 in Schivelbein (dem heutigen Świdwin in Polen) geboren. Die Stadt an der Rega liegt etwa 90 Kilometer nordöstlich von Stettin (Szczecin). Er war der Sohn des ortsansässigen Kaufmanns Siegfried Schendel (1855–1932) und dessen Frau Jenny, geb. Hirsch (*1855). Eine Schwester Heimanns, Mathilde, kam 1893 zur Welt, verstarb aber wenige Monate nach ihrer Geburt. Es ist nicht bekannt, ob Heimann Schendel noch weitere Geschwister hatte. Über das Elternhaus, die Kindheit und Jugend von Heimann Schendel in Schivelbein der Kaiserzeit haben sich keine weiteren Quellen erhalten. Seine Eltern gehörten aber aller Wahrscheinlichkeit nach zur jüdischen Gemeinde des Ortes, zu der zum Zeitpunkt der Geburt von Heimann etwa 330 der ungefähr 6000 Einwohner zählten.<br />
<br />
Nach seinem Schulabschluss absolvierte Heimann Schendel eine kaufmännische Ausbildung. Im Ersten Weltkrieg meldete er sich entweder freiwillig oder wurde rekrutiert, er diente als Frontsoldat. Nach dem Krieg war er in Ansbach in Mittelfranken ansässig, wo er zuerst Mitinhaber und später alleiniger Inhaber des „Manufaktur-, Modewaren- und Konfektionsgeschäfts L. D. Steiner“ in der Kannenstraße 1 wurde. Das Kaufhaus war damals eines der führenden Warenhäuser Ansbachs und beschäftigte etwa 20 Angestellte. Die Wohnung von Heimann Schendel lag in der Brauhausstraße 30. Am 6. Juni 1928 heiratete er die dreizehn Jahre jüngere Bibliothekarin Marie Johanna Sander, die aus einer Augsburger Fabrikantenfamilie stammte. Am 20. April 1931 wurde die Tochter Eva Jenny Schendel in Augsburg geboren. Leider haben sich keine weiteren Informationen erhalten, die einen Einblick in das Leben der Familie in der Zeit der Weimarer Republik geben könnten.<br />
<br />
Mit der schrittweisen Entrechtung und Verfolgung von Juden seit 1933 – beziehungsweise aller Personen, die nach den Nürnberger Gesetzen im NS-Staat als Juden galten – begannen auch staatliche Zwangsmaßnahmen gegen Heimann Schendel und seine Familie. Darunter fielen zahlreiche Maßnahmen der Diskriminierung und sozialen Ausgrenzung, des Entzugs staatsbürgerlicher Rechte sowie der Verdrängung aus dem Berufs- und Wirtschaftsleben. Heimanns Tochter Eva Jenny schrieb später zur Situation der Familie – auch gestützt auf Informationen ihres Onkels Emil Sander (1887–1978), der sich in den 1930er-Jahren in die USA retten konnte: „Mein Vater musste das Geschaeft in Ansbach 1934/35 unter dem Druck der rassischen Verfolgung verkaufen. Wir verzogen nach Berlin, wo wir in Berlin, C. 2, Poststrasse 12 wohnten und wo mein Vater in den folgenden Jahren unter der Firma ‚Hugo Schendel‘ einen Engrosvertrieb von Textilien hatte. Ich bin das einzige Kind aus der Ehe meiner Eltern und kam am 3.3.1939 mit einem Transport juedischer Kinder nach England. Ich war damals noch nicht 8 Jahre alt.“<br />
<br />
Seit 1933 waren die Schendels als Geschäftsinhaber ein exponiertes Ziel für antisemitische Kampagnen, Boykotte und Ausschreitungen in Ansbach gewesen. Mitte der 1930er-Jahre sahen sie sich nicht mehr in der Lage, das Kaufhaus zu halten, und waren gezwungen, es unter Wert zu verkaufen. Mit ihrer Tochter zogen sie nach Berlin – wohl in der Hoffnung, in der Anonymität der Hauptstadt besser vor unmittelbaren Bedrohungen geschützt zu sein. Die Familie kam in Berlin 1935 zunächst in einer Wohnung in der Rosenheimer Straße 23 nahe dem Bayerischen Platz in Schöneberg unter. Im Jahr 1937 zogen die Schendels an die Adresse Poststraße 12 unweit des Spreeufers im Nikolaiviertel und unterhielten an dieser Adresse auch das Bekleidungsgeschäft „kunstseidene Wäsche und Trikotagen-Großhandlung Hugo Schendel“, mit dem sie ihren Unterhalt finanzierten. Eva Jenny Schendel besuchte ab Ostern 1937 die Mädchen-Volksschule der Jüdischen Gemeinde in der Auguststraße 11–13, bis die damals noch Siebenjährige am 3. März 1939 mit einem Kindertransport nach England gerettet werden konnte. Ihren Eltern sollte die Flucht aus Deutschland nicht mehr gelingen. Spätestens Anfang der 1940er-Jahre war das Leben für sie zum Existenzkampf geworden. Um nur eine der vielen einschneidenden Maßnahmen zu nennen, konnten sie sich mit der Polizeiverordnung vom 1. September 1941 „über die Kennzeichnung der Juden“ nur noch mit stigmatisierendem „Judenstern“ in der Öffentlichkeit bewegen. Heimann Schendel musste zudem seit Anfang der 1940er-Jahre Zwangsarbeit als Arbeiter in den Deutschen Tachometerwerken (Deuta-Werke) in der Oranienstraße 25 in Kreuzberg leisten.<br />
<br />
Der Entrechtung folgte die Deportation: Am 1. Oktober 1941 hatte die Gestapo die Jüdische Gemeinde Berlin informiert, dass die „Umsiedlung“ der Berliner Juden beginnen würde. Heimann Schendel und seine Ehefrau wurden im Zuge der „Fabrik-Aktion“, bei der die letzten offiziell in der Hauptstadt verbliebenen Juden deportiert werden sollten, Ende Februar 1943 in Berlin verhaftet und in eines der Berliner Sammellager verschleppt. Von dort wurden sie am 3. März 1943 mit dem „33. Osttransport“ in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert und dort – vermutlich unmittelbar nach ihrer Ankunft – ermordet.<br />
<br />
Ihre Tochter Eva Jenny Schendel überlebte die NS-Verfolgung im Exil in England. Dem ehemaligen Weddinger Stadtrat Carl Fabiunke (1888–1978) gelang es noch, ihr 1939 bei einem Besuch in England persönliche Dinge aus dem Besitz ihrer Eltern aus Berlin zu übergeben. Eva Jenny Schendel wurde später Lehrerin und heiratete den Rabbiner Raphael Margulies. <br />
Heimanns Schwiegervater Alfred Sander war im Juli 1939 in Berlin im Krankenhaus der Jüdischen Gemeinde verstorben. Sein Schwager Emil Sander überlebte mit seiner Ehefrau Lili, geb. Reis, und der Tochter Margaret (*1924) die NS-Verfolgung im Exil in den USA. Seine Schwägerin Lilli Babette Schloss (*1892), ihr Ehemann Hermann (*1884) und ihr Sohn Hans Werner (*1921) flüchteten vor der drohenden Deportation nach Italien, wo sie am 30. November 1943 in der norditalienischen Stadt Fiesso Umbertiano verhaftet wurden. Über das Internierungslager Ferramonti di Tarsia und das Durchgangslager Fossoli wurden sie im Juni 1944 nach Auschwitz deportiert, wo Lilli Babette und Hermann Schloss unmittelbar nach der Ankunft ermordet wurden. Hans Werner Schloss überlebte sechs Monate Lagerhaft in Auschwitz. Im Januar 1945 wurde er weiter nach Mauthausen deportiert und dort am 22. Februar 1945 hingerichtet.

Heimann Schendel, auch Hugo Schendel genannt, wurde am 3. September 1885 in Schivelbein (dem heutigen Świdwin in Polen) geboren. Die Stadt an der Rega liegt etwa 90 Kilometer nordöstlich von Stettin (Szczecin). Er war der Sohn des ortsansässigen Kaufmanns Siegfried Schendel (1855–1932) und dessen Frau Jenny, geb. Hirsch (*1855). Eine Schwester Heimanns, Mathilde, kam 1893 zur Welt, verstarb aber wenige Monate nach ihrer Geburt. Es ist nicht bekannt, ob Heimann Schendel noch weitere Geschwister hatte. Über das Elternhaus, die Kindheit und Jugend von Heimann Schendel in Schivelbein der Kaiserzeit haben sich keine weiteren Quellen erhalten. Seine Eltern gehörten aber aller Wahrscheinlichkeit nach zur jüdischen Gemeinde des Ortes, zu der zum Zeitpunkt der Geburt von Heimann etwa 330 der ungefähr 6000 Einwohner zählten.

Nach seinem Schulabschluss absolvierte Heimann Schendel eine kaufmännische Ausbildung. Im Ersten Weltkrieg meldete er sich entweder freiwillig oder wurde rekrutiert, er diente als Frontsoldat. Nach dem Krieg war er in Ansbach in Mittelfranken ansässig, wo er zuerst Mitinhaber und später alleiniger Inhaber des „Manufaktur-, Modewaren- und Konfektionsgeschäfts L. D. Steiner“ in der Kannenstraße 1 wurde. Das Kaufhaus war damals eines der führenden Warenhäuser Ansbachs und beschäftigte etwa 20 Angestellte. Die Wohnung von Heimann Schendel lag in der Brauhausstraße 30. Am 6. Juni 1928 heiratete er die dreizehn Jahre jüngere Bibliothekarin Marie Johanna Sander, die aus einer Augsburger Fabrikantenfamilie stammte. Am 20. April 1931 wurde die Tochter Eva Jenny Schendel in Augsburg geboren. Leider haben sich keine weiteren Informationen erhalten, die einen Einblick in das Leben der Familie in der Zeit der Weimarer Republik geben könnten.

Mit der schrittweisen Entrechtung und Verfolgung von Juden seit 1933 – beziehungsweise aller Personen, die nach den Nürnberger Gesetzen im NS-Staat als Juden galten – begannen auch staatliche Zwangsmaßnahmen gegen Heimann Schendel und seine Familie. Darunter fielen zahlreiche Maßnahmen der Diskriminierung und sozialen Ausgrenzung, des Entzugs staatsbürgerlicher Rechte sowie der Verdrängung aus dem Berufs- und Wirtschaftsleben. Heimanns Tochter Eva Jenny schrieb später zur Situation der Familie – auch gestützt auf Informationen ihres Onkels Emil Sander (1887–1978), der sich in den 1930er-Jahren in die USA retten konnte: „Mein Vater musste das Geschaeft in Ansbach 1934/35 unter dem Druck der rassischen Verfolgung verkaufen. Wir verzogen nach Berlin, wo wir in Berlin, C. 2, Poststrasse 12 wohnten und wo mein Vater in den folgenden Jahren unter der Firma ‚Hugo Schendel‘ einen Engrosvertrieb von Textilien hatte. Ich bin das einzige Kind aus der Ehe meiner Eltern und kam am 3.3.1939 mit einem Transport juedischer Kinder nach England. Ich war damals noch nicht 8 Jahre alt.“

Seit 1933 waren die Schendels als Geschäftsinhaber ein exponiertes Ziel für antisemitische Kampagnen, Boykotte und Ausschreitungen in Ansbach gewesen. Mitte der 1930er-Jahre sahen sie sich nicht mehr in der Lage, das Kaufhaus zu halten, und waren gezwungen, es unter Wert zu verkaufen. Mit ihrer Tochter zogen sie nach Berlin – wohl in der Hoffnung, in der Anonymität der Hauptstadt besser vor unmittelbaren Bedrohungen geschützt zu sein. Die Familie kam in Berlin 1935 zunächst in einer Wohnung in der Rosenheimer Straße 23 nahe dem Bayerischen Platz in Schöneberg unter. Im Jahr 1937 zogen die Schendels an die Adresse Poststraße 12 unweit des Spreeufers im Nikolaiviertel und unterhielten an dieser Adresse auch das Bekleidungsgeschäft „kunstseidene Wäsche und Trikotagen-Großhandlung Hugo Schendel“, mit dem sie ihren Unterhalt finanzierten. Eva Jenny Schendel besuchte ab Ostern 1937 die Mädchen-Volksschule der Jüdischen Gemeinde in der Auguststraße 11–13, bis die damals noch Siebenjährige am 3. März 1939 mit einem Kindertransport nach England gerettet werden konnte. Ihren Eltern sollte die Flucht aus Deutschland nicht mehr gelingen. Spätestens Anfang der 1940er-Jahre war das Leben für sie zum Existenzkampf geworden. Um nur eine der vielen einschneidenden Maßnahmen zu nennen, konnten sie sich mit der Polizeiverordnung vom 1. September 1941 „über die Kennzeichnung der Juden“ nur noch mit stigmatisierendem „Judenstern“ in der Öffentlichkeit bewegen. Heimann Schendel musste zudem seit Anfang der 1940er-Jahre Zwangsarbeit als Arbeiter in den Deutschen Tachometerwerken (Deuta-Werke) in der Oranienstraße 25 in Kreuzberg leisten.

Der Entrechtung folgte die Deportation: Am 1. Oktober 1941 hatte die Gestapo die Jüdische Gemeinde Berlin informiert, dass die „Umsiedlung“ der Berliner Juden beginnen würde. Heimann Schendel und seine Ehefrau wurden im Zuge der „Fabrik-Aktion“, bei der die letzten offiziell in der Hauptstadt verbliebenen Juden deportiert werden sollten, Ende Februar 1943 in Berlin verhaftet und in eines der Berliner Sammellager verschleppt. Von dort wurden sie am 3. März 1943 mit dem „33. Osttransport“ in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert und dort – vermutlich unmittelbar nach ihrer Ankunft – ermordet.

Ihre Tochter Eva Jenny Schendel überlebte die NS-Verfolgung im Exil in England. Dem ehemaligen Weddinger Stadtrat Carl Fabiunke (1888–1978) gelang es noch, ihr 1939 bei einem Besuch in England persönliche Dinge aus dem Besitz ihrer Eltern aus Berlin zu übergeben. Eva Jenny Schendel wurde später Lehrerin und heiratete den Rabbiner Raphael Margulies.
Heimanns Schwiegervater Alfred Sander war im Juli 1939 in Berlin im Krankenhaus der Jüdischen Gemeinde verstorben. Sein Schwager Emil Sander überlebte mit seiner Ehefrau Lili, geb. Reis, und der Tochter Margaret (*1924) die NS-Verfolgung im Exil in den USA. Seine Schwägerin Lilli Babette Schloss (*1892), ihr Ehemann Hermann (*1884) und ihr Sohn Hans Werner (*1921) flüchteten vor der drohenden Deportation nach Italien, wo sie am 30. November 1943 in der norditalienischen Stadt Fiesso Umbertiano verhaftet wurden. Über das Internierungslager Ferramonti di Tarsia und das Durchgangslager Fossoli wurden sie im Juni 1944 nach Auschwitz deportiert, wo Lilli Babette und Hermann Schloss unmittelbar nach der Ankunft ermordet wurden. Hans Werner Schloss überlebte sechs Monate Lagerhaft in Auschwitz. Im Januar 1945 wurde er weiter nach Mauthausen deportiert und dort am 22. Februar 1945 hingerichtet.