Alfred Oschitzki

Verlegeort
Winsstr. 9
Bezirk/Ortsteil
Prenzlauer Berg
Verlegedatum
02. Juni 2021
Geboren
24. Juni 1924 in Berlin
Deportation
am 03. Februar 1943 nach Auschwitz
Ermordet
in Auschwitz
Datei
Biografie

Alfred Oschitzki kam am 24. Juni 1924 in Berlin zur Welt. Seine Mutter war damals 31 Jahre alt. Tona (auch genannt Tana, Tonia, Tania oder Tony) wurde am 4. Mai 1893 im polnischen Tuchola (ehemals Tuchel in Westpreußen) geboren. Über sie ist nicht viel bekannt. 

Alfreds Vater Leo wurde am 9. März 1892 im polnischen Wąbrzeźno (das frühere Briesen in Westpreußen) geboren. Wie viele Familienmitglieder erlernte auch er den Beruf des Schneiders. Einer seiner Cousins, der ebenfalls Alfred Oschitzki hieß, lebte schon länger in Berlin. Er war als Schneidermeister in der Seelower Str. 23 gemeldet. Leo wohnte laut den Berliner Adressbüchern spätestens ab 1937 in der Winsstraße. Möglicherweise betrieb er einen Kurzwarenladen in der Straße oder im Viertel.

Etwas mehr als ein Jahr nach Alfreds Geburt kam am 10. August 1925 seine Schwester Marion Franziska zur Welt. Elf Jahre später folgte am 12. August 1936 noch das Nesthäkchen Judith Paula – genau zur Zeit der Olympischen Sommerspiele in Berlin.

Wir wissen nicht viel über das Leben der Familie. Allerdings gibt es eine Überlieferung von privaten Briefen in der Londoner Wiener Library. Es handelt sich um Briefe, die Tona und Leo an Marion Franziska schrieben. Ihr gelang es, kurz vor ihrem 14. Geburtstag mit einem der letzten Kindertransporte England zu erreichen. Ungeklärt bleibt die Frage, warum allein Marion Franziska die rettende Reise antreten konnte, ihre Geschwister jedoch bei den Eltern in Berlin verblieben.

Sicher ist, dass wenige Jahre nach Marion Franziskas Flucht ihre Familie im Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz ermordet wurde. Die Oschitzkis wurden am 3. Februar 1943 mit dem „28. Osttransport“ von Berlin nach Auschwitz verschleppt und vermutlich am folgenden Tag, direkt nach ihrer Ankunft ermordet. Alfred Oschitzki wurde 18, seine Mutter 49, sein Vater 50 und seine Schwester sechs Jahre alt.

Einige ihrer Verwandten überlebten den Krieg. Zum Beispiel ihr Onkel mütterlicherseits, Arthur Bukofzer (1891-1960). Er war verheiratet mit der Nichtjüdin Charlotte (1904-1985). Es heißt, dass Charlotte sich weigerte, sich von ihrem Mann scheiden zu lassen. Angeblich war sie eine der Frauen, die im Februar 1943 vor der Rosenstraße 2-4 demonstrierten. Dort hatte die Gestapo im Zuge der „Fabrikaktion“ zahlreiche jüdische Männer aus sogenannten „Mischehen“ eingesperrt, um sie weiter nach Auschwitz zu deportieren. Die Proteste zeigten Erfolg und die Männer, so auch Arthur, wurden wieder freigelassen. Arthur musste dennoch Zwangsarbeit leisten. Er überlebte die Verfolgungen dank der Solidarität seiner Frau.

Viele dieser Informationen stammen von einer Tochter Marion Franziskas. Lange Zeit glaubte sie, ihre Mutter sei die einzige aus der Generation ihrer Familie, die die Shoah überlebte. Wie sich im Zuge der Nachforschungen für die Stolpersteine herausstellte, gab es jedoch weitere Überlebende auf der Oschitzkiseite in Berlin, wie den bereits erwähnten Cousin Leos, Alfred Oschitzki.

Marion Franziska wurde gerettet und gründete in England eine Familie. Sie bekam drei Kinder, elf Enkelkinder und bis jetzt 27 Urenkel und Urenkelinnen. Jedes dieser Kinder ist ein Sieg über diejenigen, die den Holocaust planten und ausführten oder dabei halfen, Jüdinnen und Juden zu ermorden. Marion Franziska starb 2012 in London. Sie erlebte, wie ihre Familie immer größer wurde.