Tona Oschitzki, geb. Bukofzer (auch genannt Tana, Tonia, Tania, Tony), wurde am 4. Mai 1893 in Tuchola (früher „Tuchel“ in Westpreußen) geboren. Nur wenige Informationen zu ihrer Biografie sind überliefert.
Ihr Mann Leo wurde am 9. März 1892 in Wąbrzeźno (dem ehemals westpreußischen „Briesen“) geboren. Wie viele aus seiner Familie war er Schneider. Einer seiner Cousins, Alfred Oschitzki, lebte schon länger als Schneidermeister in der Seelower Str. 23 in Berlin. Leo wohnte laut den Berliner Adressbüchern spätestens ab 1937 in der Winsstraße. Es gibt Hinweise, dass er dort oder im Viertel einen Kurzwarenladen besaß.
Tona bekam 1924, mit bereits 31 Jahren, ihr erstes Kind, Alfred. Er kam am 24. Juni 1924 in Berlin zur Welt. Ein gutes Jahr später, am 10. August 1925, folgte die Tochter Marion Franziska. Am 12. August 1936, also mit einem Abstand von nahezu elf Jahren, brachte Tona mit 43 noch das Nesthäkchen Judith Paula zur Welt – genau zur Zeit der Olympischen Sommerspiele in Berlin.
Wir wissen nicht viel über das Leben der Familie. Einige Briefe, die die Eltern an Marion Franziska schrieben, die kurz vor ihrem 14. Geburtstag mit einem der letzten Kindertransporte England erreichte, sind in der britischen Wiener Library überliefert. Warum von den Geschwistern nur Marion einen der rettenden Plätze auf dem Transport erhielt, ist unklar.
Sicher ist, dass wenige Jahre nach Marion Franziskas Flucht ihre Familie im Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz ermordet wurde. Die Oschitzkis wurden am 3. Februar 1943 mit dem „28. Osttransport“ von Berlin nach Auschwitz verschleppt und dort vermutlich unmittelbar nach ihrer Ankunft ermordet. Judith Paula wurde sechs, ihre Mutter 49, ihr Vater 50 und ihr Bruder 18 Jahre alt.
Einige Geschwister von Tona überlebten den Krieg. So ihr ältester Bruder Arthur Bukofzer (1891-1960). In einer sogenannten „Mischehe“ mit seiner Frau Charlotte (1904-1985) war er von der Deportation in die Vernichtung ausgenommen. Es heißt, dass Charlotte sich weigerte, sich von ihrem Mann scheiden zu lassen. Angeblich war sie eine der Frauen, die im Februar 1943 vor der Rosenstraße 2-4 demonstrierten. Dort hatte die Gestapo im Zuge der „Fabrikaktion“ zahlreiche jüdische Männer aus „Mischehen“ eingesperrt, um sie nach Auschwitz zu deportieren. Die Proteste zeigten Erfolg und die Männer, so auch Arthur, wurden wieder freigelassen. Arthur musste dennoch Zwangsarbeit leisten. Er überlebte die Verfolgungen dank der Solidarität seiner Frau.
Viele dieser Informationen stammen von einer Tochter Marion Franziskas. Lange Zeit glaubte sie, ihre Mutter sei die einzige aus der Generation ihrer Familie, die die Shoah überlebte. Wie sich im Zuge der Nachforschungen für die Stolpersteine herausstellte, gab es weitere Überlebende auf der Oschitzkiseite in Berlin, z. B. jenen Cousin von Leo, den bereits genannten Schneidermeister Alfred Oschitzki.
Marion Franziska wurde gerettet und gründete in England eine eigene Familie. Sie bekam drei Kinder, elf Enkelkinder und mindestens 27 Urenkel und Urenkelinnen. Jedes dieser Kinder ist ein Sieg über diejenigen, die den Holocaust planten, ausführten oder dabei halfen, Jüdinnen und Juden zu ermorden. Marion Franziska starb 2012 in London. Sie erlebte, wie ihre Familie immer größer wurde.
Alle Texte und Bilder auf dieser Webseite sind urheberrechtlich geschützt und dürfen nicht ohne Erlaubnis des/r Rechteinhaber*in verwendet werden.