Georg Anker

Verlegeort
Bartningallee 4
Historischer Name
Klopstockstraße 17
Bezirk/Ortsteil
Hansaviertel
Verlegedatum
21. Mai 2022
Geboren
15. Mai 1885 in Danzig (Westpreußen) / Gdańsk
Beruf
Kaufmann
Flucht
1939 nach Dänemark
Überlebt

Georg Anker wurde am 15. Mai 1885 in Danzig (Gdańsk) geboren. Er war eines der zwölf Kinder von Simon und Henriette Anker, sein Vater Simon (1845–1935) war ein wohlhabender Getreidehändler und für die jüdische Gemeinde in Danzig tätig.

Georg Anker gehörte zu den etwa 100.000 Juden, die während des Ersten Weltkriegs in der deutschen Armee waren. Viele dieser Soldaten betrachteten sich als glühend patriotische Deutsche, loyal gegenüber dem Kaiser und dem Reich. Allein 80.000 von ihnen dienten in den Schützengräben der Frontlinie, 35.000 wurden für ihre Tapferkeit ausgezeichnet und 12.000 wurden getötet. Georg Anker war Leutnant I. Klasse, diente an zwei Fronten und wurde zweimal mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet. Seine älteren Brüder Heinrich, Paul und Leo dienten ebenfalls in der Armee.

1921 zog Georg Anker von Danzig nach Berlin und wohnte in der Neuen Friedrichstraße 79. Er war Inhaber einer Herrenbekleidungsfabrik, die eine Straße weiter nördlich, in der Dirksenstraße 26–27, lag. Die Wohnung befand sich im Zentrum Berlins in der Nähe der Börse und des Lustgartens.

Georg Anker heiratete am 15. Mai 1921 Gertrud Gottschalk im Hotel Prahlow am Marktplatz in Gertruds Heimatstadt Schlawe. Sie bekamen drei Töchter: Eva, geboren am 6. Juni 1922, Dora, bekannt als Dodi, geboren am 9. Mai 1924, und Hilde, die am 29. Mai 1926 in der damaligen Wohnung der Familie in der Cuxhavener Straße 10 zur Welt kam.

Die Familie wohnte zunächst in der Wullenweberstraße 2, dann in der Cuxhavener Straße und zuletzt in der Klopstockstraße 17. Alle drei Wohnungen wurden im Zweiten Weltkrieg zerstört. Die Adresse Klopstockstraße 17 entspricht heute der Bartningallee 4.

Um 1937 erfolgte die Eliminierung der Juden aus dem Wirtschaftsleben. Dies geschah in Form von Zwangsverkäufen, insbesondere von kleinen jüdischen Unternehmen. Eine der angewandten Methoden war die zwangsweise Übergabe des jüdischen Geschäftsanteils an den bisherigen „arischen“ Partner. Der nationalsozialistische Bezirksvorsteher übte oft Druck auf diesen aus, seinen jüdischen Mitarbeiter loszuwerden. Georg Anker war gezwungen, sein Geschäft an seinen Assistenten zu übergeben.

Im Oktober 1938 flohen Georg Ankers ältere Brüder Arthur, Heinrich und Paul mit ihren Familien aus Danzig nach Los Angeles. Sie versuchten Georg davon zu überzeugen, mit seiner Familie mitzukommen, aber Georg wollte sein Geschäft und sein Zuhause nicht verlassen, um das Leben in einem fremden Land wieder von vorne zu beginnen.

Doch nach der Pogromnacht vom 9. November 1938 war er überzeugt, dass er und seine Familie keinen Platz mehr in Deutschland hatten. Angehörige der Hitlerjugend überfielen unter der Führung der SA die Synagoge in der Levetzowstraße und zertrümmerten Glasscheiben jüdischer Geschäfte. Zur gleichen Zeit trieben SS und Gestapo Juden in ihren Häusern zusammen und führten sie weg, einige wurden auf der Stelle umgebracht, andere sollten nie zurückkehren, die meisten mussten mehrere Wochen in Dachau oder Buchenwald verbringen, bevor sie frei kamen. Mehrere Freunde wurden verhaftet. Georg verbrachte die Nacht damit, mit der U- und S-Bahn durch Berlin zu fahren, damit er nicht zu Hause war, wenn die Gestapo ankam. Hilde erinnerte sich später, dass ihr Vater nach der Reichspogromnacht die Familie mit der Straßenbahn durch ganz Berlin mitnahm, um Zeuge der Geschichte zu werden. Sie saßen schweigend da, als sie aus den Fenstern schauten und die Schäden an jüdischen Einrichtungen sahen.

Georg und Gertrud beantragten ein Visum und schrieben einen Brief an Georgs Bruder Leo in London, in dem sie ihn um eine eidesstattliche Erklärung baten. Es war äußerst schwierig, die notwendigen Unterlagen zu erhalten, um Deutschland zu verlassen. Dann tat sich die Möglichkeit auf, die Kinder mit einem Kindertransport aus Nazideutschland nach England zu schicken. Tausende von jüdischen Flüchtlingskindern sind auf diesem Weg nach Großbritannien gekommen.
Am 13. Juni 1939 sind Eva, Dodi und Hilde mit einem Kindertransport dort angekommen. Diese Transporte wurden von jüdischen Organisationen durchgeführt.

Als die Kinder abgereist waren, versuchte Georg ein Ausreisevisum zu erhalten. Am 8. Juli 1939 wurde er von seinem Freund, der für den Polizeipräsidenten arbeitete, angerufen. Dieser sagte: „Morgen werden sie deinen und den Danziger Pass deiner Frau beschlagnahmen und dich verhaften. Wenn ich du wäre, würde ich mit allen möglichen Mitteln gehen.“ Das offizielle Schreiben wurde zwei Tage später verschickt. Wenn sie ihre Pässe abgeben würden, gäbe es keine Chance zu entkommen, da der Pass der Freien Stadt Danzig ihre Religion nicht auflistete. Der deutsche Pass hatte ein großes J auf dem Deckel gestempelt, um seinen Besitzer als jüdisch zu identifizieren.

Als sie erkannten, dass sie mit dem Verlust ihrer Danziger Staatsangehörigkeit gezwungen sein würden, in Deutschland zu bleiben, packten sie am gleichen Abend ihre Koffer, ließen Möbel und alles andere zurück und gingen zum Flughafen Tempelhof. Sie konnten keinem ihrer Freunde sagen, dass sie gehen würden, weil dies so kurzfristig und auch gefährlich war.

Am Flughafen angekommen wurden Georg und Gertrud von Flughafenbeamten befragt, warum sie dort seien. Georg antwortete, dass sie einen wohlverdienten Urlaub machen würden. Als Georg ihre Tickets kaufte, wurde er gefragt, ob sie jüdisch seien. Er antwortete mit „nein“, denn wenn er mit „ja“ geantwortet hätte, hätten sie keine Chance gehabt, das Land zu verlassen. Eine Nazi-Beamtin nahm Gertrud in einen Raum mit und durchsuchte sie nach illegaler Schmuggelware. Sie wurde gezwungen, ihr geflochtenes Haar zu lösen, damit die SS mit einem Kamm hindurchgehen konnte. Sie flogen nach Kopenhagen und ein paar Wochen später nach England zu ihren Töchtern.

Die Familie Anker erhielt amerikanische Visa für die Danziger Quote und segelte am 29. September 1940 von Liverpool nach St. John’s in Neufundland, weiter nach Halifax in der kanadischen Provinz Nova Scotia und landete schließlich in Boston. Sie reisten auf dem Landweg mit dem Greyhound-Bus nach Los Angeles, wo sie am 14. Oktober 1940 ankamen.

Sie ließen sich in Van Nuys, Kalifornien, nieder. Georg kaufte einen Bauernhof und ein Haus in der Valerio Street 14621, wo er, ein ehemaliger Hersteller von Herrenbekleidung, eine neue Karriere als Hühnerzüchter begann. Das Leben für die neuen Einwanderer war nicht einfach. Sie mussten Englisch lernen und ein Geschäft führen, mit dem sie nicht vertraut waren. Während des Krieges besuchten Georgs jüngere Töchter Dodi und Hilde die Van Nuys High School und später die University of California, Los Angeles.

Dodi heiratete Peter Lawrence im Januar 1947 in Los Angeles. Sie starb im Dezember 1947 an Tuberkulose. Eva ist seit 1948 mit Henry Florsheim verheiratet und hat drei Töchter. Hilde, die sich nun Hilda nannte, heiratete Dr. Hershel Fogelson im Jahr 1949 und hat drei Söhne, David, Steven und George, fünf Enkel und zwei Urenkel. Im Mai 2022, dem Monat der Stolpersteinverlegung für ihre Familie, wurde Hilda 96 Jahre alt.

Georg Anker starb am 6. April 1955 in Los Angeles, kurz vor seinem 70. Geburtstag.

Georg Anker wurde am 15. Mai 1885 in Danzig (Gdańsk) geboren. Er war eines der zwölf Kinder von Simon und Henriette Anker, sein Vater Simon (1845–1935) war ein wohlhabender Getreidehändler und für die jüdische Gemeinde in Danzig tätig.

Georg Anker gehörte zu den etwa 100.000 Juden, die während des Ersten Weltkriegs in der deutschen Armee waren. Viele dieser Soldaten betrachteten sich als glühende deutsche Patrioten, loyal gegenüber dem Kaiser und dem Reich. Allein 80.000 von ihnen dienten in den Schützengräben der Frontlinie, 35.000 wurden für ihre Tapferkeit ausgezeichnet und 12.000 wurden getötet. Georg Anker war Leutnant I. Klasse, diente an zwei Fronten und wurde zweimal mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet. Seine älteren Brüder Heinrich, Paul und Leo dienten ebenfalls in der Armee.

1921 zog Georg Anker von Danzig nach Berlin und wohnte in der Neuen Friedrichstraße 79. Er war Inhaber einer Herrenbekleidungsfabrik, die eine Straße weiter nördlich, in der Dirksenstraße 26–27, lag. Die Wohnung befand sich im Zentrum Berlins, in der Nähe der Börse und des Lustgartens.

Georg Anker heiratete am 15. Mai 1921 Gertrud Gottschalk im Hotel Prahlow am Marktplatz in Gertruds Heimatstadt Schlawe. Sie bekamen drei Töchter: Eva, geboren am 6. Juni 1922, Dora, bekannt als Dodi, geboren am 9. Mai 1924, und Hilde, die am 29. Mai 1926 in der damaligen Wohnung der Familie in der Cuxhavener Straße 10 zur Welt kam.

Die Familie wohnte zunächst in der Wullenweberstraße 2, dann in der Cuxhavener Straße und zuletzt in der Klopstockstraße 17. Alle drei Wohnungen wurden im Zweiten Weltkrieg zerstört. Die Adresse Klopstockstraße 17 entspricht heute der Bartningallee 4.

Um 1937 erfolgte die Eliminierung der Juden aus dem Wirtschaftsleben. Dies geschah in Form von Zwangsverkäufen, insbesondere von kleinen jüdischen Unternehmen. Eine der angewandten Methoden war die zwangsweise Übergabe des jüdischen Geschäftsanteils an den bisherigen „arischen“ Partner. Der nationalsozialistische Bezirksvorsteher übte oft Druck auf diesen aus, seinen jüdischen Mitarbeiter loszuwerden. Georg Anker war gezwungen, sein Geschäft an seinen Assistenten zu übergeben.

Im Oktober 1938 flohen Georg Ankers ältere Brüder Arthur, Heinrich und Paul mit ihren Familien aus Danzig nach Los Angeles. Sie versuchten Georg davon zu überzeugen, mit seiner Familie mitzukommen, aber Georg wollte sein Geschäft und sein Zuhause nicht verlassen, um das Leben in einem fremden Land wieder von vorne zu beginnen.

Doch nach der Pogromnacht vom 9. November 1938 war er überzeugt, dass er und seine Familie keinen Platz mehr in Deutschland hatten. Angehörige der Hitlerjugend überfielen unter der Führung der SA die Synagoge in der Levetzowstraße und zertrümmerten Glasscheiben jüdischer Geschäfte. Zur gleichen Zeit trieben SS und Gestapo Juden in ihren Häusern zusammen und führten sie weg, einige wurden auf der Stelle umgebracht, andere sollten nie zurückkehren, die meisten mussten mehrere Wochen in Dachau oder Buchenwald verbringen, bevor sie frei kamen. Mehrere Freunde wurden verhaftet. Georg verbrachte die Nacht damit, mit der U- und S-Bahn durch Berlin zu fahren, damit er nicht zu Hause war, wenn die Gestapo ankam. Hilde erinnerte sich später, dass ihr Vater nach der Reichspogromnacht die Familie mit der Straßenbahn durch ganz Berlin mitnahm, um Zeuge der Geschichte zu werden. Sie saßen schweigend da, als sie aus den Fenstern schauten und die Schäden an jüdischen Einrichtungen sahen.

Georg und Gertrud beantragten ein Visum, doch es war äußerst schwierig, die notwendigen Unterlagen zu erhalten, um Deutschland zu verlassen. Dann tat sich die Möglichkeit auf, die Kinder mit einem Kindertransport aus Deutschland nach England zu schicken. Tausende von jüdischen Flüchtlingskindern sind auf diesem Weg nach Großbritannien gekommen.
Am 13. Juni 1939 sind Eva, Dodi und Hilde mit einem Kindertransport dort angekommen. Diese Transporte wurden von jüdischen Organisationen durchgeführt.

Als die Kinder abgereist waren, versuchte Georg ein Ausreisevisum zu erhalten. Am 8. Juli 1939 wurde er von seinem Freund, der für den Polizeipräsidenten arbeitete, angerufen. Dieser sagte: „Morgen werden sie deinen und den Danziger Pass deiner Frau beschlagnahmen und dich verhaften. Wenn ich du wäre, würde ich mit allen möglichen Mitteln gehen.“ Das offizielle Schreiben, in dem die Einziehung der Danziger Pässe der Ankers angekündigt wurde, wurde zwei Tage später verschickt. Wenn sie erst einmal ihre Pässe abgegeben hätten, gäbe es keine Chance zu entkommen, da der Pass der Freien Stadt Danzig ihre Religion nicht auflistete. Der deutsche Pass hingegen hatte ein großes J auf dem Deckel gestempelt, um seine Besitzer als jüdisch zu identifizieren.

Als sie erkannten, dass sie mit dem Verlust ihrer Danziger Staatsangehörigkeit gezwungen sein würden, in Deutschland zu bleiben, packten sie am gleichen Abend ihre Koffer, ließen Möbel und alles andere zurück und gingen zum Flughafen Tempelhof. Sie konnten keinem ihrer Freunde sagen, dass sie gehen würden, weil alles so kurzfristig und auch gefährlich war.

Am Flughafen angekommen, wurden Georg und Gertrud von Flughafenbeamten befragt, warum sie dort seien. Georg antwortete, dass sie einen wohlverdienten Urlaub machen würden. Als Georg ihre Tickets kaufte, wurde er gefragt, ob sie jüdisch seien. Er antwortete mit „nein“, denn wenn er mit „ja“ geantwortet hätte, hätten sie keine Chance gehabt, das Land zu verlassen. Eine Nazi-Beamtin nahm Gertrud in einen Raum mit und durchsuchte sie nach illegaler Schmuggelware. Sie wurde gezwungen, ihr geflochtenes Haar zu lösen, damit die SS mit einem Kamm hindurchgehen konnte. Sie flogen nach Kopenhagen und ein paar Wochen später nach England zu ihren Töchtern.

Die Familie Anker erhielt amerikanische Visa für die Danziger Quote und überquerte am 29. September 1940 von Liverpool aus den Atlantik nach St. John´s in Neufundland. Von dort ging es weiter nach Halifax in der kanadischen Provinz Nova Scotia und schließlich nach Boston in den USA. Sie reisten auf dem Landweg mit dem Greyhound-Bus nach Los Angeles, wo sie am 14. Oktober 1940 ankamen.

Sie ließen sich in Van Nuys, Kalifornien, nieder. Georg kaufte einen Bauernhof und ein Haus in der Valerio Street 14621, wo er, ein ehemaliger Hersteller von Herrenbekleidung, eine neue Karriere als Hühnerzüchter begann. Das Leben für die neuen Einwanderer war nicht einfach. Sie mussten Englisch lernen und ein Geschäft führen, mit dem sie nicht vertraut waren. Während des Krieges besuchten Georgs jüngere Töchter Dodi und Hilde die Van Nuys High School und später die University of California, Los Angeles.

Dodi heiratete Peter Lawrence im Januar 1947 in Los Angeles. Sie starb im Dezember 1947 an Tuberkulose. Eva ist seit 1948 mit Henry Florsheim verheiratet und hat drei Töchter. Hilde, die sich nun Hilda nannte, heiratete Dr. Hershel Fogelson im Jahr 1949 und hat drei Söhne, David, Steven und George, fünf Enkel und zwei Urenkel. Im Mai 2022, dem Monat der Stolpersteinverlegung für ihre Familie, wurde Hilda 96 Jahre alt.

Georg Anker starb am 6. April 1955 in Los Angeles, kurz vor seinem 70. Geburtstag.