Gertrud Anker geb. Gottschalk

Verlegeort
Bartningallee 4
Historischer Name
Klopstockstraße 17
Bezirk/Ortsteil
Hansaviertel
Verlegedatum
21. Mai 2022
Geboren
24. März 1894 in Schlawe (Pommern) / Sławno
Beruf
Buchhalterin
Flucht
1939 nach Dänemark
Überlebt

Gertrud Gottschalk war das das jüngste Kind von Hugo und Bertha Gottschalk, sie wurde am 24. März 1894 in Schlawe (Sławno) in der damaligen preußischen Provinz Pommern geboren. Gertrud hatte zwei ältere Schwestern, Nanny und Käthe, und einen älteren Bruder, Bruno. Die Gottschalks besaßen die Stadtmühle, die der Großvater Benno Gottschalk in den 1870er Jahren gegründet hatte.

Gertruds Jugend war sehr glücklich. Sie hatte viele Freunde und wurde oft von ihren Tanten, Onkeln und Cousins besucht. Ihre Familie verbrachte die Ferien in Stolpmünde, einem Seebad an der Ostsee. Käthe besuchte eine weiterführende Schule in Weimar, kehrte aber noch vor Ende des Semesters 1911 nach Schlawe zurück, weil ihr Bruder Bruno während seines Jurastudiums an der Universität München unerwartet an einer Lungenentzündung starb.

Als der Erste Weltkrieg ausbrach, traten viele der männlichen Arbeiter in die Armee ein und ließen mehrere freie Stellen in der Mühle zurück. Gertrud verbrachte die Kriegsjahre als Buchhalterin im Mühlenbüro.

Im Dezember 1920 verlobten sich Gertrud und Georg Anker, der Sohn von Simon und Henriette Anker aus Danzig, dem heutigen Gdańsk. Georg Ankers Vater Simon (1845–1935) war ein wohlhabender Getreidehändler und Leiter der jüdischen Gemeinde in Danzig.

Nach ihrer Heirat brachte Georg seine Ehefrau Gertrud nach Berlin, was eine ziemliche Veränderung verglichen mit dem Kleinstadtleben in Schlawe war. Georg Anker führte dort einen Betrieb, der Herrenbekleidung herstellte. Die ersten Jahre der Weimarer Republik fielen mit den ersten Jahren des ihres Ehelebens zusammen. Ihr Zuhause war nur einen kurzen Spaziergang vom Bahnhof Bellevue entfernt.

Sie bekamen drei Töchter: Eva, geboren am 6. Juni 1922, Dora, bekannt als Dodi, geboren am 9. Mai 1924, und Hilde, geboren am 29. Mai 1926 in der damaligen Wohnung der Familie in der Cuxhavener Straße 10. Gertrud engagierte ein Kinderfräulein sowie eine Köchin, zwei Dienstmädchen, eine englische Miss und eine französische Mademoiselle, um den Töchtern Englisch und Französisch beizubringen.

Die Familie Anker wohnte zunächst in der Wullenweberstraße 2, dann in der Cuxhavener Straße und zuletzt in der Klopstockstraße 17 (heute Bartningallee 4). Alle drei Wohnungen wurden im Zweiten Weltkrieg zerstört.

Georg und Gertrud besaßen das gesamte Gebäude in der Klopstockstraße 17, zu dem im Erdgeschoss die Bar Berliner Kindl gehörte. Die Familie Anker wohnte im mittleren Stock und das oberste Stockwerk wurde an Herrn König, einen Berliner Richter, vermietet. Er lebte dort mit seiner Frau und seiner Tochter Eva, die etwa im gleichen Alter wie Hilde war.

Nach den Nürnberger Gesetzen von 1935 war die Familie gezwungen, ihre nichtjüdischen Hausangestellten zu entlassen.

Im September 1936 verlangte ein Gesetz, das die Segregation jüdischer Kinder in staatlichen Schulen vorschrieb, dass nur jüdische Lehrer jüdische Kinder unterrichten durften. Ein 1935 erlassenes Dekret sah getrennte Schulen für Juden vor, aber Schwierigkeiten bei der Einrichtung eines jüdischen Schulsystems veranlassten die Behörden, die Verdrängung jüdischer Kinder aus den staatlichen Schulen schrittweise umzusetzen. Hilde erinnerte sich, dass Eva, ihr Freundin seit der Kindheit, angekündigte, nicht mehr mit ihr spielen zu können. Als Hilde fragte, warum, antwortete sie: „Weil meine Mutter gesagt hat, dass du Jüdin bist.“ Hilde rannte weinend zu ihrer Mutter nach Hause. Gertrud tröstete sie, indem sie sagte: „Weine nicht. Du wirst andere Freunde finden.“ Ihre Eltern versuchten immer, ein sicheres, stabiles häusliches Umfeld zu schaffen, soweit es angesichts des Aufstiegs der Nazis möglich war.

Gertrud und Georg gelang es, ihren Töchtern Plätze für einen Kindertransport zu sichern, mit dem sie am 13. Juni 1939 von Berlin nach Großbritannien fuhren. Eltern oder Erziehungsberechtigte konnten die Kinder nicht begleiten. Jüdische Organisationen organisierten die Transporte, mit denen tausende jüdische Kinder gerettet werden konnten.

Nachdem der Kindertransport in Harwich angekommen war, gingen die Schwestern mit ihren Paten nach London, um ihre Pflegefamilien zu treffen. Eva, Dodi und Hilde wurden von ihrem Onkel Leo Anker abgeholt und sie lebten für kurze Zeit auf der Farm der Familie, bevor sie in einem Internat untergebracht wurden. Viele Kinder aus dem Kindertransportprogramm blieben in Großbritannien oder wanderten nach Israel oder in die USA aus.

Als die drei Mädchen mit dem Kindertransport unterwegs waren, versuchte Georg noch ein Ausreisevisum zu erhalten. Am 8. Juli 1939 wurde er von einem Freund, der für den Polizeipräsidenten arbeitete, angerufen. Er sagte: „Morgen werden sie deinen und den Danziger Pass deiner Frau beschlagnahmen und dich verhaften. Wenn ich du wäre, würde ich mit allen möglichen Mitteln gehen.“

Es gelang Gertrud und Georg Anker noch rechtzeitig, mit dem Flugzeug nach Dänemark und von dort weiter nach England zu fliehen. Sie erhielten Visa für die USA und reisten im Herbst 1940 mit ihren Töchtern über Liverpool, Neufundland und Halifax nach Boston und von dort weiter nach Los Angeles.

Gertrud Anker starb am 4. November 1969 im Alter von 75 Jahren in ihrer neuen Heimat.

Gertruds Mutter Bertha Gottschalk und die Schwestern Nanny Lewin und Käthe Knipfer blieben in Berlin. Bertha und Nanny wurden nach Theresienstadt deportiert und Bertha wurde dort im November 1942 ermordet. Nanny wurde von Theresienstadt nach Auschwitz verschleppt und dort im Mai 1944 ermordet. Nannys Tochter Ursula Lewin wurde von Berlin nach Auschwitz deportiert und ermordet. Käthe allein überlebte Theresienstadt.

Gertrud Gottschalk war das das jüngste Kind von Hugo und Bertha Gottschalk, sie wurde am 24. März 1894 in Schlawe (Sławno) in der damaligen preußischen Provinz Pommern geboren. Gertrud hatte zwei ältere Schwestern, Nanny und Käthe, und einen älteren Bruder, Bruno. Die Gottschalks besaßen die Stadtmühle, die der Großvater Benno Gottschalk in den 1870er Jahren gegründet hatte.

Gertruds Jugend war sehr glücklich. Sie hatte viele Freunde und wurde oft von ihren Tanten, Onkels und Cousins besucht. Ihre Familie verbrachte die Ferien in Stolpmünde, einem Seebad an der Ostsee. Käthe besuchte eine weiterführende Schule in Weimar, kehrte aber noch vor Ende des Semesters 1911 nach Schlawe zurück, weil ihr Bruder Bruno während seines Jurastudiums an der Universität München unerwartet an einer Lungenentzündung starb.

Als der Erste Weltkrieg ausbrach, traten viele der männlichen Arbeiter in die Armee ein und ließen mehrere freie Stellen in der Mühle zurück. Gertrud verbrachte die Kriegsjahre als Buchhalterin im Mühlenbüro.

Im Dezember 1920 verlobten sich Gertrud und Georg Anker, der Sohn von Simon und Henriette Anker aus Danzig, dem heutigen Gdańsk. Georg Ankers Vater Simon (1845–1935) war ein wohlhabender Getreidehändler und Leiter der jüdischen Gemeinde in Danzig.

Nach ihrer Heirat brachte Georg seine Ehefrau Gertrud nach Berlin, was eine ziemliche Veränderung verglichen mit dem Kleinstadtleben in Schlawe war. Georg Anker führte dort einen Betrieb, der Herrenbekleidung herstellte. Die ersten Jahre der Weimarer Republik fielen mit den ersten Jahren des ihres Ehelebens zusammen. Ihr Zuhause war nur einen kurzen Spaziergang vom Bahnhof Bellevue entfernt.

Sie bekamen drei Töchter: Eva, geboren am 6. Juni 1922, Dora, bekannt als Dodi, geboren am 9. Mai 1924, und Hilde, geboren am 29. Mai 1926 in der damaligen Wohnung der Familie in der Cuxhavener Straße 10. Gertrud engagierte ein Kinderfräulein und eine Köchin sowie zwei Dienstmädchen, um den Töchtern Englisch und Französisch beizubringen.

Die Familie Anker wohnte zunächst in der Wullenweberstraße 2, dann in der Cuxhavener Straße und zuletzt in der Klopstockstraße 17 (heute Bartningallee 4). Alle drei Wohnungen wurden im Zweiten Weltkrieg zerstört.

Georg und Gertrud besaßen das gesamte Gebäude in der Klopstockstraße 17, zu dem im Erdgeschoss die Bar Berliner Kindl gehörte. Die Familie Anker wohnte im mittleren Stock und das oberste Stockwerk wurde an Herrn König, einen Berliner Richter, vermietet. Er lebte dort mit seiner Frau und seiner Tochter Eva, die etwa im gleichen Alter wie Hilde war.

Nach den Nürnberger Gesetzen von 1935 war die Familie gezwungen, ihre nichtjüdischen Hausangestellten zu entlassen.

Seit 1933 war der Schulbesuch für Jüdinnen und Juden streng quotiert. Diskriminierungen und Anfeindungen jüdischer Schülerinnen und Schüler auf staatlichen Schulen gehörten zum Alltag im sogenannten „Dritten Reich“. Hilde erinnerte sich, dass Eva, ihre Freundin seit der Kindheit, angekündigt hatte, nicht mehr mit ihr spielen zu können. Als Hilde fragte, warum, antwortete sie: „Weil meine Mutter gesagt hat, dass du Jüdin bist.“ Hilde rannte weinend zu ihrer Mutter nach Hause. Gertrud tröstete sie, indem sie sagte: „Weine nicht. Du wirst andere Freunde finden.“ Ihre Eltern versuchten immer, ein sicheres, stabiles häusliches Umfeld zu schaffen, soweit es angesichts des Aufstiegs der Nazis möglich war.

Gertrud und Georg gelang es, ihren Töchtern Plätze für einen Kindertransport zu sichern, mit dem sie am 13. Juni 1939 von Berlin nach Großbritannien fuhren. Eltern oder Erziehungsberechtigte konnten die Kinder nicht begleiten. Jüdische Organisationen organisierten die Transporte, mit denen tausende jüdische Kinder gerettet werden konnten.

Nachdem der Kindertransport in Harwich angekommen war, gingen die Schwestern mit ihren Paten nach London, um ihre Pflegefamilien zu treffen. Eva, Dodi und Hilde wurden von ihrem Onkel Leo Anker abgeholt und sie lebten für kurze Zeit auf der Farm der Familie, bevor sie in einem Internat untergebracht wurden. Viele Kinder aus dem Kindertransportprogramm blieben in Großbritannien oder wanderten nach Israel oder in die USA aus.

Als die drei Mädchen mit dem Kindertransport unterwegs waren, versuchte Georg noch ein Ausreisevisum zu erhalten. Am 8. Juli 1939 wurde er von einem Freund, der für den Polizeipräsidenten arbeitete, angerufen. Er sagte: „Morgen werden sie deinen und den Danziger Pass deiner Frau beschlagnahmen und dich verhaften. Wenn ich du wäre, würde ich mit allen möglichen Mitteln gehen.“

Es gelang Gertrud und Georg Anker noch rechtzeitig, mit dem Flugzeug nach Dänemark und von dort weiter nach England zu fliehen. Sie erhielten Visa für die USA und reisten im Herbst 1940 mit ihren Töchtern über Liverpool, Neufundland und Halifax nach Boston und von dort weiter nach Los Angeles.

Gertrud Anker starb am 4. November 1969 im Alter von 75 Jahren in ihrer neuen Heimat.

Gertruds Mutter Bertha Gottschalk und die Schwestern Nanny Lewin und Käthe Knipfer blieben in Berlin. Die drei wurden nach Theresienstadt deportiert. Bertha wurde dort im November 1942 ermordet. Nanny wurde von Theresienstadt nach Auschwitz verschleppt und fand dort im Mai 1944 den Tod. Nannys Tochter Ursula Lewin wurde von Berlin nach Auschwitz deportiert. Auch sie kam im Lager um. Käthe allein überlebte Theresienstadt.