Gerhard Kopper

Verlegeort
Claszeile 57
Bezirk/Ortsteil
Zehlendorf
Verlegedatum
29. März 2017
Geboren
16. Mai 1931 in Berlin
Deportation
am 23. März 1944 nach Hadamar
Ermordet
08. April 1944 in Hadamar

Gerhard Kopper war einer von fünf Jungen aus dem „Haus Kinderschutz", der in der Tötungsanstalt Hadamar ermordet wurde – am 8. April 1944 um 5 Uhr morgens.<br />
Gerhard wurde am 16. Mai 1931 als eines von drei Kindern der Eheleute Arthur und Lucie Kopper geboren. Beide Eltern waren Arbeiter. Über den Vater erfährt man aus der Akte, dass er "Jude" und "Gelegenheitsarbeiter mit geringem Verdienst" sei. Die Ehe der Eltern wurde am 10. November 1933 geschieden, die Mutter für allein schuldig erklärt. Die Kinder blieben dennoch bei der Mutter, wurden Anfang 1936 evangelisch getauft und "wie arische Kinder erzogen". Im März 1939 heiratete die Mutter den Arbeiter Albert Lück. Die Eltern waren laut Akte erwerbstätig, die häuslichen Verhältnisse galten als "geordnet".<br />
Gerhard besuchte die 3. Klasse der "1. Volksschule" in der Georgenkirchstraße in Berlin-Mitte. In<br />
Gerhards frühen Kinderjahren seien die familiären Bedingungen jedoch wegen der Zerrüttung der ersten Ehe und der langen Krankheit der Mutter sehr schwierig gewesen, weshalb er keine "ruhige Entwicklung und geordnete Erziehung" erfahren habe: "Seine charakterliche Veranlagung und die Folgen dieses Mangels wirkten sich ganz plötzlich als erhebliche Verwahrlosungserscheinungen aus."Unter dem Einfluss" zweier Nachbarjungen beteiligte sich Gerhard, der als "willensschwach" und "äußerst leicht beeinflussbar" bezeichnet wird, an kleineren Diebstählen und wurde wegen "Herumtreiberei" im Sommer 1940 mehrmals von der Polizei aufgegriffen. Auch die Schule schwänzte er während dieser Zeit. Die Mutter und der Stiefvater beantragten im Juli 1940 offenbar selbst die Unterbringung in einer Fürsorgeeinrichtung. Die Heimunterbringung Gerhards wurde unverzüglich vom Amtsgericht Berlin angeordnet und ihm ein Amtspfleger, ein Berliner Rechtsanwalt, zugewiesen. Bevor Gerhard am 30. Januar 1941 im "Haus Kinderschutz" aufgenommen wurde, scheint er schon in einem der Stadt Berlin unterstehenden Kinderheim in Hohen Neuendorf untergebracht worden zu sein.<br />
Das "Haus Kinderschutz" legte am 27. Februar 1941 einen Bericht über Gerhard vor. Darin heißt es,dass Gerhard sich "ohne Schwierigkeiten" eingeordnet habe, einen noch sehr kindlichen Eindruck mache, sich in der Gemeinschaft ruhig verhalte und gut gehorche. Er sei sehr scheu, spreche wenig und nur auf Befragen. Intellektuell sei er ausreichend begabt, seine schulischen Leistungen seien z.T. unter dem Durchschnitt, doch könnten sich durch genügend Aufsicht und Nachhilfe die Lücken beheben lassen. "In praktischen Dingen zeigt sich der Junge eifrig, hilft gern, möchte es den größeren Kameraden gern gleich tun und ist für sein Alter schon recht umsichtig und selbständig. [ ... ] Größere Unregelmäßigkeiten und Unehrlichkeit ließ er sich während der Zeit seines Hierseins nicht zuschulden kommen." Abschließend wurde angemerkt, dass Gerhard unter sorgsamer Erziehung eine günstige Entwicklung nehmen könne. Doch schon einen Monat später, am 5. März 1941, wurde er ohne ersichtliche Gründe vom "Haus Kinderschutz" in ein anderes Heim, das Spandauer Kinderheim Ückeritz auf Usedom, überwiesen, wo er bis 18. Februar 1944 blieb und die Dorfschule besuchte. Die an das Jugendamt Berlin 1942 und 1943 übermittelten Berichte der dortigen Erzieherinnen über Gerhards Entwicklung waren überwiegend negativ.<br />
Aus der Akte geht hervor, dass die Eltern und die Großmutter mit Gerhard über Briefe Verbindung hielten. Gerhard selbst bat, in eine Familienpflegestelle bei einem Bauern in Neustadt a. d. Dosse aufgenommen zu werden, wo seine Schwester Inge untergebracht war. Seine Bitte wurde von der Heimleiterin mit der pauschalen Begründung abgelehnt, er sei "für eine Familienpflegestelle ungeeignet". Im Dezember 1942 durfte Gerhard immerhin über Weihnachten seine Familie besuchen, obwohl die Heimleiterin als linientreue Bedenkenträgerin beim Jugendamt Berlin angefragt hatte: "Werden Mischlinge 1. Grades in arische Haushalte gegeben?" Diese Heimleiterin führte in ihren folgenden Berichten an das Jugendamt ständige Klagen über den Jungen an, die auch unverhüllt antisemitische Einstellungen beinhalten: Gerhard sei "nur wenig zu Hilfsleistungen in Küche und Haus heranzuziehen, da er sehr unappetitlich ist und alle Bemühungen, ihn zur Sauberkeit zu erziehen, fehlgeschlagen sind", auch sei er "vollkommen gleichgültig gegen Strafen und Ermahnungen und gibt dadurch seinen Kameraden ein sehr schlechtes Beispiel". Er würde von den meisten Kindern abgelehnt, besonders aber vom Dorfschullehrer, "erstens, weil der Junge Halbjude ist und rein äußerlich abstoßend wirkt, und zweitens, weil des Jungen Gleichgültigkeit für alles schulische Wissen keine Grenzen kennt". Deshalb sei "Kopper wenn irgend möglich einem anderen Heim zuzuführen".<br />
Vom Jugendamt Berlin kam im Dezember 1943 die Mitteilung, eine Rückführung in das "Haus<br />
Kinderschutz" sei nicht möglich, weil dort kein Schulbetrieb mehr bestehe. Man müsse abwarten,<br />
bis ein entsprechendes Heim eröffnet werde. Als Heimatanschrift Gerhards vermerkt die Akte<br />
immer das "Haus Kinderschutz". Er wurde aber offensichtlich noch bis 17. Februar 1944 in<br />
Ückeritz verpflegt, kam danach bis zum 25. Februar 1944 in ein Heim nach Süd-Ostpreußen und<br />
von dort am 23. März 1944 nach Hadamar. Als Erkrankung und Todesursache wurde "Darmgrippe" eingetragen.<br />
Die Mutter Lude Lück quittierte am 9. April die Aushändigung eines Postsparbuchs und von drei<br />
Kleidungsstücken ihres Sohnes - 1 Mantel, 1 Sporthemd und 1 Paar Strümpfe -, obwohl bei seiner Einlieferung 21 Teile auf einer Liste vom 23. März 1944 verzeichnet wurden. Es ist anzunehmen, dass die Anstaltsleitung sich auch noch den Rest der bescheidene Habe des Ermordeten aneignete. Der Mutter wurde zudem mitgeteilt, dass dem Jugendamt Berlin die Pflegekosten für Gerhard in Hadamar in Rechnung gestellt würden.

Gerhard Kopper war einer von fünf Jungen aus dem „Haus Kinderschutz", der in der Tötungsanstalt Hadamar ermordet wurde – am 8. April 1944 um 5 Uhr morgens.
Gerhard wurde am 16. Mai 1931 als eines von drei Kindern der Eheleute Arthur und Lucie Kopper geboren. Beide Eltern waren Arbeiter. Über den Vater erfährt man aus der Akte, dass er "Jude" und "Gelegenheitsarbeiter mit geringem Verdienst" sei. Die Ehe der Eltern wurde am 10. November 1933 geschieden, die Mutter für allein schuldig erklärt. Die Kinder blieben dennoch bei der Mutter, wurden Anfang 1936 evangelisch getauft und "wie arische Kinder erzogen". Im März 1939 heiratete die Mutter den Arbeiter Albert Lück. Die Eltern waren laut Akte erwerbstätig, die häuslichen Verhältnisse galten als "geordnet".
Gerhard besuchte die 3. Klasse der "1. Volksschule" in der Georgenkirchstraße in Berlin-Mitte. In
Gerhards frühen Kinderjahren seien die familiären Bedingungen jedoch wegen der Zerrüttung der ersten Ehe und der langen Krankheit der Mutter sehr schwierig gewesen, weshalb er keine "ruhige Entwicklung und geordnete Erziehung" erfahren habe: "Seine charakterliche Veranlagung und die Folgen dieses Mangels wirkten sich ganz plötzlich als erhebliche Verwahrlosungserscheinungen aus."Unter dem Einfluss" zweier Nachbarjungen beteiligte sich Gerhard, der als "willensschwach" und "äußerst leicht beeinflussbar" bezeichnet wird, an kleineren Diebstählen und wurde wegen "Herumtreiberei" im Sommer 1940 mehrmals von der Polizei aufgegriffen. Auch die Schule schwänzte er während dieser Zeit. Die Mutter und der Stiefvater beantragten im Juli 1940 offenbar selbst die Unterbringung in einer Fürsorgeeinrichtung. Die Heimunterbringung Gerhards wurde unverzüglich vom Amtsgericht Berlin angeordnet und ihm ein Amtspfleger, ein Berliner Rechtsanwalt, zugewiesen. Bevor Gerhard am 30. Januar 1941 im "Haus Kinderschutz" aufgenommen wurde, scheint er schon in einem der Stadt Berlin unterstehenden Kinderheim in Hohen Neuendorf untergebracht worden zu sein.
Das "Haus Kinderschutz" legte am 27. Februar 1941 einen Bericht über Gerhard vor. Darin heißt es,dass Gerhard sich "ohne Schwierigkeiten" eingeordnet habe, einen noch sehr kindlichen Eindruck mache, sich in der Gemeinschaft ruhig verhalte und gut gehorche. Er sei sehr scheu, spreche wenig und nur auf Befragen. Intellektuell sei er ausreichend begabt, seine schulischen Leistungen seien z.T. unter dem Durchschnitt, doch könnten sich durch genügend Aufsicht und Nachhilfe die Lücken beheben lassen. "In praktischen Dingen zeigt sich der Junge eifrig, hilft gern, möchte es den größeren Kameraden gern gleich tun und ist für sein Alter schon recht umsichtig und selbständig. [ ... ] Größere Unregelmäßigkeiten und Unehrlichkeit ließ er sich während der Zeit seines Hierseins nicht zuschulden kommen." Abschließend wurde angemerkt, dass Gerhard unter sorgsamer Erziehung eine günstige Entwicklung nehmen könne. Doch schon einen Monat später, am 5. März 1941, wurde er ohne ersichtliche Gründe vom "Haus Kinderschutz" in ein anderes Heim, das Spandauer Kinderheim Ückeritz auf Usedom, überwiesen, wo er bis 18. Februar 1944 blieb und die Dorfschule besuchte. Die an das Jugendamt Berlin 1942 und 1943 übermittelten Berichte der dortigen Erzieherinnen über Gerhards Entwicklung waren überwiegend negativ.
Aus der Akte geht hervor, dass die Eltern und die Großmutter mit Gerhard über Briefe Verbindung hielten. Gerhard selbst bat, in eine Familienpflegestelle bei einem Bauern in Neustadt a. d. Dosse aufgenommen zu werden, wo seine Schwester Inge untergebracht war. Seine Bitte wurde von der Heimleiterin mit der pauschalen Begründung abgelehnt, er sei "für eine Familienpflegestelle ungeeignet". Im Dezember 1942 durfte Gerhard immerhin über Weihnachten seine Familie besuchen, obwohl die Heimleiterin als linientreue Bedenkenträgerin beim Jugendamt Berlin angefragt hatte: "Werden Mischlinge 1. Grades in arische Haushalte gegeben?" Diese Heimleiterin führte in ihren folgenden Berichten an das Jugendamt ständige Klagen über den Jungen an, die auch unverhüllt antisemitische Einstellungen beinhalten: Gerhard sei "nur wenig zu Hilfsleistungen in Küche und Haus heranzuziehen, da er sehr unappetitlich ist und alle Bemühungen, ihn zur Sauberkeit zu erziehen, fehlgeschlagen sind", auch sei er "vollkommen gleichgültig gegen Strafen und Ermahnungen und gibt dadurch seinen Kameraden ein sehr schlechtes Beispiel". Er würde von den meisten Kindern abgelehnt, besonders aber vom Dorfschullehrer, "erstens, weil der Junge Halbjude ist und rein äußerlich abstoßend wirkt, und zweitens, weil des Jungen Gleichgültigkeit für alles schulische Wissen keine Grenzen kennt". Deshalb sei "Kopper wenn irgend möglich einem anderen Heim zuzuführen".
Vom Jugendamt Berlin kam im Dezember 1943 die Mitteilung, eine Rückführung in das "Haus
Kinderschutz" sei nicht möglich, weil dort kein Schulbetrieb mehr bestehe. Man müsse abwarten,
bis ein entsprechendes Heim eröffnet werde. Als Heimatanschrift Gerhards vermerkt die Akte
immer das "Haus Kinderschutz". Er wurde aber offensichtlich noch bis 17. Februar 1944 in
Ückeritz verpflegt, kam danach bis zum 25. Februar 1944 in ein Heim nach Süd-Ostpreußen und
von dort am 23. März 1944 nach Hadamar. Als Erkrankung und Todesursache wurde "Darmgrippe" eingetragen.
Die Mutter Lude Lück quittierte am 9. April die Aushändigung eines Postsparbuchs und von drei
Kleidungsstücken ihres Sohnes - 1 Mantel, 1 Sporthemd und 1 Paar Strümpfe -, obwohl bei seiner Einlieferung 21 Teile auf einer Liste vom 23. März 1944 verzeichnet wurden. Es ist anzunehmen, dass die Anstaltsleitung sich auch noch den Rest der bescheidene Habe des Ermordeten aneignete. Der Mutter wurde zudem mitgeteilt, dass dem Jugendamt Berlin die Pflegekosten für Gerhard in Hadamar in Rechnung gestellt würden.