Helga Oppenheim geb. Lewinnek

Verlegeort
Mommsenstr. 47
Bezirk/Ortsteil
Charlottenburg
Verlegedatum
22. Februar 2019
Geboren
20. Juni 1922 in Berlin
Deportation
am 14. Oktober 1943 nach Auschwitz
Ermordet
in Auschwitz
Helga Oppenheim wurde als Helga Lewinnek am 20. Juni 1922 in Berlin geboren. Die Eltern waren Lesser Leo Lewinnek und Elli Margot geb. Danziger. Sie hatten im November 1919 geheiratet und waren in die Landauer Straße 16 gezogen. 1924 wechselten sie in eine Wohnung am Kurfürstendamm 93. Um 1927 bekamen sie eine zweite Tochter, Rena.
1920 hatte Leo Lewinnek mit seinem Bruder Martin ein Unternehmen zum Vertrieb von Blusen und Damenkleidung gegründet, Lewinnek & Co., mit Sitz in der Kronenstraße 33. Das Geschäft scheint aber nicht gut gegangen zu sein: 1923 stieg Martin Lewinnek aus, Leo musste 1926 Konkurs anmelden, möglicherweise eine Folge der Inflation. Im gleichen Jahr eröffnete Elli in der nahgelegenen Niederwallstraße 33 ein Modeatelier in der ersten Etage. Leo konnte durch Zwangsvergleich den Konkurs abwenden und nahm 1928 seinen Betrieb wieder auf, nun auch in der Niederwallstraße 33. Dazu kommentiert die Industrie und Handelskammer (IHK), die Firma „Lewinnek & Co.“ stehe mit der Firma „Elli Lewinnek“ „in Raum- und Personalgemeinschaft“. Auch Ellis Unternehmen scheint glücklos gewesen zu sein, 1929 wechselte das Geschäftslokal (und damit wohl auch Leos) laut IHK in die Kronenstraße 16, zwei Jahre später wurde Ellis Firma gelöscht. Ein weiterer Anlass könnte die Scheidung von Leo gewesen sein, laut IHK habe Elli „das Geschäft dem geschiedenen Ehemann übergeben, der es unter seinem Namen fortführt“. Bedeutend kann das Geschäft nicht gewesen sein, in der Kronenstraße 16 hatte Leo laut Polizei nur ein Zimmer, das ihm als Geschäftsraum diente. Elli zog, sicherlich mit den Töchtern, in die Wielandstraße 13. Sie wurde, auch das wusste die IHK, „von dem geschiedenen Ehemann unterhalten“.
Wie Elli mit Helga und Rena einerseits und Leo andererseits sich weiter durchschlugen, bleibt unklar, denn nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde das Leben der beiden als Juden zusätzlich erschwert. Leo soll laut IHK bereits 1931 den Betrieb eingestellt haben, 1936 beantragte er auf Drängen des Gewerbeamtes die Löschung seiner Firma. Leo war mittlerweile an den Kurfürstendamm 146 umgezogen und betrieb dort nun eine Schneiderwerkstatt – ohne Anmeldung bei der IHK –, die er in das Adressbuch mal als „Modesalon“, mal als „Modelle“ mal als „Damenmoden“ eintragen ließ.
Gut möglich, dass auch Elli Lewinnek in ihrer Wohnung weiter Schneiderarbeiten ausführte, und nicht unwahrscheinlich, dass Helga – 1938 war sie 16 Jahre alt – dabei helfen musste. Da der Besuch staatlicher Schulen für Juden zunächst erschwert, schließlich ganz verboten wurde, war es nicht einfach für Helga, eine Berufsausbildung zu machen. Ein späteres Dokument gibt für Helga den Beruf Schneiderin an. Vermutlich lernte sie bei der Mutter, denn Ausbildungsplätze fanden sich nur noch in jüdischen Betrieben, und diese verschwanden schließlich auch durch die „Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben“ vom 12. November 1938. Dies war eine der vielen Verordnungen, die auf die Pogrome vom 9./10. November folgten, und die das bis dahin schon mühsame Leben der Juden völlig unerträglich machten. Um diese Zeit sah sich Elli Lewinnek gezwungen, in eine Wohnung – oder ein Zimmer – in der Mommsenstraße 57 umzuziehen. Möglicherweise war hier zu wenig Raum, um beide Töchter bei sich zu haben. Jedenfalls wurde am Tag der Volkszählung vom 17. Mai 1939 die noch 16-jährige Helga nicht dort, sondern in der Mommsenstraße 47 erfasst. Kurz nach ihrem 18. Geburtstag, am 29. Juni 1940, wurde das junge Mädchen zur Zwangsarbeit bei den Siemens-Schuckert-Werken und bei der IG Farben in Lichtenberg herangezogen.
Am 15. Mai 1941 heiratete Helga den sechs Jahre älteren Kurt Oppenheim. Kurt hatte bis dahin in der Droysenstraße 5 gewohnt und war von Beruf Kaufmann, mit Sicherheit aber auch zur Zwangsarbeit verpflichtet. Das Paar zog in die Mommsenstraße 22, zur Untermiete bei Sophie Sohrauer. Kurz darauf, Anfang November 1941, wurde Helgas Mutter Elli, noch in der Mommsenstraße 57 wohnhaft, mit einem der ersten Deportationszüge nach Lodz verschleppt, wo sie im Ghetto am 22. Februar 1943 zu Tode kam. Ihre jüngste Tochter Rena konnte noch Anfang Juni 1939 mit einem Kindertransport nach England gerettet werden.
Im Januar 1943 beschlossen Helga und Kurt Oppenheim unterzutauchen. Vielleicht war der Auslöser, dass am 12. Januar 1943 ihre Vermieterin Sophie Sohrauer, 1888 in Warschau geboren, deportiert wurde. Sie wurde in Auschwitz ermordet. Anfang Oktober 1943 wurden Helga und Kurt jedoch aufgegriffen, möglicherweise getrennt voneinander, denn sie wurden nicht gemeinsam deportiert. Am 14. Oktober 1943 wurde Helga nach Auschwitz verschleppt, Kurt Oppenheim am 29. Oktober 1943. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass beide, 21 und 27 Jahre alt, zunächst zur Zwangsarbeit „selektiert“ wurden. In diesem Fall sind sie aufgrund der unmenschlichen Lebens- und Arbeitsbedingungen der „Vernichtung durch Arbeit“ zum Opfer gefallen, denn es ist nicht bekannt, dass sie überlebt hätten. Ob ein 35 Jahre alter Kurt Oppenheim, der 1952 von Le Havre mit der „Ile de France“ nach New York fuhr, mit Helgas Ehemann identisch ist, kann nicht nachgewiesen werden.
Über Helgas Vater Leo Lewinnek meldete die Polizei 1943, er habe sich am 12. Februar 1939 nach New York abgemeldet. Doch ist er nicht dorthin gelangt. Er kam wohl nur bis Belgien oder Frankreich, wurde dort verhaftet, in Drancy interniert und am 28. August 1942 nach Auschwitz deportiert. Dort wurde der inzwischen 54-Jährige umgebracht. Kurz davor, am 17. August 1942, war Leos zwei Jahre jüngerer Bruder Martin Lewinnek ebenfalls von Drancy aus nach Auschwitz deportiert worden und dort ermordet.
Helga Oppenheim wurde als Helga Lewinnek am 20. Juni 1922 in Berlin geboren. Die Eltern waren Lesser Leo Lewinnek und Elli Margot geb. Danziger. Sie hatten im November 1919 geheiratet und waren in die Landauer Straße 16 gezogen. 1924 wechselten sie in eine Wohnung am Kurfürstendamm 93. Um 1927 bekamen sie eine zweite Tochter, Rena.
1920 hatte Leo Lewinnek mit seinem Bruder Martin ein Unternehmen zum Vertrieb von Blusen und Damenkleidung gegründet, Lewinnek & Co., mit Sitz in der Kronenstraße 33. Das Geschäft scheint aber nicht gut gegangen zu sein: 1923 stieg Martin Lewinnek aus, Leo musste 1926 Konkurs anmelden, möglicherweise eine Folge der Inflation. Im gleichen Jahr eröffnete Elli in der nahgelegenen Niederwallstraße 33 ein Modeatelier in der ersten Etage. Leo konnte durch Zwangsvergleich den Konkurs abwenden und nahm 1928 seinen Betrieb wieder auf, nun auch in der Niederwallstraße 33. Dazu kommentiert die Industrie und Handelskammer (IHK), die Firma „Lewinnek & Co.“ stehe mit der Firma „Elli Lewinnek“ „in Raum- und Personalgemeinschaft“. Auch Ellis Unternehmen scheint glücklos gewesen zu sein, 1929 wechselte das Geschäftslokal (und damit wohl auch Leos) laut IHK in die Kronenstraße 16, zwei Jahre später wurde Ellis Firma gelöscht. Ein weiterer Anlass könnte die Scheidung von Leo gewesen sein, laut IHK habe Elli „das Geschäft dem geschiedenen Ehemann übergeben, der es unter seinem Namen fortführt“. Bedeutend kann das Geschäft nicht gewesen sein, in der Kronenstraße 16 hatte Leo laut Polizei nur ein Zimmer, das ihm als Geschäftsraum diente. Elli zog, sicherlich mit den Töchtern, in die Wielandstraße 13. Sie wurde, auch das wusste die IHK, „von dem geschiedenen Ehemann unterhalten“.
Wie Elli mit Helga und Rena einerseits und Leo andererseits sich weiter durchschlugen, bleibt unklar, denn nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde das Leben der beiden als Juden zusätzlich erschwert. Leo soll laut IHK bereits 1931 den Betrieb eingestellt haben, 1936 beantragte er auf Drängen des Gewerbeamtes die Löschung seiner Firma. Leo war mittlerweile an den Kurfürstendamm 146 umgezogen und betrieb dort nun eine Schneiderwerkstatt – ohne Anmeldung bei der IHK –, die er in das Adressbuch mal als „Modesalon“, mal als „Modelle“ mal als „Damenmoden“ eintragen ließ.
Gut möglich, dass auch Elli Lewinnek in ihrer Wohnung weiter Schneiderarbeiten ausführte, und nicht unwahrscheinlich, dass Helga – 1938 war sie 16 Jahre alt – dabei helfen musste. Da der Besuch staatlicher Schulen für Juden zunächst erschwert, schließlich ganz verboten wurde, war es nicht einfach für Helga, eine Berufsausbildung zu machen. Ein späteres Dokument gibt für Helga den Beruf Schneiderin an. Vermutlich lernte sie bei der Mutter, denn Ausbildungsplätze fanden sich nur noch in jüdischen Betrieben, und diese verschwanden schließlich auch durch die „Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben“ vom 12. November 1938. Dies war eine der vielen Verordnungen, die auf die Pogrome vom 9./10. November folgten, und die das bis dahin schon mühsame Leben der Juden völlig unerträglich machten. Um diese Zeit sah sich Elli Lewinnek gezwungen, in eine Wohnung – oder ein Zimmer – in der Mommsenstraße 57 umzuziehen. Möglicherweise war hier zu wenig Raum, um beide Töchter bei sich zu haben. Jedenfalls wurde am Tag der Volkszählung vom 17. Mai 1939 die noch 16-jährige Helga nicht dort, sondern in der Mommsenstraße 47 erfasst. Kurz nach ihrem 18. Geburtstag, am 29. Juni 1940, wurde das junge Mädchen zur Zwangsarbeit bei den Siemens-Schuckert-Werken und bei der IG Farben in Lichtenberg herangezogen.
Am 15. Mai 1941 heiratete Helga den sechs Jahre älteren Kurt Oppenheim. Kurt hatte bis dahin in der Droysenstraße 5 gewohnt und war von Beruf Kaufmann, mit Sicherheit aber auch zur Zwangsarbeit verpflichtet. Das Paar zog in die Mommsenstraße 22, zur Untermiete bei Sophie Sohrauer. Kurz darauf, Anfang November 1941, wurde Helgas Mutter Elli, noch in der Mommsenstraße 57 wohnhaft, mit einem der ersten Deportationszüge nach Lodz verschleppt, wo sie im Ghetto am 22. Februar 1943 zu Tode kam. Ihre jüngste Tochter Rena konnte noch Anfang Juni 1939 mit einem Kindertransport nach England gerettet werden.
Im Januar 1943 beschlossen Helga und Kurt Oppenheim unterzutauchen. Vielleicht war der Auslöser, dass am 12. Januar 1943 ihre Vermieterin Sophie Sohrauer, 1888 in Warschau geboren, deportiert wurde. Sie wurde in Auschwitz ermordet. Anfang Oktober 1943 wurden Helga und Kurt jedoch aufgegriffen, möglicherweise getrennt voneinander, denn sie wurden nicht gemeinsam deportiert. Am 14. Oktober 1943 wurde Helga nach Auschwitz verschleppt, Kurt Oppenheim am 29. Oktober 1943. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass beide, 21 und 27 Jahre alt, zunächst zur Zwangsarbeit „selektiert“ wurden. In diesem Fall sind sie aufgrund der unmenschlichen Lebens- und Arbeitsbedingungen der „Vernichtung durch Arbeit“ zum Opfer gefallen, denn es ist nicht bekannt, dass sie überlebt hätten. Ob ein 35 Jahre alter Kurt Oppenheim, der 1952 von Le Havre mit der „Ile de France“ nach New York fuhr, mit Helgas Ehemann identisch ist, kann nicht nachgewiesen werden.
Über Helgas Vater Leo Lewinnek meldete die Polizei 1943, er habe sich am 12. Februar 1939 nach New York abgemeldet. Doch ist er nicht dorthin gelangt. Er kam wohl nur bis Belgien oder Frankreich, wurde dort verhaftet, in Drancy interniert und am 28. August 1942 nach Auschwitz deportiert. Dort wurde der inzwischen 54-Jährige umgebracht. Kurz davor, am 17. August 1942, war Leos zwei Jahre jüngerer Bruder Martin Lewinnek ebenfalls von Drancy aus nach Auschwitz deportiert worden und dort ermordet.