Elfriede Friedemann geb. Frank

Verlegeort
Stierstr. 19
Bezirk/Ortsteil
Friedenau
Verlegedatum
19. März 2014
Geboren
29. Juni 1878 in Brandenburg
Überlebt
12. Juli 1970

Elfriede Frank wurde am 29. Juni 1878 in Brandenburg (Havel) in eine jüdische Familie hineingeboren. Später konvertierte sie zum Christentum. Sie war verheiratet mit dem Justizrat, Rechtsanwalt und Notar Gustav Friedemann. Am 7. Mai 1906 wurde die gemeinsame Tochter Susanne geboren. Die Familie lebte in der Potsdamer Straße 35, wo Gustav Friedemann auch seine Praxis hatte. Gustav Friedemann starb im Jahr 1933. Nach dem Tod des Ehemannes zog Elfriede Friedemann mit ihrer Tochter Susanne (s. dort) und deren Ehemann, Dr. Botho Holländer (s. dort), in das Mietshaus in der Stierstraße 19. Sie war als alleinige Mehrheitsgesellschafterin und Geschäftsführerin der Hausfrieden-Grundstücks-GmbH, der das Haus gehörte, Eigentümerin der Stierstraße 19. Sie bestritt ihren Lebensunterhalt mit dem Gehalt als Geschäftsführerin und der Kapitalverzinsung des Stammkapitals der Gesellschaft. 1939 aber musste sie einen Verwalter für das Haus bestellen. Den "arischen" Mietern konnte es angeblich nicht mehr zugemutet werden, ihre Miete an eine Jüdin zu bezahlen, wie sie selbst später in ihren Entschädigungsantragsunterlagen angab. Im März 1942 wurde sie aufgefordert, sich für eine Deportation bereit zu halten. Einen Tag vor dem vorgesehenen Abtransport machte sie sich gemeinsam mit ihrer Nichte mit einem Handkoffer auf den Weg zu einer Freundin nach Strausberg, östlich von Berlin. In einem zurückgelassenen Brief kündigte sie ihren Selbstmord an. Ihre Tochter Susanne stellte daraufhin bei der Polizei in Friedenau eine Vermisstenanzeige. Die Gestapo nahm den Brief ernst und meldete sie mit dem Vermerk "SM" (für Selbstmord) beim Einwohnermeldeamt ab. In einer Gastwirtschaft in Zernsdorf trafen die beiden Frauen eine Frau Pröhl, die ihn beiden versprach, sie in die Schweiz zu schleusen. Dafür nahm sie ihnen ein goldenes Armband ab, ging aber gleichzeitig zur Polizei und denunzierte sie dort. Ein Polizist, der die beiden Frauen befragte, gab Elfriede Friedemann den Rat, sich wieder in ihre Wohnung zu begeben. Die Nichte allerdings wurde in das Polizeigefängnis am Alexanderplatz eingeliefert, später nach Warschau deportiert und dort ermordet. In Berlin zurück, fand Elfriede Friedemann weitere Helfer, bei denen sie abwechselnd bis zum November 1943 wohnte. Sie wandte sich insbesondere an ein Mitglied der Bekennenden Kirche, die eine Innere Mission in Zehlendorf leitete. Diese wiederum verwies sie an die Oberin eines Heimes für "gefallene Mädchen". Gleichzeitig erhielt sie von einem weiteren Mitglied der Bekennenden Kirche, einem ehemaligen Regierungspräsidenten, einen gefälschten Postausweis. Damit fuhr sie nach Stuttgart, um Pfarrer Kurt Müller, ein Mitglied der Württembergischen Pfarrhauskette, zu treffen. Dieser Bruderring oder Bruderrat, wie die Pfarrhauskette auch hieß, brachte Verfolgte unter und verbarg deren Identität. Der Pfarrhauskette gehörten insgesamt sechzig schwäbische Pfarrhäuser an. Aus Elfriede Friedemann wurde Gertrud Braun. Sie wurde im Pfarrhaus Gümbel in Stuttgart-Zuffenhausen versteckt. Wilhelm und Elisabeth Gümbel waren ebenfalls Mitglieder der Bekennenden Kirche und wiederholt wegen widerständigen Verhaltens aufgefallen. Den sieben Kindern der Gümbels wurde mitgeteilt, dass Frau "Braun" ausgebombt sei. Ruth Gümbel, eines der Kinder, beschrieb sie später als gut gekleidete ältere Dame, die sehr ängstlich gewesen sei. Von den Pfarrerskindern erhielt sie deshalb den Spitznamen "Zitterpappel". Von dort wurde sie zu Pfarrer Pfäfflin in Waldenbuch vermittelt. Weiter ging es nach Wankheim zu Pfarrer Gölz, der später selbst in einem Konzentrationslager landete, weil er einen jüdischen Berliner Arzt bei sich untergebracht hatte und gegenüber der Gestapo nicht lügen konnte. Insgesamt war Elfriede Friedemann in zehn verschiedenen Haushalten untergetaucht, sieben davon waren Pfarrhäuser. Die körperlichen und seelischen Strapazen forderten aber ihren Tribut. Der ständige Wohnortwechsel, weite Fußwanderungen, die ständige Angst, während einer Bahnfahrt erkannt zu werden, sowie das Erlebnis des Granatenbeschusses der Franzosen auf Stuttgart, hatten an ihre Kräften gezehrt. Sie hatte sich deshalb im Laufe dieses Lebens im Ausnahmezustand ein massives Herzleiden zugezogen. Erst 1946 konnte sie in Stuttgart einen Arzt konsultieren. Danach kehrte sie nach Berlin zu ihrer Tochter zurück, erlitt einen Herzinfarkt und lag sieben Monate im Krankenhaus. Nach ihrer Genesung zog sie nach Erlangen, wo sie ihrem Großneffen Hans-Joachim Schoeps den Haushalt führte. <br />
In den 1950er Jahren stellte Elfriede Friedemann Anträge auf Entschädigung. Sie erhielt zwar eine kleine Rente, jedoch bis 1952 keine Entschädigungszahlungen. Ihre Tochter Susanne, die ebenfalls im Untergrund überlebt hatte, stellte deshalb im Juni 1952 den dringenden Antrag, einen Vorschuss auf die Ansprüche ihrer Mutter zu zahlen. Zu diesem Zeitpunkt lag Elfriede Friedemann, nun 74 Jahre alt, bereits seit sechs Monaten in einem Krankenhaus in Hohengatow. Der Entschädigungsantrag wurde jedoch im Oktober 1963 als "sachlich nicht begründet" abgewiesen. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Schaden an Körper und Gesundheit nach der Verfolgung sei nur "wahrscheinlich". Es sei deshalb keine verfolgungsbedingte Erwerbsunfähigkeit noch ein Verfolgungsleiden "überhaupt" feststellbar. Erst zwei Jahre später gelang es Elfriede Friedemann, in einer Berufung einen Vergleich zu erwirken. Sie erhielt eine Abfindung in Höhe von 5.000,-- DM. Auch ihr Antrag auf Anerkennung erhöhter Lebenshaltungskosten wurde zunächst abschlägig beschieden. Es wurde darauf hingewiesen, dass sie neben überwiegend freier Wohnung auch Unterstützungen an Geld, Lebensmittelkarten und Lebensmitteln in natura erhalten habe. In ihrem Einspruch hingegen stellt Elfriede Friedemann klar, dass sie für ihren Unterhalt von März 1942 bis November 1943 selbst aufkommen musste und selbst die Übernachtungen bezahlt hatte. Ein halbes Jahr später kam es zu einem Vergleich: Elfriede Friedemann wurden erhöhte Lebenshaltungskosten in Höhe von 750,-- DM zugestanden. Elfriede Friedemann versuchte außerdem, den ihr in der Pfandleihe Jägerstraße im Jahr 1938 abgenommenen Schmuck erstattet zu bekommen. Im November 1954 wurde die Rückgabe bzw. Entschädigung abgelehnt. Dennoch erhält sie schließlich einen Betrag in Höhe von 7.500,-- DM, eine Summe, die Elfriede Friedemann selbst angegeben hatte, ohne dass ein Beleg über die Schmucksachen vorgelegen hätte. Für das im Juli 1941 enteignete Grundstück in der Stierstraße 19 wurde Elfriede Friedemann wieder als Eigentümern eingetragen. Das Haus jedoch war zerstört. Das Wohnunginventar hingegen musste nochmals eingeklagt werden. Der Steuerberater, der auch ihr Haus übernommen hatte, hatte Elfriede Friedemann angeboten, die Möbel, um sie zu "retten", zu pfänden. Da sie und auch die Tochter Susanne dieses Ansinnen ablehnten, ließ Lahmann die Möbel unmittelbar nach ihrer Flucht mit dem gesamten Inhalt einfach abholen. Im Mai 1952 wurde die Frau des Steuerberaters verurteilt, 5.000,-- DM an Elfriede Friedemann zu zahlen. Da die Verurteilte sich weigerte, zu zahlen, bat Elfriede Friedemann nach erfolgloser Pfändung das Entschädigungsamt, diese Forderung für sie durchzusetzen, was jedoch abgelehnt wurde. <br />
Elfriede Friedemann starb am 12. Juli 1970 hoch betagt in Berlin und wurde auf dem Matthäikirchhof in Schöneberg begraben. <br />
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Elfriede Frank wurde am 29. Juni 1878 in Brandenburg (Havel) in eine jüdische Familie hineingeboren. Später konvertierte sie zum Christentum. Sie war verheiratet mit dem Justizrat, Rechtsanwalt und Notar Gustav Friedemann. Am 7. Mai 1906 wurde die gemeinsame Tochter Susanne geboren. Die Familie lebte in der Potsdamer Straße 35, wo Gustav Friedemann auch seine Praxis hatte. Gustav Friedemann starb im Jahr 1933. Nach dem Tod des Ehemannes zog Elfriede Friedemann mit ihrer Tochter Susanne (s. dort) und deren Ehemann, Dr. Botho Holländer (s. dort), in das Mietshaus in der Stierstraße 19. Sie war als alleinige Mehrheitsgesellschafterin und Geschäftsführerin der Hausfrieden-Grundstücks-GmbH, der das Haus gehörte, Eigentümerin der Stierstraße 19. Sie bestritt ihren Lebensunterhalt mit dem Gehalt als Geschäftsführerin und der Kapitalverzinsung des Stammkapitals der Gesellschaft. 1939 aber musste sie einen Verwalter für das Haus bestellen. Den "arischen" Mietern konnte es angeblich nicht mehr zugemutet werden, ihre Miete an eine Jüdin zu bezahlen, wie sie selbst später in ihren Entschädigungsantragsunterlagen angab. Im März 1942 wurde sie aufgefordert, sich für eine Deportation bereit zu halten. Einen Tag vor dem vorgesehenen Abtransport machte sie sich gemeinsam mit ihrer Nichte mit einem Handkoffer auf den Weg zu einer Freundin nach Strausberg, östlich von Berlin. In einem zurückgelassenen Brief kündigte sie ihren Selbstmord an. Ihre Tochter Susanne stellte daraufhin bei der Polizei in Friedenau eine Vermisstenanzeige. Die Gestapo nahm den Brief ernst und meldete sie mit dem Vermerk "SM" (für Selbstmord) beim Einwohnermeldeamt ab. In einer Gastwirtschaft in Zernsdorf trafen die beiden Frauen eine Frau Pröhl, die ihn beiden versprach, sie in die Schweiz zu schleusen. Dafür nahm sie ihnen ein goldenes Armband ab, ging aber gleichzeitig zur Polizei und denunzierte sie dort. Ein Polizist, der die beiden Frauen befragte, gab Elfriede Friedemann den Rat, sich wieder in ihre Wohnung zu begeben. Die Nichte allerdings wurde in das Polizeigefängnis am Alexanderplatz eingeliefert, später nach Warschau deportiert und dort ermordet. In Berlin zurück, fand Elfriede Friedemann weitere Helfer, bei denen sie abwechselnd bis zum November 1943 wohnte. Sie wandte sich insbesondere an ein Mitglied der Bekennenden Kirche, die eine Innere Mission in Zehlendorf leitete. Diese wiederum verwies sie an die Oberin eines Heimes für "gefallene Mädchen". Gleichzeitig erhielt sie von einem weiteren Mitglied der Bekennenden Kirche, einem ehemaligen Regierungspräsidenten, einen gefälschten Postausweis. Damit fuhr sie nach Stuttgart, um Pfarrer Kurt Müller, ein Mitglied der Württembergischen Pfarrhauskette, zu treffen. Dieser Bruderring oder Bruderrat, wie die Pfarrhauskette auch hieß, brachte Verfolgte unter und verbarg deren Identität. Der Pfarrhauskette gehörten insgesamt sechzig schwäbische Pfarrhäuser an. Aus Elfriede Friedemann wurde Gertrud Braun. Sie wurde im Pfarrhaus Gümbel in Stuttgart-Zuffenhausen versteckt. Wilhelm und Elisabeth Gümbel waren ebenfalls Mitglieder der Bekennenden Kirche und wiederholt wegen widerständigen Verhaltens aufgefallen. Den sieben Kindern der Gümbels wurde mitgeteilt, dass Frau "Braun" ausgebombt sei. Ruth Gümbel, eines der Kinder, beschrieb sie später als gut gekleidete ältere Dame, die sehr ängstlich gewesen sei. Von den Pfarrerskindern erhielt sie deshalb den Spitznamen "Zitterpappel". Von dort wurde sie zu Pfarrer Pfäfflin in Waldenbuch vermittelt. Weiter ging es nach Wankheim zu Pfarrer Gölz, der später selbst in einem Konzentrationslager landete, weil er einen jüdischen Berliner Arzt bei sich untergebracht hatte und gegenüber der Gestapo nicht lügen konnte. Insgesamt war Elfriede Friedemann in zehn verschiedenen Haushalten untergetaucht, sieben davon waren Pfarrhäuser. Die körperlichen und seelischen Strapazen forderten aber ihren Tribut. Der ständige Wohnortwechsel, weite Fußwanderungen, die ständige Angst, während einer Bahnfahrt erkannt zu werden, sowie das Erlebnis des Granatenbeschusses der Franzosen auf Stuttgart, hatten an ihre Kräften gezehrt. Sie hatte sich deshalb im Laufe dieses Lebens im Ausnahmezustand ein massives Herzleiden zugezogen. Erst 1946 konnte sie in Stuttgart einen Arzt konsultieren. Danach kehrte sie nach Berlin zu ihrer Tochter zurück, erlitt einen Herzinfarkt und lag sieben Monate im Krankenhaus. Nach ihrer Genesung zog sie nach Erlangen, wo sie ihrem Großneffen Hans-Joachim Schoeps den Haushalt führte.
In den 1950er Jahren stellte Elfriede Friedemann Anträge auf Entschädigung. Sie erhielt zwar eine kleine Rente, jedoch bis 1952 keine Entschädigungszahlungen. Ihre Tochter Susanne, die ebenfalls im Untergrund überlebt hatte, stellte deshalb im Juni 1952 den dringenden Antrag, einen Vorschuss auf die Ansprüche ihrer Mutter zu zahlen. Zu diesem Zeitpunkt lag Elfriede Friedemann, nun 74 Jahre alt, bereits seit sechs Monaten in einem Krankenhaus in Hohengatow. Der Entschädigungsantrag wurde jedoch im Oktober 1963 als "sachlich nicht begründet" abgewiesen. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Schaden an Körper und Gesundheit nach der Verfolgung sei nur "wahrscheinlich". Es sei deshalb keine verfolgungsbedingte Erwerbsunfähigkeit noch ein Verfolgungsleiden "überhaupt" feststellbar. Erst zwei Jahre später gelang es Elfriede Friedemann, in einer Berufung einen Vergleich zu erwirken. Sie erhielt eine Abfindung in Höhe von 5.000,-- DM. Auch ihr Antrag auf Anerkennung erhöhter Lebenshaltungskosten wurde zunächst abschlägig beschieden. Es wurde darauf hingewiesen, dass sie neben überwiegend freier Wohnung auch Unterstützungen an Geld, Lebensmittelkarten und Lebensmitteln in natura erhalten habe. In ihrem Einspruch hingegen stellt Elfriede Friedemann klar, dass sie für ihren Unterhalt von März 1942 bis November 1943 selbst aufkommen musste und selbst die Übernachtungen bezahlt hatte. Ein halbes Jahr später kam es zu einem Vergleich: Elfriede Friedemann wurden erhöhte Lebenshaltungskosten in Höhe von 750,-- DM zugestanden. Elfriede Friedemann versuchte außerdem, den ihr in der Pfandleihe Jägerstraße im Jahr 1938 abgenommenen Schmuck erstattet zu bekommen. Im November 1954 wurde die Rückgabe bzw. Entschädigung abgelehnt. Dennoch erhält sie schließlich einen Betrag in Höhe von 7.500,-- DM, eine Summe, die Elfriede Friedemann selbst angegeben hatte, ohne dass ein Beleg über die Schmucksachen vorgelegen hätte. Für das im Juli 1941 enteignete Grundstück in der Stierstraße 19 wurde Elfriede Friedemann wieder als Eigentümern eingetragen. Das Haus jedoch war zerstört. Das Wohnunginventar hingegen musste nochmals eingeklagt werden. Der Steuerberater, der auch ihr Haus übernommen hatte, hatte Elfriede Friedemann angeboten, die Möbel, um sie zu "retten", zu pfänden. Da sie und auch die Tochter Susanne dieses Ansinnen ablehnten, ließ Lahmann die Möbel unmittelbar nach ihrer Flucht mit dem gesamten Inhalt einfach abholen. Im Mai 1952 wurde die Frau des Steuerberaters verurteilt, 5.000,-- DM an Elfriede Friedemann zu zahlen. Da die Verurteilte sich weigerte, zu zahlen, bat Elfriede Friedemann nach erfolgloser Pfändung das Entschädigungsamt, diese Forderung für sie durchzusetzen, was jedoch abgelehnt wurde.
Elfriede Friedemann starb am 12. Juli 1970 hoch betagt in Berlin und wurde auf dem Matthäikirchhof in Schöneberg begraben.