Clara Jacobsohn née Lippmann

Location 
Giesebrechtstr. 18
District
Charlottenburg
Stone was laid
22 September 2010
Born
25 December 1878 in Berlin
Deportation
on 28 March 1942 to Piaski
Murdered
in Piaski

Am 25. Dezember 1878 vormittags um halb sieben wurde in der Steglitzer Albrechtstraße 20 Clara Lippmann geboren. Ihr Vater, der Kaufmann Leopold Lippmann hat sie beim Standesamt Steglitz angemeldet. Die Mutter Josephine war eine geborene Klein. Leopold Lippmann stammte aus Wronke, Kreis Samter (heute Wronki). Die Familie hatte in Steglitz, das damals noch nicht nach Berlin eingemeindet war, keine eigene Wohnung. Wann sie in die Hauptstadt gezogen ist, wissen wir nicht. Im Adressbuch Berlin finden wir Leopold Lippmann - der Name kommt häufiger vor - erstmals eindeutig identifizierbar 1899 in der Ritterstraße 54. 1902 kauft Leopold zusammen mit einem Kompagnon die Zigarrenimportfirma „Friedrich W. Schulze“ von dem Gründer, Friedrich Wilhelm Schulze. Bald war Leopold Lippmann Alleininhaber und gründete Filialen in Hamburg, Kiel und Posen. Das Geschäftslokal in Berlin, zunächst in der Friedrichstraße 136, wurde 1904 in die Reichshallen, Leipziger Straße 77, verlegt, ein Komplex mit Theater, Café und Restaurant. Später befand es sich wieder in der Friedrichstraße. Der Umsatz lief offenbar nicht so wie erwartet, nach und nach gab Leopold die Filialen außerhalb Berlins auf. Um 1908 spezialisierte er sich auf die Vertretung der Dresdener Zigarettenmarke "Kios". Leopold Lippmann selbst wohnte mit seiner Familie in der Bayreuther Straße, erst in der Nr. 11, dann in der Nr. 18.

Dort wohnte Clara noch 1915 mit ihrem Vater - Claras Mutter war bereits verstorben -, als sie am 2. Juni in Charlottenburg den sieben Jahre älteren verwitweten Kaufmann Jaques Jacobsohn heiratete. Jaques (selten auch Jacques geschrieben) stammte aus Ostrowo/Posen und war 1902 nach Berlin gekommen. Er war noch nicht lange Witwer. Seine Frau Gertrud, geb. Meinhardt war mit nur 32 Jahren am 27. Oktober 1914 gestorben. Jaques Jacobsohn betrieb - offenbar von seiner Wohnung aus - in der Friedenauer Hertelstraße 9 eine Vertretung für recht unterschiedliche Erzeugnisse und Firmen: „Deutsche Margarine-Industrie, Deutsche Holzstreumehl-Industrie u. Chem. Produkte“.

Clara und Jaques wohnten wohl zunächst in der Hertelstraße, nach Kriegsende dann in der Sesenheimer Straße 30. Ob sie Kinder hatten, wissen wir nicht.

1920 erhält Jaques die Erlaubnis für Großhandel mit Schmalz, Butter und Käse. Sein Handel ist nun auf „Backpulver, Nährmittel u. chem. Erzeugnisse“ ausgerichtet. Ein Geschäftslokal hat er nicht, vermutlich deshalb kauft er von seinem Schwiegervater 1922 die Firma „Friedrich W. Schulze“, da Leopold Lippmann den Zigarrenhandel inzwischen aufgegeben hat. Unter diesem Namen verkauft Jaques Lebensmittel in der Kaiser-Friedrich-Straße 17a, wo er laut Industrie und Handelskammer (IHK) einen „großen Straßenladen mit Kellerräumen“ hat. Zudem führt er die – unzulässige, so die IHK – Bezeichnung „Deutsche Margarine-Gesellschaft“.

Auch Jaques‘ Geschäfte scheinen nicht so gut gelaufen zu sein, denn bereits zwei Jahre später verkauft er das Ganze an seinen kurzfristigen Mitinhaber, Wilhelm Lindemann, der bald darauf in Konkurs geht – vielleicht eine Folge der großen Inflation. Jaques ist nunmehr lediglich als Kaufmann und Vertreter im Adressbuch eingetragen. 1933 verschwindet der Eintrag ganz um erst 1935 mit der Adresse Klopstockstraße 38 wieder aufzutauchen, jetzt Jakobson geschrieben. Das war auch seine Wohnadresse - und somit auch die Claras - als er am 22. Dezember 1936 im Alter von 66 Jahren im Städtischen Robert-Koch-Krankenhaus starb. Seine letzte Berufsbezeichnung war „Provisions-Vertreter“.

Clara konnte in Zeiten, in denen das Leben für Juden zunehmend schwieriger wurde, wohl die Wohnung nicht halten und war gezwungen, in Untermiete zu ziehen, möglicherweise schon 1936 in die Giesebrechtstraße 18. Dort jedenfalls wurde sie bei der Volkszählung am 17. Mai 1939 registriert. Aber auch hier konnte sie nicht lange bleiben. Als sie im März 1942 von der Gestapo in das Sammellager Levetzowstraße 7/8 - eine von den Nazis umfunktionierte Synagoge - einbestellt wurde, wohnte sie in der Mommsenstraße 22, sehr wahrscheinlich nicht freiwillig. Denn zu der großen Anzahl von Verboten, Verordnungen und Entrechtungen, die das Alltagsleben von Juden immer unerträglicher machte, gehörte auch die Aufhebung des Mieterschutzes. Juden konnten beliebig aus ihren Wohnungen verwiesen und bei anderen Juden eingewiesen werden, um so Wohnraum für Nichtjuden frei zu machen. Ein Höhepunkt der Verfolgung war allerdings dann die Deportation.

Clara Jacobsohn wurde am 28. März 1942 mit nahezu 1000 weiteren Menschen vom Güterbahnhof Moabit aus in das Ghetto Piaski bei Lublin verschleppt. Da Piaski keinen Bahnhof hatte, mussten sie in Trawniki aussteigen und die letzten 12 km zu Fuß auf der winterlichen Landstraße zurücklegen. Piaski galt als „Transit-Ghetto“. Bereits 1940 hatten die Deutschen das zunächst offene Ghetto eingerichtet, es aber später abgeriegelt. Als die Berliner Juden ankamen war das Lager bereits überfüllt, Piaskis Bevölkerung selbst war zu 2/3 jüdisch und zusätzlich hatte es „Transporte“ in das Ghetto aus Stettin und Schneidemühl gegeben. Neben der Überbelegung waren die Lebensbedingungen durch Mangelernährung, miserable Hygiene und Krankheiten gekennzeichnet. Wer nicht diesen Umständen erlag, wurde oft schon nach kurzer Zeit weiter nach Belcek oder Sobibor deportiert und dort ermordet. Die Spur von Clara Jacobsohn verliert sich in Piaski, wir wissen nicht, ob sie bereits dort oder in einem der Vernichtungslager umgekommen ist.