Ilse Heimann

Verlegeort
Güntzelstr. 49
Bezirk/Ortsteil
Wilmersdorf
Verlegedatum
März 2007
Geboren
13. Oktober 1895 in Stettin / Szczecin
Deportation
am 26. August 1942 nach Theresienstadt
Später deportiert
am 16. Mai 1944 nach Auschwitz
Ermordet
in Auschwitz

Ilse Heimann kam am 13. Oktober 1895 in Stettin/Pommern (heute Szczecin in Polen) als zweites Kind des Kaufmanns Julius Heimann (auch Heymann geschrieben) und seiner Ehefrau Hedwig geb. Schachmann auf die Welt. <br />
Die Eltern besaßen bereits eine Tochter, die am 22. Juni 1894 geborene Marianne Margaret(h)e. <br />
Ihre 1872 geborene Mutter Hedwig Heimann stammte aus Posen (heute Poznań in Polen). Der Großvater Jakob Schachmann (1845–1902) war Wirt und Spirituosenfabrikant, mit seiner Ehefrau Auguste geb. Präger (1849–1910) hatte er sechs Kinder: Die beiden Onkel Julius (geb.1871) und Heinrich (geb.1877) sowie die beiden Tanten Sophie (geb.1874) und Ida (geb.1882) gehörten lange Jahre zu Ilse Heimanns Leben. Nur Alex Schachmann, den 1890 mit zwei Jahren gestorbenen jüngsten Bruder ihrer Mutter lernte sie nicht kennen. Die Großeltern wohnten in der Wallischei, einem Arbeiterviertel auf der östlichen Seite der Warthe.<br />
Ihr Vater Julius Heimann stammte aus einer Familie von Kaufleuten, die in Stettin, in Altdamm bei Stettin und in Berlin lebten. Da sein Vorname Julius immer wieder und auch in derselben Generation der Familie auftaucht, bleibt es unklar, ob der Vater von Ilse in Stettin ein eigenes Geschäft besaß. <br />
Kurz nach Ilse Heimanns Geburt muss die Familie nach Berlin gezogen sein. Am 11. September 1898 wurde als drittes Kind in Posen Ilses Bruder Fritz geboren – Hedwig Heimann war für die Entbindung in ihr Elternhaus gegangen. <br />
Das Haus der Großeltern, die Onkel und Tanten in Posen sollte es nicht mehr lange geben: 1901 heiratete die Tante Sophie den Gerbereibesitzer Gustav Michaelis in Deutsch-Krone (heute Wałcz/Polen). 1902 starb der Großvater, und die Onkel Julius und Heinrich Schachmann, beide Kaufleute, gingen nach Berlin und kauften dort eine Spirituosen- und Likörfabrik. Julius starb bereits 1905. Er war mit Elisabeth Weiss (1879–1917) verheiratet. (Seine Tochter, Ilse Heimanns Cousine, Alice Pauline Schachmann (1905–1957 Los Angeles) führte ein ganz anderes Leben als die übrigen Frauen der Familie: Sie war in erster Ehe mit dem Strafverteidiger Dr. Alfred Apfel (1882–1941) verheiratet, und nach Trennung, Emigration und Scheidung in zweiter Ehe mit Franz Waxman (Wachsmann), einem der erfolgreichsten Filmkomponisten Hollywoods.) 1906 zogen auch die Großmutter Auguste Schachmann und die Tante Ida nach Berlin, 1910 starb die Großmutter in (Berlin)-Charlottenburg, begraben wurde sie in ihrer Heimatstadt Posen. <br />
In Berlin lebte die Familie Heimann gemeinsam vom Beginn des Jahrhunderts bis 1919 in der Waldemarstraße 29. Das Haus zwischen Adalbertstraße und Elisabethufer (heute Leuschnerdamm) gibt es noch immer. Die Mitbewohner und Nachbarn waren Handwerker und Facharbeiter, in den Häusern arbeiteten die für Kreuzberg typischen kleinen „Etagenfabriken“. Es war kein Leben in Wohlstand. Ilse Heimanns Vater Julius steht als Kaufmann und Prokurist im Berliner Adressbuch, als Besitzer einer eigenen Firma wird er nicht genannt. Es könnte sein, dass er bei/mit einem seiner zahlreichen Verwandten gearbeitet und dort auch die Vertrauensstelle eines Prokuristen erhalten hat.<br />
Im November 1919 heiratete der Bruder Fritz die evangelische Christin Hertha Wehner (1899–1974), die zum Judentum konvertierte. Am 19. März 1920 wurde die Schwester Margaret(h)e, Stenotypistin von Beruf, während des Kapp-Putsches in der Nähe des Alexanderplatzes erschossen. Im Berliner Tageblatt vom 25.3.1920 beklagten Eltern und Geschwister ihren Tod: <br />
<br />
„Am Freitag, den 19. März 1920, wurde uns am Alexanderplatz durch die Kugel einer mordenden Soldateska unsere innigstgeliebte Tochter, Schwester und Nichte <br />
Margarete Heimann<br />
im blühenden Alter von 25 Jahren jäh aus dem Leben gerissen.<br />
Wer sie gekannt, begreift, dass unser aller Sonnenschein geraubt wurde.<br />
Dies zeigen in tiefster Trauer an<br />
Julius Heimann und Frau Hedwig geb. Schachmann<br />
Ilse und Fritz Heimann als Geschwister.<br />
Berlin SO., den 24. März 1920.<br />
Waldemarstrasse 29II<br />
Die Beerdigung findet am Donnerstag, d. 25. März, mittags 12 Uhr, von der alten Halle des jüdischen Friedhofes in Weissensee statt.“<br />
<br />
Ob Ilse Heimann ebenfalls einen Beruf hatte, ist nicht bekannt. Sie blieb ledig und lebte weiter im Haushalt ihrer Eltern in der Waldemarstraße 29 – ein „Familienleben“. Sie wurde Tante: Ihr Bruder Fritz und seine Ehefrau Hertha bekamen zwei Söhne: Karl-Heinz (1920) und Theodor Norbert (1924). 1929 ließ sich das Ehepaar scheiden, Fritz und seine geschiedene Ehefrau lebten weiter in Berlin. Im März 1931 starb Ilse Heimanns Vater Julius. Die verwitwete Mutter Hedwig Heimann und ihre Tochter zogen um.<br />
Ende der 1930er-Jahre lebten Ilse Heimann und ihre Mutter in der Güntzelstraße 49 als Untermieterinnen bei dem Ehepaar Leopold und Gertrud Cohn. (Das Ehepaar zog im August 1941 in die Darmstädter Straße und wurde 1942 nach Theresienstadt deportiert, wo beide umkamen.) <br />
Die letzte Anschrift von Ilse und Hedwig Heimann war die Innsbrucker Straße 54, ein Gründerzeitbau am Bayerischen Platz. Hier wohnten sie wiederum zur Untermiete in der Wohnung der 1880 geborenen und seit 1940 verwitweten Cathi Holländer. <br />
Am 26. August 1942 wurden Ilse Heimann und ihre Mutter Hedwig in das Ghettolager Theresienstadt deportiert. Es war einer der „kleinen“ Alterstransporte mit 100 Personen, die als Teil eines normalen Personenzugs vom Anhalter Bahnhof in Berlin-Kreuzberg abfuhren. Nur elf Menschen wurden als „arbeitsfähig“ in die Transportliste eingetragen. Ilse Heimann war die jüngste Insassin der Waggons, sie begleitete als „Ordnerin“ die alten Leute. <br />
Ihre Mutter starb bereits am 12. September 1942 in Theresienstadt in einem der „Siechenhäuser“ an den Folgen der katastrophalen Lebensumstände. Ilse Heimann wurde am 16. Mai 1944 von Theresienstadt nach Auschwitz transportiert und dort ermordet. Der Tag ihres Todes ist nicht bekannt. – Der Transport vom 16. Mai 1944 war einer von drei „Maitransporten“, mit denen jeweils fast 2500 Menschen aus Theresienstadt in das Vernichtungslager verschleppt wurden. Im Juli 1944 wurden 3000–3500 Deportierte als Zwangsarbeiter/-innen in andere Lager verschleppt, die übrigen wurden in Birkenau ermordet.<br />
<br />
Die letzte Vermieterin Cathi Holländer wurde am 26. Oktober 1942 nach Riga deportiert und nach der Ankunft ermordet. Ilse Heimanns Bruder Fritz lebte 1939 in Weißensee und arbeitete laut letztem Eintrag im Berliner Adressbuch von 1941 als Tiefbauarbeiter – dies wird wohl Zwangsarbeit gewesen sein. Am 3. April 1945 ist er laut Angabe der Volkszählung von 1939 gestorben. In den Datenbanken und Gedenkbüchern fehlt sein Name. – Es überlebten allein die nach den Rassegesetzen der Nationalsozialisten „arische“ Schwägerin Hertha Heimann und die beiden Neffen, der eine lebte in den USA, der andere in Berlin.<br />
<br />

Ilse Heimann kam am 13. Oktober 1895 in Stettin/Pommern (heute Szczecin in Polen) als zweites Kind des Kaufmanns Julius Heimann (auch Heymann geschrieben) und seiner Ehefrau Hedwig geb. Schachmann auf die Welt.
Die Eltern besaßen bereits eine Tochter, die am 22. Juni 1894 geborene Marianne Margaret(h)e.
Ihre 1872 geborene Mutter Hedwig Heimann stammte aus Posen (heute Poznań in Polen). Der Großvater Jakob Schachmann (1845–1902) war Wirt und Spirituosenfabrikant, mit seiner Ehefrau Auguste geb. Präger (1849–1910) hatte er sechs Kinder: Die beiden Onkel Julius (geb.1871) und Heinrich (geb.1877) sowie die beiden Tanten Sophie (geb.1874) und Ida (geb.1882) gehörten lange Jahre zu Ilse Heimanns Leben. Nur Alex Schachmann, den 1890 mit zwei Jahren gestorbenen jüngsten Bruder ihrer Mutter lernte sie nicht kennen. Die Großeltern wohnten in der Wallischei, einem Arbeiterviertel auf der östlichen Seite der Warthe.
Ihr Vater Julius Heimann stammte aus einer Familie von Kaufleuten, die in Stettin, in Altdamm bei Stettin und in Berlin lebten. Da sein Vorname Julius immer wieder und auch in derselben Generation der Familie auftaucht, bleibt es unklar, ob der Vater von Ilse in Stettin ein eigenes Geschäft besaß.
Kurz nach Ilse Heimanns Geburt muss die Familie nach Berlin gezogen sein. Am 11. September 1898 wurde als drittes Kind in Posen Ilses Bruder Fritz geboren – Hedwig Heimann war für die Entbindung in ihr Elternhaus gegangen.
Das Haus der Großeltern, die Onkel und Tanten in Posen sollte es nicht mehr lange geben: 1901 heiratete die Tante Sophie den Gerbereibesitzer Gustav Michaelis in Deutsch-Krone (heute Wałcz/Polen). 1902 starb der Großvater, und die Onkel Julius und Heinrich Schachmann, beide Kaufleute, gingen nach Berlin und kauften dort eine Spirituosen- und Likörfabrik. Julius starb bereits 1905. Er war mit Elisabeth Weiss (1879–1917) verheiratet. (Seine Tochter, Ilse Heimanns Cousine, Alice Pauline Schachmann (1905–1957 Los Angeles) führte ein ganz anderes Leben als die übrigen Frauen der Familie: Sie war in erster Ehe mit dem Strafverteidiger Dr. Alfred Apfel (1882–1941) verheiratet, und nach Trennung, Emigration und Scheidung in zweiter Ehe mit Franz Waxman (Wachsmann), einem der erfolgreichsten Filmkomponisten Hollywoods.) 1906 zogen auch die Großmutter Auguste Schachmann und die Tante Ida nach Berlin, 1910 starb die Großmutter in (Berlin)-Charlottenburg, begraben wurde sie in ihrer Heimatstadt Posen.
In Berlin lebte die Familie Heimann gemeinsam vom Beginn des Jahrhunderts bis 1919 in der Waldemarstraße 29. Das Haus zwischen Adalbertstraße und Elisabethufer (heute Leuschnerdamm) gibt es noch immer. Die Mitbewohner und Nachbarn waren Handwerker und Facharbeiter, in den Häusern arbeiteten die für Kreuzberg typischen kleinen „Etagenfabriken“. Es war kein Leben in Wohlstand. Ilse Heimanns Vater Julius steht als Kaufmann und Prokurist im Berliner Adressbuch, als Besitzer einer eigenen Firma wird er nicht genannt. Es könnte sein, dass er bei/mit einem seiner zahlreichen Verwandten gearbeitet und dort auch die Vertrauensstelle eines Prokuristen erhalten hat.
Im November 1919 heiratete der Bruder Fritz die evangelische Christin Hertha Wehner (1899–1974), die zum Judentum konvertierte. Am 19. März 1920 wurde die Schwester Margaret(h)e, Stenotypistin von Beruf, während des Kapp-Putsches in der Nähe des Alexanderplatzes erschossen. Im Berliner Tageblatt vom 25.3.1920 beklagten Eltern und Geschwister ihren Tod:

„Am Freitag, den 19. März 1920, wurde uns am Alexanderplatz durch die Kugel einer mordenden Soldateska unsere innigstgeliebte Tochter, Schwester und Nichte
Margarete Heimann
im blühenden Alter von 25 Jahren jäh aus dem Leben gerissen.
Wer sie gekannt, begreift, dass unser aller Sonnenschein geraubt wurde.
Dies zeigen in tiefster Trauer an
Julius Heimann und Frau Hedwig geb. Schachmann
Ilse und Fritz Heimann als Geschwister.
Berlin SO., den 24. März 1920.
Waldemarstrasse 29II
Die Beerdigung findet am Donnerstag, d. 25. März, mittags 12 Uhr, von der alten Halle des jüdischen Friedhofes in Weissensee statt.“

Ob Ilse Heimann ebenfalls einen Beruf hatte, ist nicht bekannt. Sie blieb ledig und lebte weiter im Haushalt ihrer Eltern in der Waldemarstraße 29 – ein „Familienleben“. Sie wurde Tante: Ihr Bruder Fritz und seine Ehefrau Hertha bekamen zwei Söhne: Karl-Heinz (1920) und Theodor Norbert (1924). 1929 ließ sich das Ehepaar scheiden, Fritz und seine geschiedene Ehefrau lebten weiter in Berlin. Im März 1931 starb Ilse Heimanns Vater Julius. Die verwitwete Mutter Hedwig Heimann und ihre Tochter zogen um.
Ende der 1930er-Jahre lebten Ilse Heimann und ihre Mutter in der Güntzelstraße 49 als Untermieterinnen bei dem Ehepaar Leopold und Gertrud Cohn. (Das Ehepaar zog im August 1941 in die Darmstädter Straße und wurde 1942 nach Theresienstadt deportiert, wo beide umkamen.)
Die letzte Anschrift von Ilse und Hedwig Heimann war die Innsbrucker Straße 54, ein Gründerzeitbau am Bayerischen Platz. Hier wohnten sie wiederum zur Untermiete in der Wohnung der 1880 geborenen und seit 1940 verwitweten Cathi Holländer.
Am 26. August 1942 wurden Ilse Heimann und ihre Mutter Hedwig in das Ghettolager Theresienstadt deportiert. Es war einer der „kleinen“ Alterstransporte mit 100 Personen, die als Teil eines normalen Personenzugs vom Anhalter Bahnhof in Berlin-Kreuzberg abfuhren. Nur elf Menschen wurden als „arbeitsfähig“ in die Transportliste eingetragen. Ilse Heimann war die jüngste Insassin der Waggons, sie begleitete als „Ordnerin“ die alten Leute.
Ihre Mutter starb bereits am 12. September 1942 in Theresienstadt in einem der „Siechenhäuser“ an den Folgen der katastrophalen Lebensumstände. Ilse Heimann wurde am 16. Mai 1944 von Theresienstadt nach Auschwitz transportiert und dort ermordet. Der Tag ihres Todes ist nicht bekannt. – Der Transport vom 16. Mai 1944 war einer von drei „Maitransporten“, mit denen jeweils fast 2500 Menschen aus Theresienstadt in das Vernichtungslager verschleppt wurden. Im Juli 1944 wurden 3000–3500 Deportierte als Zwangsarbeiter/-innen in andere Lager verschleppt, die übrigen wurden in Birkenau ermordet.

Die letzte Vermieterin Cathi Holländer wurde am 26. Oktober 1942 nach Riga deportiert und nach der Ankunft ermordet. Ilse Heimanns Bruder Fritz lebte 1939 in Weißensee und arbeitete laut letztem Eintrag im Berliner Adressbuch von 1941 als Tiefbauarbeiter – dies wird wohl Zwangsarbeit gewesen sein. Am 3. April 1945 ist er laut Angabe der Volkszählung von 1939 gestorben. In den Datenbanken und Gedenkbüchern fehlt sein Name. – Es überlebten allein die nach den Rassegesetzen der Nationalsozialisten „arische“ Schwägerin Hertha Heimann und die beiden Neffen, der eine lebte in den USA, der andere in Berlin.