Doris Walther wurde als Doris Lisser am 12. Juli 1893 in Inowrocław (Hohensalza)/Posen geboren. Sie war die Tochter von Wolff Lisser und seiner Frau Rebecca geb. Marcus. Ob sie Geschwister hatte, wissen wir nicht. Ein Jakob Lisser aus Hohensalza, geboren 1891 und gefallen 1915 im ersten Weltkrieg, könnte ihr Bruder gewesen sein. Laut frühen Verzeichnissen betrieb Wolf Lisser in Inowrocław eine Fleischerei, sicherlich eine koschere. In Berliner Adressbüchern taucht er nicht auf, also kann man vermuten, dass Doris, auch Dora genannt, in Inowrocław aufwuchs und später ohne die Eltern in die Hauptstadt kam, vielleicht für eine Ausbildung oder eine Arbeit. In Berlin heiratete sie am 14. Dezember 1916 Bruno Walther, und zwar am Standesamt Friedrichsfelde. Von Bruno Walther wissen wir nur, dass er Kaufmann war und kein Jude. Vermutlich war er der Bruno Walther, der 1916 laut Adressbuch in der Lichtenberger Dottistraße wohnte, später in der Solmsstraße und 1921 in der Düsseldorfer Straße 14. 1920, am 29. März, brachte Doris ihre einzige Tochter Rose-Marie zur Welt.<br />
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Die Ehe von Doris und Bruno wurde 1935 geschieden. Zu diesem Zeitpunkt lebte die Familie in der Darmstädter Straße 3. Laut Scheidungsurteil hatte die Trennung nichts damit zu tun, dass Doris Jüdin war. Die Klage habe sie eingereicht, da ihr Ehemann „mit einer anderen, nicht ermittelten Frau ehewidrige Beziehungen“ unterhalte. Bruno habe das zugestanden und sich bereit erklärt „die Alleinschuld auf sich zu nehmen“. Die Ehe wurde am 10. Juli 1935 geschieden, am 27. August wurde das Urteil rechtskräftig. Ob die Scheidung tatsächlich aus diesem Grund erfolgte, oder warum auch immer zwischen den Partnern abgesprochen war – die Folge war, dass Doris und ihre Tochter fortan nicht mehr durch den nicht-jüdischen Vater geschützt waren. Das mag Doris, trotz der schon begonnenen Diskriminierung und Verfolgung der Juden, erst allmählich erkannt haben. Spätestens nach den Pogromen vom 9./10. November 1938 aber muss ihr das bewusst geworden sein. <br />
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1939 mietete sie eine Wohnung in der Bleibtreustraße 33, bis dahin wohnte sie wohl zur Untermiete oder doch weiterhin bei Bruno Walther in der Darmstädter Straße. Um die Wohnung halten zu können, nahm sie eine Untermieterin auf, Klara Wongtschowski, die am selben Tag wie sie selbst nach Auschwitz deportiert wurde. Gleichzeitig betrieb sie die Auswanderung ihrer Tochter, die es schaffte, nach London zu kommen, obwohl sie für die von dort nach den Pogromen organisierten „Kindertransporte“ bereits zu alt war. Doris selber gelang die Flucht nicht. Sie musste sich der nach dem November 1938 angeschwollenen Flut von antisemitischen Verordnungen beugen. Wie alle in Deutschland verbliebenen Juden, wurde sie gedemütigt, diskriminiert, vom öffentlichen Leben ausgeschlossen. Ab September 1941 musste sie den Judenstern tragen, im gleichen Jahr wurde sie zur Zwangsarbeit bei Osram in der Helmholtzstraße verpflichtet. Im Frühjahr 1942 nötigte man sie, ihre Wohnung aufzugeben. Sie bekam ein Leerzimmer zugewiesen bei Isidor und Rebekka Jaskulewicz in der Waitzstraße 6, in das sie ein Minimum an Einrichtung mitnehmen konnte: einen Schrank, zwei Stühle, eine Couch, zwei Sessel, eine Gardine, ein Federbett, ein Kopfkissen, eine Deckenlampe. Anfang Januar 1943 musste Doris Walther die „Vermögenserklärung“ ausfüllen, der Vorbote der Deportation, die es dem Nazi-Reich ermöglichen sollte, den Besitz der Deportierten „legal“ zu rauben. Doris wurde in das Sammellager Große Hamburger Straße 26 gebracht, ein zweckentfremdetes jüdisches Altersheim, und am 12. Januar 1943, zusammen mit fast 1200 weiteren Menschen vom Moabiter Bahnhof aus nach Auschwitz deportiert. Eine ihrer Leidensgenossinen war die Schriftstellerin Else Ury.<br />
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In Auschwitz am 13. Januar angekommen wurden 127 Männer zur Zwangsarbeit bestimmt, alle anderen und alle Frauen und Kinder wurden in den Gaskammern ermordet. Der 13. Januar 1943 muss als das wahrscheinliche Todesdatum von Doris Walter gelten.<br />
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Isidor und Rebekka Jaskulewicz, Doris Walthers letzte Vermieter, wurden am gleichen Tag wie sie, dem 12. Januar 1943, nach Theresienstadt verschleppt, dort aber nach wenigen Tagen, am 23. Januar, weiter nach Auschwitz deportiert, mit 2000 weiteren Opfern in einem Zug, der nur für 1000 Menschen vorgesehen war. Auschwitz überlebten sie nicht.<br />
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Die Ehe von Doris und Bruno wurde 1935 geschieden. Zu diesem Zeitpunkt lebte die Familie in der Darmstädter Straße 3. Laut Scheidungsurteil hatte die Trennung nichts damit zu tun, dass Doris Jüdin war. Die Klage habe sie eingereicht, da ihr Ehemann „mit einer anderen, nicht ermittelten Frau ehewidrige Beziehungen“ unterhalte. Bruno habe das zugestanden und sich bereit erklärt „die Alleinschuld auf sich zu nehmen“. Die Ehe wurde am 10. Juli 1935 geschieden, am 27. August wurde das Urteil rechtskräftig. Ob die Scheidung tatsächlich aus diesem Grund erfolgte, oder warum auch immer zwischen den Partnern abgesprochen war – die Folge war, dass Doris und ihre Tochter fortan nicht mehr durch den nicht-jüdischen Vater geschützt waren. Das mag Doris, trotz der schon begonnenen Diskriminierung und Verfolgung der Juden, erst allmählich erkannt haben. Spätestens nach den Pogromen vom 9./10. November 1938 aber muss ihr das bewusst geworden sein.
1939 mietete sie eine Wohnung in der Bleibtreustraße 33, bis dahin wohnte sie wohl zur Untermiete oder doch weiterhin bei Bruno Walther in der Darmstädter Straße. Um die Wohnung halten zu können, nahm sie eine Untermieterin auf, Klara Wongtschowski, die am selben Tag wie sie selbst nach Auschwitz deportiert wurde. Gleichzeitig betrieb sie die Auswanderung ihrer Tochter, die es schaffte, nach London zu kommen, obwohl sie für die von dort nach den Pogromen organisierten „Kindertransporte“ bereits zu alt war. Doris selber gelang die Flucht nicht. Sie musste sich der nach dem November 1938 angeschwollenen Flut von antisemitischen Verordnungen beugen. Wie alle in Deutschland verbliebenen Juden, wurde sie gedemütigt, diskriminiert, vom öffentlichen Leben ausgeschlossen. Ab September 1941 musste sie den Judenstern tragen, im gleichen Jahr wurde sie zur Zwangsarbeit bei Osram in der Helmholtzstraße verpflichtet. Im Frühjahr 1942 nötigte man sie, ihre Wohnung aufzugeben. Sie bekam ein Leerzimmer zugewiesen bei Isidor und Rebekka Jaskulewicz in der Waitzstraße 6, in das sie ein Minimum an Einrichtung mitnehmen konnte: einen Schrank, zwei Stühle, eine Couch, zwei Sessel, eine Gardine, ein Federbett, ein Kopfkissen, eine Deckenlampe. Anfang Januar 1943 musste Doris Walther die „Vermögenserklärung“ ausfüllen, der Vorbote der Deportation, die es dem Nazi-Reich ermöglichen sollte, den Besitz der Deportierten „legal“ zu rauben. Doris wurde in das Sammellager Große Hamburger Straße 26 gebracht, ein zweckentfremdetes jüdisches Altersheim, und am 12. Januar 1943, zusammen mit fast 1200 weiteren Menschen vom Moabiter Bahnhof aus nach Auschwitz deportiert. Eine ihrer Leidensgenossinen war die Schriftstellerin Else Ury.
In Auschwitz am 13. Januar angekommen wurden 127 Männer zur Zwangsarbeit bestimmt, alle anderen und alle Frauen und Kinder wurden in den Gaskammern ermordet. Der 13. Januar 1943 muss als das wahrscheinliche Todesdatum von Doris Walter gelten.
Isidor und Rebekka Jaskulewicz, Doris Walthers letzte Vermieter, wurden am gleichen Tag wie sie, dem 12. Januar 1943, nach Theresienstadt verschleppt, dort aber nach wenigen Tagen, am 23. Januar, weiter nach Auschwitz deportiert, mit 2000 weiteren Opfern in einem Zug, der nur für 1000 Menschen vorgesehen war. Auschwitz überlebten sie nicht.