Verlegeort
Bleibtreustr. 33
Bezirk/Ortsteil
Charlottenburg
Verlegedatum
24. September 2010
Geboren
10. November 1875 in Cosel / Koźle
Deportation
am 22. September 1942
nach
Theresienstadt
Ermordet
30. März 1944 in Theresienstadt
Fritz Fraenkel wurde am 10. November 1875 im an der Oder gelegenen Cosel geboren, damals Schlesien, heute Koźle in Polen. Er studierte Medizin in Heidelberg und ließ sich 1921, nach dem Ersten Welkrieg, als praktischer Arzt in Spandau nieder. Er war auch Vertrauensarzt der Siemenswerke in Spandau, vielleicht nahm er deshalb dort Wohnung in der Schönwalder Straße 26. Am 7. Februar 1924 heiratete er Paula Plotke. Paula war am 9. Dezember 1886 in Adelnau (Odolanow) in der Region Posen geboren worden, genauer in Raschkow, Kreis Adelnau. Ihr Vater war höchstwahrscheinlich der Julius Plotke aus Raschkow, der im Adelnauer Kreisblatt im März 1883 seine Eheschließung mit Laura Cohn aus Ostrowo verkündete. 1894, Paula war noch keine 8 Jahre alt, zog die Familie nach Berlin. Julius Plotke betrieb einen Handel mit Mehl und „Landes-Produkten“, also Lebensmittel aus der Landwirtschaft, in der Reinickendorfer Straße 7. Paula, die in einem späteren Dokument als „Pflegerin“ bezeichnet wird, absolvierte wohl eine Ausbildung als Krankenschwester oder Krankenpflegerin. Gut möglich, dass sie über den Gesundheitsbereich Fritz Fraenkel kennen gelernt hatte. Am 25. Januar 1925 wurde ihre Tochter Hedwig in Spandau geboren.
Die gut gehende ärztliche Praxis erlaubte der Familie Fraenkel einen gediegenen Lebensstil. Dies änderte sich jedoch allmählich mit dem Erstarken des Nationalsozialismus und mit ihm des Antisemitismus. „Patienten wurden eingeschüchtert, SA-Posten standen vor der Praxis“ berichtete Tochter Hedwig. Wahrscheinlich schon 1932, noch vor Hitlers Machtübernahme, zogen Fraenkels in eine kleinere Wohnung in der Elisabethstraße 23, zwei Straßen entfernt von ihrer ersten Wohnung. Der Boykott vom ersten April 1933 vertrieb weitere Patienten, mit der Verordnung vom 22. April des gleichen Jahres wurde jüdischen Ärzten die Kassenzulassung entzogen. Die nunmehr reine Privatpraxis ging unter der wachsenden Diskriminierung weiter zurück. 1937 musste Hedwig wegen rassistischer Anfeindungen das Lyzeum Spandau verlassen und besuchte fortan die jüdische Theodor-Herzl-Schule in Charlottenburg. Dies war vielleicht einer der Gründe, warum Fraenkels 1937 in die Bleibtreustraße 33 in eine 3-Zimmerwohnung zogen.
Im Juli 1938 wurde jüdischen Ärzten die Approbation gänzlich entzogen. Mit einer besonderen Erlaubnis durften sie - ausschließlich jüdische - Patienten weiter behandeln, mussten sich aber „Judenbehandler“ statt Arzt nennen und hatten dies auch „deutlich sichtbar“ auf allen Rezepten etc. und auf einem Schild zu vermerken, das, wie auch die Schriftstücke, „auf blauem Grund einen gelben Kreis mit blauen Davidstern zeigt“. An das blaue Schild konnte sich die damals 13-jährige Hedwig deutlich erinnern. Weitere Stigmatisierungen und Demütigungen folgten bald. Juden konnten nicht mehr frei über ihr Vermögen verfügen, sie mussten ihrem Namen „Israel“ bzw. „Sara“ beifügen, Pässe wurden eingezogen oder mit einem „J“ gestempelt.
Fritz und Paula Fraenkel. Foto: privat.
Nach den Pogromen vom 9./10. November 1938 häuften sich nun neue Verordnungen zur Einschränkung des Alltags mit dem Ziel, Juden völlig aus dem öffentlichen Leben auszuschließen. Zu bestimmten Zeiten und an bestimmten Orten durften Juden gar nicht mehr auf die Straße, Theater, Kinos, Badeanstalten etc. waren ihnen verboten. Schmuck und Silber durften sie nicht mehr kaufen oder verkaufen, im Februar 1939 mussten sie dann solche Wertgegenstände für einen symbolischen Preis bei der staatlichen Pfandleihstelle abgeben. Ebenfalls nach den Novemberpogromen wurde für Juden eine „Sühneabgabe“ in Höhe von 20% ihres Vermögens festgesetzt. Für Fraenkels betrug sie 13750 RM, in vier Raten zu zahlen.
Die Theodor-Herzl-Schule wurde in der Pogromnacht in Brand gesetzt, im März 1939 endgültig geschlossen. Fritz Fraenkel gelang es, für seine Tochter eine Platz in einem der „Kindertransporte“ zu bekommen, die von Großbritannien aus nach dem November 1938 organisiert wurden. So verließ die 14-jährige Hedwig 1939 Berlin und ihre Eltern, um in England in eine Pflegefamilie zu kommen. Fritz und Paula Fraenkel konnten vermutlich eine eigene Auswanderung nicht mehr finanzieren. Ab Beginn des Zweiten Weltkriegs war dies ohnehin fast unmöglich. Sie blieben in Berlin und mussten weitere Einschränkungen ihres täglichen Lebens erdulden, wie etwa die Beschlagnahmung von Rundfunkgeräten, die Kündigung von Telefonanschlüssen oder das Tragen des Judensterns.
Im September 1942 wurde ihnen eröffnet, dass sie zur Deportation nach Theresienstadt bestimmt seien. Wie andere vergleichsweise noch wohlhabende Juden wurden sie zu einem „Heimeinkaufsvertrag“ genötigt. Solche mussten auf Geheiß der Gestapo deutsche Juden, die in das „Altersghetto“ Theresienstadt deportiert werden sollten, mit der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland schließen. Darin verpflichtete man sie auf hohe Vorauszahlungen und Abgaben. Im Gegenzug wurde ihnen lebenslange kostenfreie Unterbringung, Verpflegung und Krankenversorgung zugesagt – blanker Hohn in anbetracht der tatsächlichen elenden Bedingungen, die sie erwarteten. Fritz Fraenkel musste dafür 16400 RM, die sowieso auf einem Sperrkonto waren, auf das Sonderkonto „H“ der Reichsvereinigung überweisen lassen. Verfügen konnte die Vereinigung allerdings über diese Vermögenswerte nicht, und sie wurden später vom Reichssicherheitssamt eingestrichen.
Die „Vorauszahlungen“ wurden mit 150 RM monatlich auf ein Lebensalter von 85 Jahren berechnet. Dieses Alter zu erreichen hatten die erst 66 und 55 Jahre alten Fritz und Paula Fraenkel nicht den Hauch von einer Chance. Am 22. September 1942 wurden sie nach Theresienstadt deportiert, auf der Deportationsliste wurde hervorgehoben, dass sie ein Ehepaar seien, er „Krankenbehandler“, sie „Pflegerin“. Vermutlich wurden sie als solche auch in Theresienstadt eingesetzt. Das in jeder Hinsicht erbärmliche Dasein im Ghetto hielten beide über anderthalb Jahre aus, am 30. März 1944 erlag Fritz Fraenkel aber den dort herrschenden katastrophalen Lebensbedingungen. Kurz darauf, am 16. Mai 1944, wurde Paula in einen von drei „Transporten“ von je 2500 Menschen nach Auschwitz gezwungen, durch die das Reichssicherheitshauptamt die unerträgliche Überfüllung des Ghettos vor einer bevorstehenden Besichtigung des Internationalen Roten Kreuzes vertuschen wollte. In Auschwitz wurde Paula Fraenkel entweder gleich in die Gaskammern geschickt oder durch Zwangsarbeit unter unmenschlichen Bedingungen ermordet. Ihr Todesdatum ist nicht bekannt.
Recherchen, Text: Micaela Haas. Quellen: Gedenkbuch. Bundesarchiv Koblenz, 2006; Gedenkbuch Berlin der jüdischen Opfer des Nationalsozialismus 1995; Berliner Adressbücher; Landesarchiv Berlin; Akten des Landesentschädigungsamtes Berlin; Gottwaldt/Schulle, Die „Judendeportationen“ aus dem Deutschen Reich 1941-1945, Wiesbaden 2005; Foto: Jüdisches Museum Berlin http://objekte.jmberlin.de/object/…
Die gut gehende ärztliche Praxis erlaubte der Familie Fraenkel einen gediegenen Lebensstil. Dies änderte sich jedoch allmählich mit dem Erstarken des Nationalsozialismus und mit ihm des Antisemitismus. „Patienten wurden eingeschüchtert, SA-Posten standen vor der Praxis“ berichtete Tochter Hedwig. Wahrscheinlich schon 1932, noch vor Hitlers Machtübernahme, zogen Fraenkels in eine kleinere Wohnung in der Elisabethstraße 23, zwei Straßen entfernt von ihrer ersten Wohnung. Der Boykott vom ersten April 1933 vertrieb weitere Patienten, mit der Verordnung vom 22. April des gleichen Jahres wurde jüdischen Ärzten die Kassenzulassung entzogen. Die nunmehr reine Privatpraxis ging unter der wachsenden Diskriminierung weiter zurück. 1937 musste Hedwig wegen rassistischer Anfeindungen das Lyzeum Spandau verlassen und besuchte fortan die jüdische Theodor-Herzl-Schule in Charlottenburg. Dies war vielleicht einer der Gründe, warum Fraenkels 1937 in die Bleibtreustraße 33 in eine 3-Zimmerwohnung zogen.
Im Juli 1938 wurde jüdischen Ärzten die Approbation gänzlich entzogen. Mit einer besonderen Erlaubnis durften sie - ausschließlich jüdische - Patienten weiter behandeln, mussten sich aber „Judenbehandler“ statt Arzt nennen und hatten dies auch „deutlich sichtbar“ auf allen Rezepten etc. und auf einem Schild zu vermerken, das, wie auch die Schriftstücke, „auf blauem Grund einen gelben Kreis mit blauen Davidstern zeigt“. An das blaue Schild konnte sich die damals 13-jährige Hedwig deutlich erinnern. Weitere Stigmatisierungen und Demütigungen folgten bald. Juden konnten nicht mehr frei über ihr Vermögen verfügen, sie mussten ihrem Namen „Israel“ bzw. „Sara“ beifügen, Pässe wurden eingezogen oder mit einem „J“ gestempelt.
Fritz und Paula Fraenkel. Foto: privat.
Nach den Pogromen vom 9./10. November 1938 häuften sich nun neue Verordnungen zur Einschränkung des Alltags mit dem Ziel, Juden völlig aus dem öffentlichen Leben auszuschließen. Zu bestimmten Zeiten und an bestimmten Orten durften Juden gar nicht mehr auf die Straße, Theater, Kinos, Badeanstalten etc. waren ihnen verboten. Schmuck und Silber durften sie nicht mehr kaufen oder verkaufen, im Februar 1939 mussten sie dann solche Wertgegenstände für einen symbolischen Preis bei der staatlichen Pfandleihstelle abgeben. Ebenfalls nach den Novemberpogromen wurde für Juden eine „Sühneabgabe“ in Höhe von 20% ihres Vermögens festgesetzt. Für Fraenkels betrug sie 13750 RM, in vier Raten zu zahlen.
Die Theodor-Herzl-Schule wurde in der Pogromnacht in Brand gesetzt, im März 1939 endgültig geschlossen. Fritz Fraenkel gelang es, für seine Tochter eine Platz in einem der „Kindertransporte“ zu bekommen, die von Großbritannien aus nach dem November 1938 organisiert wurden. So verließ die 14-jährige Hedwig 1939 Berlin und ihre Eltern, um in England in eine Pflegefamilie zu kommen. Fritz und Paula Fraenkel konnten vermutlich eine eigene Auswanderung nicht mehr finanzieren. Ab Beginn des Zweiten Weltkriegs war dies ohnehin fast unmöglich. Sie blieben in Berlin und mussten weitere Einschränkungen ihres täglichen Lebens erdulden, wie etwa die Beschlagnahmung von Rundfunkgeräten, die Kündigung von Telefonanschlüssen oder das Tragen des Judensterns.
Im September 1942 wurde ihnen eröffnet, dass sie zur Deportation nach Theresienstadt bestimmt seien. Wie andere vergleichsweise noch wohlhabende Juden wurden sie zu einem „Heimeinkaufsvertrag“ genötigt. Solche mussten auf Geheiß der Gestapo deutsche Juden, die in das „Altersghetto“ Theresienstadt deportiert werden sollten, mit der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland schließen. Darin verpflichtete man sie auf hohe Vorauszahlungen und Abgaben. Im Gegenzug wurde ihnen lebenslange kostenfreie Unterbringung, Verpflegung und Krankenversorgung zugesagt – blanker Hohn in anbetracht der tatsächlichen elenden Bedingungen, die sie erwarteten. Fritz Fraenkel musste dafür 16400 RM, die sowieso auf einem Sperrkonto waren, auf das Sonderkonto „H“ der Reichsvereinigung überweisen lassen. Verfügen konnte die Vereinigung allerdings über diese Vermögenswerte nicht, und sie wurden später vom Reichssicherheitssamt eingestrichen.
Die „Vorauszahlungen“ wurden mit 150 RM monatlich auf ein Lebensalter von 85 Jahren berechnet. Dieses Alter zu erreichen hatten die erst 66 und 55 Jahre alten Fritz und Paula Fraenkel nicht den Hauch von einer Chance. Am 22. September 1942 wurden sie nach Theresienstadt deportiert, auf der Deportationsliste wurde hervorgehoben, dass sie ein Ehepaar seien, er „Krankenbehandler“, sie „Pflegerin“. Vermutlich wurden sie als solche auch in Theresienstadt eingesetzt. Das in jeder Hinsicht erbärmliche Dasein im Ghetto hielten beide über anderthalb Jahre aus, am 30. März 1944 erlag Fritz Fraenkel aber den dort herrschenden katastrophalen Lebensbedingungen. Kurz darauf, am 16. Mai 1944, wurde Paula in einen von drei „Transporten“ von je 2500 Menschen nach Auschwitz gezwungen, durch die das Reichssicherheitshauptamt die unerträgliche Überfüllung des Ghettos vor einer bevorstehenden Besichtigung des Internationalen Roten Kreuzes vertuschen wollte. In Auschwitz wurde Paula Fraenkel entweder gleich in die Gaskammern geschickt oder durch Zwangsarbeit unter unmenschlichen Bedingungen ermordet. Ihr Todesdatum ist nicht bekannt.
Recherchen, Text: Micaela Haas. Quellen: Gedenkbuch. Bundesarchiv Koblenz, 2006; Gedenkbuch Berlin der jüdischen Opfer des Nationalsozialismus 1995; Berliner Adressbücher; Landesarchiv Berlin; Akten des Landesentschädigungsamtes Berlin; Gottwaldt/Schulle, Die „Judendeportationen“ aus dem Deutschen Reich 1941-1945, Wiesbaden 2005; Foto: Jüdisches Museum Berlin http://objekte.jmberlin.de/object/…
Fritz Fraenkel wurde am 10. November 1875 im an der Oder gelegenen Cosel geboren, damals Schlesien, heute Koźle in Polen. Er studierte Medizin in Heidelberg und ließ sich 1921, nach dem Ersten Welkrieg, als praktischer Arzt in Spandau nieder. Er war auch Vertrauensarzt der Siemenswerke in Spandau, vielleicht nahm er deshalb dort Wohnung in der Schönwalder Straße 26. Am 7. Februar 1924 heiratete er Paula Plotke. Paula war am 9. Dezember 1886 in Adelnau (Odolanow) in der Region Posen geboren worden, genauer in Raschkow, Kreis Adelnau. Ihr Vater war höchstwahrscheinlich der Julius Plotke aus Raschkow, der im Adelnauer Kreisblatt im März 1883 seine Eheschließung mit Laura Cohn aus Ostrowo verkündete. 1894, Paula war noch keine 8 Jahre alt, zog die Familie nach Berlin. Julius Plotke betrieb einen Handel mit Mehl und „Landes-Produkten“, also Lebensmittel aus der Landwirtschaft, in der Reinickendorfer Straße 7. Paula, die in einem späteren Dokument als „Pflegerin“ bezeichnet wird, absolvierte wohl eine Ausbildung als Krankenschwester oder Krankenpflegerin. Gut möglich, dass sie über den Gesundheitsbereich Fritz Fraenkel kennen gelernt hatte. Am 25. Januar 1925 wurde ihre Tochter Hedwig in Spandau geboren.
Die gut gehende ärztliche Praxis erlaubte der Familie Fraenkel einen gediegenen Lebensstil. Dies änderte sich jedoch allmählich mit dem Erstarken des Nationalsozialismus und mit ihm des Antisemitismus. „Patienten wurden eingeschüchtert, SA-Posten standen vor der Praxis“ berichtete Tochter Hedwig. Wahrscheinlich schon 1932, noch vor Hitlers Machtübernahme, zogen Fraenkels in eine kleinere Wohnung in der Elisabethstraße 23, zwei Straßen entfernt von ihrer ersten Wohnung. Der Boykott vom ersten April 1933 vertrieb weitere Patienten, mit der Verordnung vom 22. April des gleichen Jahres wurde jüdischen Ärzten die Kassenzulassung entzogen. Die nunmehr reine Privatpraxis ging unter der wachsenden Diskriminierung weiter zurück. 1937 musste Hedwig wegen rassistischer Anfeindungen das Lyzeum Spandau verlassen und besuchte fortan die jüdische Theodor-Herzl-Schule in Charlottenburg. Dies war vielleicht einer der Gründe, warum Fraenkels 1937 in die Bleibtreustraße 33 in eine 3-Zimmerwohnung zogen.
Im Juli 1938 wurde jüdischen Ärzten die Approbation gänzlich entzogen. Mit einer besonderen Erlaubnis durften sie - ausschließlich jüdische - Patienten weiter behandeln, mussten sich aber „Judenbehandler“ statt Arzt nennen und hatten dies auch „deutlich sichtbar“ auf allen Rezepten etc. und auf einem Schild zu vermerken, das, wie auch die Schriftstücke, „auf blauem Grund einen gelben Kreis mit blauen Davidstern zeigt“. An das blaue Schild konnte sich die damals 13-jährige Hedwig deutlich erinnern. Weitere Stigmatisierungen und Demütigungen folgten bald. Juden konnten nicht mehr frei über ihr Vermögen verfügen, sie mussten ihrem Namen „Israel“ bzw. „Sara“ beifügen, Pässe wurden eingezogen oder mit einem „J“ gestempelt.
Fritz und Paula Fraenkel. Foto: privat.
Nach den Pogromen vom 9./10. November 1938 häuften sich nun neue Verordnungen zur Einschränkung des Alltags mit dem Ziel, Juden völlig aus dem öffentlichen Leben auszuschließen. Zu bestimmten Zeiten und an bestimmten Orten durften Juden gar nicht mehr auf die Straße, Theater, Kinos, Badeanstalten etc. waren ihnen verboten. Schmuck und Silber durften sie nicht mehr kaufen oder verkaufen, im Februar 1939 mussten sie dann solche Wertgegenstände für einen symbolischen Preis bei der staatlichen Pfandleihstelle abgeben. Ebenfalls nach den Novemberpogromen wurde für Juden eine „Sühneabgabe“ in Höhe von 20% ihres Vermögens festgesetzt. Für Fraenkels betrug sie 13750 RM, in vier Raten zu zahlen.
Die Theodor-Herzl-Schule wurde in der Pogromnacht in Brand gesetzt, im März 1939 endgültig geschlossen. Fritz Fraenkel gelang es, für seine Tochter eine Platz in einem der „Kindertransporte“ zu bekommen, die von Großbritannien aus nach dem November 1938 organisiert wurden. So verließ die 14-jährige Hedwig 1939 Berlin und ihre Eltern, um in England in eine Pflegefamilie zu kommen. Fritz und Paula Fraenkel konnten vermutlich eine eigene Auswanderung nicht mehr finanzieren. Ab Beginn des Zweiten Weltkriegs war dies ohnehin fast unmöglich. Sie blieben in Berlin und mussten weitere Einschränkungen ihres täglichen Lebens erdulden, wie etwa die Beschlagnahmung von Rundfunkgeräten, die Kündigung von Telefonanschlüssen oder das Tragen des Judensterns.
Im September 1942 wurde ihnen eröffnet, dass sie zur Deportation nach Theresienstadt bestimmt seien. Wie andere vergleichsweise noch wohlhabende Juden wurden sie zu einem „Heimeinkaufsvertrag“ genötigt. Solche mussten auf Geheiß der Gestapo deutsche Juden, die in das „Altersghetto“ Theresienstadt deportiert werden sollten, mit der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland schließen. Darin verpflichtete man sie auf hohe Vorauszahlungen und Abgaben. Im Gegenzug wurde ihnen lebenslange kostenfreie Unterbringung, Verpflegung und Krankenversorgung zugesagt – blanker Hohn in anbetracht der tatsächlichen elenden Bedingungen, die sie erwarteten. Fritz Fraenkel musste dafür 16400 RM, die sowieso auf einem Sperrkonto waren, auf das Sonderkonto „H“ der Reichsvereinigung überweisen lassen. Verfügen konnte die Vereinigung allerdings über diese Vermögenswerte nicht, und sie wurden später vom Reichssicherheitssamt eingestrichen.
Die „Vorauszahlungen“ wurden mit 150 RM monatlich auf ein Lebensalter von 85 Jahren berechnet. Dieses Alter zu erreichen hatten die erst 66 und 55 Jahre alten Fritz und Paula Fraenkel nicht den Hauch von einer Chance. Am 22. September 1942 wurden sie nach Theresienstadt deportiert, auf der Deportationsliste wurde hervorgehoben, dass sie ein Ehepaar seien, er „Krankenbehandler“, sie „Pflegerin“. Vermutlich wurden sie als solche auch in Theresienstadt eingesetzt. Das in jeder Hinsicht erbärmliche Dasein im Ghetto hielten beide über anderthalb Jahre aus, am 30. März 1944 erlag Fritz Fraenkel aber den dort herrschenden katastrophalen Lebensbedingungen. Kurz darauf, am 16. Mai 1944, wurde Paula in einen von drei „Transporten“ von je 2500 Menschen nach Auschwitz gezwungen, durch die das Reichssicherheitshauptamt die unerträgliche Überfüllung des Ghettos vor einer bevorstehenden Besichtigung des Internationalen Roten Kreuzes vertuschen wollte. In Auschwitz wurde Paula Fraenkel entweder gleich in die Gaskammern geschickt oder durch Zwangsarbeit unter unmenschlichen Bedingungen ermordet. Ihr Todesdatum ist nicht bekannt.
Recherchen, Text: Micaela Haas. Quellen: Gedenkbuch. Bundesarchiv Koblenz, 2006; Gedenkbuch Berlin der jüdischen Opfer des Nationalsozialismus 1995; Berliner Adressbücher; Landesarchiv Berlin; Akten des Landesentschädigungsamtes Berlin; Gottwaldt/Schulle, Die „Judendeportationen“ aus dem Deutschen Reich 1941-1945, Wiesbaden 2005; Foto: Jüdisches Museum Berlin http://objekte.jmberlin.de/object/…
Die gut gehende ärztliche Praxis erlaubte der Familie Fraenkel einen gediegenen Lebensstil. Dies änderte sich jedoch allmählich mit dem Erstarken des Nationalsozialismus und mit ihm des Antisemitismus. „Patienten wurden eingeschüchtert, SA-Posten standen vor der Praxis“ berichtete Tochter Hedwig. Wahrscheinlich schon 1932, noch vor Hitlers Machtübernahme, zogen Fraenkels in eine kleinere Wohnung in der Elisabethstraße 23, zwei Straßen entfernt von ihrer ersten Wohnung. Der Boykott vom ersten April 1933 vertrieb weitere Patienten, mit der Verordnung vom 22. April des gleichen Jahres wurde jüdischen Ärzten die Kassenzulassung entzogen. Die nunmehr reine Privatpraxis ging unter der wachsenden Diskriminierung weiter zurück. 1937 musste Hedwig wegen rassistischer Anfeindungen das Lyzeum Spandau verlassen und besuchte fortan die jüdische Theodor-Herzl-Schule in Charlottenburg. Dies war vielleicht einer der Gründe, warum Fraenkels 1937 in die Bleibtreustraße 33 in eine 3-Zimmerwohnung zogen.
Im Juli 1938 wurde jüdischen Ärzten die Approbation gänzlich entzogen. Mit einer besonderen Erlaubnis durften sie - ausschließlich jüdische - Patienten weiter behandeln, mussten sich aber „Judenbehandler“ statt Arzt nennen und hatten dies auch „deutlich sichtbar“ auf allen Rezepten etc. und auf einem Schild zu vermerken, das, wie auch die Schriftstücke, „auf blauem Grund einen gelben Kreis mit blauen Davidstern zeigt“. An das blaue Schild konnte sich die damals 13-jährige Hedwig deutlich erinnern. Weitere Stigmatisierungen und Demütigungen folgten bald. Juden konnten nicht mehr frei über ihr Vermögen verfügen, sie mussten ihrem Namen „Israel“ bzw. „Sara“ beifügen, Pässe wurden eingezogen oder mit einem „J“ gestempelt.
Fritz und Paula Fraenkel. Foto: privat.
Nach den Pogromen vom 9./10. November 1938 häuften sich nun neue Verordnungen zur Einschränkung des Alltags mit dem Ziel, Juden völlig aus dem öffentlichen Leben auszuschließen. Zu bestimmten Zeiten und an bestimmten Orten durften Juden gar nicht mehr auf die Straße, Theater, Kinos, Badeanstalten etc. waren ihnen verboten. Schmuck und Silber durften sie nicht mehr kaufen oder verkaufen, im Februar 1939 mussten sie dann solche Wertgegenstände für einen symbolischen Preis bei der staatlichen Pfandleihstelle abgeben. Ebenfalls nach den Novemberpogromen wurde für Juden eine „Sühneabgabe“ in Höhe von 20% ihres Vermögens festgesetzt. Für Fraenkels betrug sie 13750 RM, in vier Raten zu zahlen.
Die Theodor-Herzl-Schule wurde in der Pogromnacht in Brand gesetzt, im März 1939 endgültig geschlossen. Fritz Fraenkel gelang es, für seine Tochter eine Platz in einem der „Kindertransporte“ zu bekommen, die von Großbritannien aus nach dem November 1938 organisiert wurden. So verließ die 14-jährige Hedwig 1939 Berlin und ihre Eltern, um in England in eine Pflegefamilie zu kommen. Fritz und Paula Fraenkel konnten vermutlich eine eigene Auswanderung nicht mehr finanzieren. Ab Beginn des Zweiten Weltkriegs war dies ohnehin fast unmöglich. Sie blieben in Berlin und mussten weitere Einschränkungen ihres täglichen Lebens erdulden, wie etwa die Beschlagnahmung von Rundfunkgeräten, die Kündigung von Telefonanschlüssen oder das Tragen des Judensterns.
Im September 1942 wurde ihnen eröffnet, dass sie zur Deportation nach Theresienstadt bestimmt seien. Wie andere vergleichsweise noch wohlhabende Juden wurden sie zu einem „Heimeinkaufsvertrag“ genötigt. Solche mussten auf Geheiß der Gestapo deutsche Juden, die in das „Altersghetto“ Theresienstadt deportiert werden sollten, mit der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland schließen. Darin verpflichtete man sie auf hohe Vorauszahlungen und Abgaben. Im Gegenzug wurde ihnen lebenslange kostenfreie Unterbringung, Verpflegung und Krankenversorgung zugesagt – blanker Hohn in anbetracht der tatsächlichen elenden Bedingungen, die sie erwarteten. Fritz Fraenkel musste dafür 16400 RM, die sowieso auf einem Sperrkonto waren, auf das Sonderkonto „H“ der Reichsvereinigung überweisen lassen. Verfügen konnte die Vereinigung allerdings über diese Vermögenswerte nicht, und sie wurden später vom Reichssicherheitssamt eingestrichen.
Die „Vorauszahlungen“ wurden mit 150 RM monatlich auf ein Lebensalter von 85 Jahren berechnet. Dieses Alter zu erreichen hatten die erst 66 und 55 Jahre alten Fritz und Paula Fraenkel nicht den Hauch von einer Chance. Am 22. September 1942 wurden sie nach Theresienstadt deportiert, auf der Deportationsliste wurde hervorgehoben, dass sie ein Ehepaar seien, er „Krankenbehandler“, sie „Pflegerin“. Vermutlich wurden sie als solche auch in Theresienstadt eingesetzt. Das in jeder Hinsicht erbärmliche Dasein im Ghetto hielten beide über anderthalb Jahre aus, am 30. März 1944 erlag Fritz Fraenkel aber den dort herrschenden katastrophalen Lebensbedingungen. Kurz darauf, am 16. Mai 1944, wurde Paula in einen von drei „Transporten“ von je 2500 Menschen nach Auschwitz gezwungen, durch die das Reichssicherheitshauptamt die unerträgliche Überfüllung des Ghettos vor einer bevorstehenden Besichtigung des Internationalen Roten Kreuzes vertuschen wollte. In Auschwitz wurde Paula Fraenkel entweder gleich in die Gaskammern geschickt oder durch Zwangsarbeit unter unmenschlichen Bedingungen ermordet. Ihr Todesdatum ist nicht bekannt.
Recherchen, Text: Micaela Haas. Quellen: Gedenkbuch. Bundesarchiv Koblenz, 2006; Gedenkbuch Berlin der jüdischen Opfer des Nationalsozialismus 1995; Berliner Adressbücher; Landesarchiv Berlin; Akten des Landesentschädigungsamtes Berlin; Gottwaldt/Schulle, Die „Judendeportationen“ aus dem Deutschen Reich 1941-1945, Wiesbaden 2005; Foto: Jüdisches Museum Berlin http://objekte.jmberlin.de/object/…