Leo Pich

Verlegeort
Nassauische Str. 27
Bezirk/Ortsteil
Wilmersdorf
Verlegedatum
22. Oktober 2009
Geboren
15. Juli 1883 in Borzykowo
Deportation
am 26. Februar 1943 nach Auschwitz
Ermordet
in Auschwitz

Leo Pich wurde am 15. Juli 1883 in Borzykowo im Kreis Wreschen, Pommern (heute Polen) geboren. Sein Vater war der Handelsmann Salomon (Samuel oder auch Schmuel genannt) Pich (*1852) und seine Mutter Rahel (auch Rahle genannt) Pich geborene Stein (*1854) aus Adlig Lonken, Kreis Bütow. Das Ehepaar hatte insgesamt acht Kinder. Leo hatte zwei ältere Schwestern, Jenny (*1877) und Ernestine (*1879), sowie einen älteren Bruder Willy (*1881). Im Februar 1885 kam sein jüngerer Bruder Hermann, 1887 seine Schwester Amalie, 1889 sein Bruder Max und 1891 sein Bruder Louis zur Welt. Leos Onkel Simon Pich, der Bruder seines Vaters, und Leos Tante Ernestine Pich geborene Stein, die Schwester seiner Mutter, hatten zusammen 11 Kinder. Leo erhielt seinen Namen nach seinem Cousin Leo, der ein Jahr zuvor, am 6. Oktober 1882, geboren worden war. Auch bei Willi, Hermann, Louis und Amalie gab es Namensgleichheiten zwischen den beiden Familien. 

Wann Leo seine spätere Ehefrau Klara Weck kennenlernte, ist nicht bekannt. Sie heirateten am 9. Juni 1908 in Klaras Geburtsstadt Hammerstein, Kreis Schlochau, in Pommern. Trauzeuge war sein älterer, 26-jähriger Bruder, der Kaufmann Willy Pich. Leo wohnte damals in Bütow (Bytów). Hier wurde auch Leos und Klaras Sohn Werner am 5. März 1909 geboren. 

Leos Brüder Hermann und Max gingen schon 1913, vor dem Ersten Weltkrieg, nach Berlin. Das Bütower Land wurde nach dem Versailler Vertrag 1920 infolge der Einrichtung des Polnischen Korridors zur Grenzregion Pommerellen. Es ist anzunehmen, dass aus diesem Grund Willi und Louis Pich ebenfalls nach Berlin gingen. Wo Leo bis 1936 mit seiner Familie lebte, ist nicht bekannt.

Sein jüngerer Bruder Hermann Pich führte das „Möbel-Haus Hermann Pich“ in der Neander Straße 18 in Berlin-Mitte. Hermanns Tochter Ilse wurde 1914 in Berlin geboren. Er wohnte mit seiner Familie in der Hermannstr. 229 in Neukölln.

Der ältere Bruder Willy Pich betrieb 1921 eine Darmgroßhandlung in der Josephstraße 6 in Berlin-Mitte. Max Pich wohnte in Berlin-Neukölln am Kottbusser Damm 73 in einer 4-Zimmer-Wohnung, wo auch er eine Möbelhandlung bzw. ein Möbelkaufhaus aufbaute. Er war Eigentümer eines Mietshauses in der Ebersstraße 85 in Berlin-Schöneberg. Louis Pich, der jüngste Bruder, betrieb mit seiner Ehefrau, der Fleischereiverkäuferin Käthe geborene Knopfmacher, eine Fleischerei in der Wollankstraße 104 in Berlin-Pankow. 

Die inzwischen verwitwete Mutter der Familie, Rahel Pich, lebte in Berlin-Hohenschönhausen in der Zingsterstraße 3. Sie starb mit 82 Jahren am 20. Januar 1936. Leos Bruder Max zeigte den Tod beim Standesamt an.

 1936 war Leo das erste Mal in Berlin gemeldet. Er zog mit Frau und Sohn in eine 2-Zimmer-Parterre-Wohnung im Gartenhaus der Nassauischen Straße 27 in Berlin-Wilmersdorf. Er war zu diesem Zeitpunkt 53 Jahre alt. 

Leos Schwester Ernestine gelang die Flucht in die USA. Hermanns Tochter Ilse hatte am 29. Dezember 1938 in Berlin geheiratet und emigrierte dann rechtzeitig, Anfang 1939, mit ihrem Ehemann nach Sydney, Australien. Max' Tochter Ingeborg (geboren am 6. März 1919 in Berlin) gelang mit ihrem Ehemann Naphtali Reich am 24. Februar 1939 die Flucht nach Palästina.

1941 wurde Leo zur Zwangsarbeit bei einem Unternehmen namens Lentz in Berlin-Niederschönhausen verpflichtet. Sein Lohn betrug 30 RM wöchentlich. 

Sein Bruder Max und dessen Ehefrau Sidonia geborene Salomon bekamen Anfang Oktober 1941 als erste den Deportationsbefehl. Sie wurden nach Litzmannstadt (Łódź) deportiert. Es ist anzunehmen, dass sie in dem Vernichtungslager Kulmhof (Chełmno) 1942 ermordet wurden.

Wann Leos jüngster Bruder Louis nach Brüssel flüchtete, ist nicht bekannt. Er wurde 1942 im Lager „Le Mazures“ in Frankreich interniert und von dort nach Auschwitz deportiert und ermordet.

Die älteste Schwester Jenny Korn geborene Pich lebte in Magdeburg und wurde am 14. April 1942 von dort in das Warschauer Ghetto deportiert.

Am 22. Februar 1943 holte die Gestapo Leos Familie aus der Nassauischen Straße 27 ab. Auch sein Bruder Willy Pich und dessen Ehefrau Elly geborene Josephsohn (*1885) wurden an diesem Tag in der Schmidtstraße 4 in Berlin-Mitte von der Gestapo abgeholt und in das Sammellager in der Großen Hamburger Straße 26 gebracht. Hier füllten sie am 23. Februar 1943 ihre Vermögenserklärungen aus. Leo gab an, ein Guthaben bei der Deutschen Bank von 580 RM und eine Konkursforderung von 550 RM zu haben. Er war Konkursgläubiger der Firma Tietz & Co, dessen jüdischer Inhaber Gustav Gerst aus Frankfurt stammte. Außerdem war er am Kauferlös des Grundstücks Kantstraße 6, welches er von seiner Mutter geerbt hatte, beteiligt.

Am 26. Februar 1943 wurden Leo Pich und seine Familie mit dem 30. Osttransport nach Auschwitz deportiert.

Leo und Klara wurden vermutlich sofort nach der Ankunft in den Gaskammern ermordet. Leo Pich musste aufgrund von antisemitischem Rassenwahn und Verschwörungstheorien mit 59 Jahren sterben.

Leos Bruder Hermann und dessen Ehefrau Nelly geborene Salomon blieben in Berlin zurück. Sie wurden aufgrund von Hermanns Kriegsverletzung nicht nach Auschwitz, sondern am 4. August 1943 nach Theresienstadt deportiert. Sie überlebten das Ghetto und emigrierten nach dem Krieg nach Australien zu ihrer Tochter Ilse.