Cäcilie Margarete Freund geb. Goldhammer

Verlegeort
Wielandstr. 31
Bezirk/Ortsteil
Charlottenburg
Verlegedatum
21. Mai 2008
Geboren
01. März 1893 in Gleiwitz (Schlesien) / Gliwice
Deportation
am 14. April 1942 nach Warschau
Ermordet

Cäcilie Margarete Freunds Mädchenname war Goldhammer, Margarete war der Rufname. Sie wurde am 1. März 1893 in Gleiwitz, Schlesien, (heute polnisch Gliwice) geboren. Ihr Vater Emil Goldhammer betrieb dort ein Mehlprodukte- und Getreidegeschäft in der Gleiwitzer Nikolaistraße. Die Mutter Amalie war eine geborene Nothmann. Margarete wuchs in Gleiwitz auf, vermutlich 1919 heiratete sie den acht Jahre älteren Eugen Freund aus Heiduck bei Beuthen. Die Familien Nothmann und Freund, beide aus dem Gebiet Gleiwitz/Beuthen, hatten viele Kontakte untereinander und es ist denkbar, dass Margarete und Eugen sich von Familienfeiern her kannten.<br />
<br />
Eugen Freund war Mathematik-, Physik- und Chemielehrer, 1909 hatte er sein Staatsexamen in Breslau gemacht und spätestens 1919 ließ er sich mit seiner jungen Frau in Oppeln (heute Opole) nieder, wo er als Studienrat, später als Oberstudienrat, am Oberrealgymnasium lehrte. Am 26. September 1920 kam die Tochter Marianne zur Welt, am 9. Dezember 1921 der Sohn Hans Hermann. In den 1920er Jahren wohnte die Familie in der Moltkestraße 17.<br />
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1933, nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten, musste Eugen Freund als Jude seine Stelle infolge des „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ verlassen. Er wurde nach Patschkau an der tschechischen Grenze versetzt (heute Paczków). Drei Jahre später, 1936, wurde er aus dem Schuldienst genommen, aber noch in Breslau an der Universitätsbibliothek in der Orientalischen Abteilung beschäftigt. Schon Ende des Jahres 1936 jedoch versetzte man den erst 51-jährigen in den Ruhestand. Eugen Freund zog abermals mit seiner Familie um, diesmal nach Berlin, wo er eine Wohnung in der Richard-Wagner-Straße 5 und eine Anstellung an der Privatschule der Jüdischen Gemeinde in der Wilsnacker Straße fand. Nach dem Pogrom vom 9./10. November 1938 aber wurde er von der Gestapo gesucht und tauchte mit seinem 16 Jahre alten Sohn unter, bis die Gestapo, die zunächst zweimal täglich in der Richard-Wagner-Straße nach ihm fragte, von ihm abließ. Diese Ereignisse nahmen Eugen Freund physisch und psychisch so stark mit, dass er ein Magengeschwür und einen Magendurchbruch erlitt. Er wurde im Jüdischen Krankenhaus operiert, aber eine Lungenentzündung kam hinzu und am 18. Dezember 1938 starb Eugen Freund im Krankenhaus. Er wurde in Weißensee bestattet.<br />
<br />
Nach dem Tod ihres Mannes zog Margarete Freund mit ihren beiden Kindern zur Untermiete bei Wilhelm Herzfeld in die Wielandstraße 31. Wie viele durch die letzten Verfolgungen aufgeschreckt, betrieb sie jetzt die Ausreise ihrer Kinder: am 3. Mai 1939 konnte Hans Hermann mit einem Kindertransport nach England flüchten. Drei Wochen später, am 24. Mai, schiffte sich Marianne in Holland nach Australien ein. Eine Ausreise auch für Margarete war inzwischen schier unmöglich. Zahlreiche finanzielle Einschränkungen und Sonderabgaben, wie etwa die „Reichsfluchtsteuer“ oder die „Sühneabgabe“, und weitgehende Deviseneinschränkungen machten eine Emigration von Erwachsenen kaum finanzierbar. Hinzu kamen die Schwierigkeiten, ein Visum zu erhalten, da mittlerweile fast alle Quoten von Aufnahmeländern ausgeschöpft waren.<br />
<br />
Margarete blieb also zunächst in der Wielandstraße 31 und trotzte den immer schwereren Lebensbedingungen für Juden. Durch die „Siebente Verordnung zum Reichsbürgergesetz“ vom 5. Dezember 1938 war ihre Witwenpension reduziert worden. Im März 1939 musste sie allen Schmuck und Silbergegenstände abliefern. Besuche von Kinos, Theatern, Konzerten usw. waren ihr verboten. Das waren nur einige der vielen antisemitischen Maßnahmen des Regimes. Margarete sah sich auch genötigt, sehr wahrscheinlich unter Zwang, noch einmal umzuziehen: ab November 1940 wohnte sie zur Untermiete bei Ludwig und Marta Lilienfeld in der Meinekestraße 24. Schließlich wurde sie auch zur Zwangsarbeit herangezogen, und zwar bei der Firma Nora-Radio, ein ehemals jüdischer Betrieb – Aronwerke, von Hermann Aron 1885 gegründet und 1935 zwangsweise unter Wert an Siemens verkauft, eine sogenannte „Arisierung“. <br />
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Anfang März 1942 wurde Margarete Freund mitgeteilt, dass sie zur „Abwanderung“ vorgesehen sei und eine Vermögenserklärung auszufüllen habe. Diese unterschrieb sie am 14. März, ihr ganzes „Vermögen“ bestand aus einigen Kleidungsstücken und rund 200 RM. Unterschreiben musste sie auch eine Erklärung des Wortlauts: „Mir ist eröffnet worden, dass mein gesamtes Vermögen als beschlagnahmt gilt.[...] Es ist mir bekannt, dass Nachprüfung noch vor dem Abtransport vorgenommen wird und dass ich bei Verstoß gegen diese Anordnung auf keine Nachsicht zu rechnen habe.“ Mit irgendwelcher Nachsicht konnte Margarete sowieso nicht mehr rechnen. Sie wurde in ein Sammellager gebracht, wahrscheinlich die ehemalige Synagoge in der Levetzowstraße 7/8, und am 14. April vom Bahnhof Grunewald aus mit bis zu 1000 anderen Opfern aus Berlin, Potsdam und anderen Brandenburger Orten in das Warschauer Ghetto deportiert. <br />
<br />
Dieses Ghetto wurde Mitte 1940 von den deutschen Besatzern in der Warschauer Altstadt eingerichtet und durch eine hohe Mauer und Wachposten isoliert. Juden aus Warschau und anderen polnischen Regionen wurden hier zusammengepfercht. 1942 wurden auch Juden aus dem „Altreich“ dorthin deportiert. Ein von den Deutschen eingesetzter und ihnen vollkommen unterstellter „Judenrat“ täuschte Selbstverwaltung vor. Überfüllung, Hunger und Seuchen bestimmten die Lebensbedingungen. Etwa 500000 Menschen mussten auf engstem Raum zusammenleben, 6-7 Leute hatten sich ein Zimmer zu teilen. Die Nahrungsmittelrationen betrugen 184 Kalorien pro Tag und Kopf (für Polen 634, für Deutsche 2310), Flecktyphus und andere Krankheiten machten die Runde. Zudem war Zwangsarbeit an der Tagesordnung. Margarete Freund wurde hier in die Gartenstraße 27 eingewiesen.<br />
<br />
Die letzte Nachricht ihrer Mutter, die Marianne Freund in Melbourne erhielt, war auf den 21. Juni 1942 datiert - ein paar knappe Zeilen in einem Rotkreuz-Brief (höchstens 25 Worte waren erlaubt): „Seit 16. April hier. Gesund hoffentlich Ihr auch. Bemühe mich – durchzuhalten. Gedenke Eurer. [...] Gretel“. Margaretes weiteres Schicksal ist nicht dokumentiert. Ab Juli 1942 wurden die Ghettobewohner weiter in Vernichtungslager deportiert, vor allem nach Treblinka. Falls Margarete Freund tatsächlich durchhalten konnte und nicht an den menschenunwürdigen Lebensbedingungen umkam, ist es sehr wahrscheinlich, dass auch sie in Treblinka ermordet wurde. Ein weiteres Lebenszeichen von ihr bekamen ihre Kinder nicht mehr.<br />
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Marianne Freund heiratete in Melbourne, Hans konnte, nachdem er bei Kriegsbeginn in England interniert worden war, schließlich auch nach Australien weiter emigrieren. Margaretes letzte Vermieter, Ludwig und Marta Lilienfeld, wurden am 26. September 1942 deportiert und in Raasiku bei Reval ermordet. Bei der Räumung ihrer Wohnung befand sich die „beschlagnahmte“ Habe von Margarete Freund in einem einzigen versiegelten Koffer. Nach dem Krieg scheiterte ihre Tochter daran, herauszufinden, wo der Rest der Einrichtung ihrer ursprünglich 5 Zimmer großen Wohnung geblieben war.<br />

Cäcilie Margarete Freunds Mädchenname war Goldhammer, Margarete war der Rufname. Sie wurde am 1. März 1893 in Gleiwitz, Schlesien, (heute polnisch Gliwice) geboren. Ihr Vater Emil Goldhammer betrieb dort ein Mehlprodukte- und Getreidegeschäft in der Gleiwitzer Nikolaistraße. Die Mutter Amalie war eine geborene Nothmann. Margarete wuchs in Gleiwitz auf, vermutlich 1919 heiratete sie den acht Jahre älteren Eugen Freund aus Heiduck bei Beuthen. Die Familien Nothmann und Freund, beide aus dem Gebiet Gleiwitz/Beuthen, hatten viele Kontakte untereinander und es ist denkbar, dass Margarete und Eugen sich von Familienfeiern her kannten.

Eugen Freund war Mathematik-, Physik- und Chemielehrer, 1909 hatte er sein Staatsexamen in Breslau gemacht und spätestens 1919 ließ er sich mit seiner jungen Frau in Oppeln (heute Opole) nieder, wo er als Studienrat, später als Oberstudienrat, am Oberrealgymnasium lehrte. Am 26. September 1920 kam die Tochter Marianne zur Welt, am 9. Dezember 1921 der Sohn Hans Hermann. In den 1920er Jahren wohnte die Familie in der Moltkestraße 17.

1933, nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten, musste Eugen Freund als Jude seine Stelle infolge des „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ verlassen. Er wurde nach Patschkau an der tschechischen Grenze versetzt (heute Paczków). Drei Jahre später, 1936, wurde er aus dem Schuldienst genommen, aber noch in Breslau an der Universitätsbibliothek in der Orientalischen Abteilung beschäftigt. Schon Ende des Jahres 1936 jedoch versetzte man den erst 51-jährigen in den Ruhestand. Eugen Freund zog abermals mit seiner Familie um, diesmal nach Berlin, wo er eine Wohnung in der Richard-Wagner-Straße 5 und eine Anstellung an der Privatschule der Jüdischen Gemeinde in der Wilsnacker Straße fand. Nach dem Pogrom vom 9./10. November 1938 aber wurde er von der Gestapo gesucht und tauchte mit seinem 16 Jahre alten Sohn unter, bis die Gestapo, die zunächst zweimal täglich in der Richard-Wagner-Straße nach ihm fragte, von ihm abließ. Diese Ereignisse nahmen Eugen Freund physisch und psychisch so stark mit, dass er ein Magengeschwür und einen Magendurchbruch erlitt. Er wurde im Jüdischen Krankenhaus operiert, aber eine Lungenentzündung kam hinzu und am 18. Dezember 1938 starb Eugen Freund im Krankenhaus. Er wurde in Weißensee bestattet.

Nach dem Tod ihres Mannes zog Margarete Freund mit ihren beiden Kindern zur Untermiete bei Wilhelm Herzfeld in die Wielandstraße 31. Wie viele durch die letzten Verfolgungen aufgeschreckt, betrieb sie jetzt die Ausreise ihrer Kinder: am 3. Mai 1939 konnte Hans Hermann mit einem Kindertransport nach England flüchten. Drei Wochen später, am 24. Mai, schiffte sich Marianne in Holland nach Australien ein. Eine Ausreise auch für Margarete war inzwischen schier unmöglich. Zahlreiche finanzielle Einschränkungen und Sonderabgaben, wie etwa die „Reichsfluchtsteuer“ oder die „Sühneabgabe“, und weitgehende Deviseneinschränkungen machten eine Emigration von Erwachsenen kaum finanzierbar. Hinzu kamen die Schwierigkeiten, ein Visum zu erhalten, da mittlerweile fast alle Quoten von Aufnahmeländern ausgeschöpft waren.

Margarete blieb also zunächst in der Wielandstraße 31 und trotzte den immer schwereren Lebensbedingungen für Juden. Durch die „Siebente Verordnung zum Reichsbürgergesetz“ vom 5. Dezember 1938 war ihre Witwenpension reduziert worden. Im März 1939 musste sie allen Schmuck und Silbergegenstände abliefern. Besuche von Kinos, Theatern, Konzerten usw. waren ihr verboten. Das waren nur einige der vielen antisemitischen Maßnahmen des Regimes. Margarete sah sich auch genötigt, sehr wahrscheinlich unter Zwang, noch einmal umzuziehen: ab November 1940 wohnte sie zur Untermiete bei Ludwig und Marta Lilienfeld in der Meinekestraße 24. Schließlich wurde sie auch zur Zwangsarbeit herangezogen, und zwar bei der Firma Nora-Radio, ein ehemals jüdischer Betrieb – Aronwerke, von Hermann Aron 1885 gegründet und 1935 zwangsweise unter Wert an Siemens verkauft, eine sogenannte „Arisierung“.

Anfang März 1942 wurde Margarete Freund mitgeteilt, dass sie zur „Abwanderung“ vorgesehen sei und eine Vermögenserklärung auszufüllen habe. Diese unterschrieb sie am 14. März, ihr ganzes „Vermögen“ bestand aus einigen Kleidungsstücken und rund 200 RM. Unterschreiben musste sie auch eine Erklärung des Wortlauts: „Mir ist eröffnet worden, dass mein gesamtes Vermögen als beschlagnahmt gilt.[...] Es ist mir bekannt, dass Nachprüfung noch vor dem Abtransport vorgenommen wird und dass ich bei Verstoß gegen diese Anordnung auf keine Nachsicht zu rechnen habe.“ Mit irgendwelcher Nachsicht konnte Margarete sowieso nicht mehr rechnen. Sie wurde in ein Sammellager gebracht, wahrscheinlich die ehemalige Synagoge in der Levetzowstraße 7/8, und am 14. April vom Bahnhof Grunewald aus mit bis zu 1000 anderen Opfern aus Berlin, Potsdam und anderen Brandenburger Orten in das Warschauer Ghetto deportiert.

Dieses Ghetto wurde Mitte 1940 von den deutschen Besatzern in der Warschauer Altstadt eingerichtet und durch eine hohe Mauer und Wachposten isoliert. Juden aus Warschau und anderen polnischen Regionen wurden hier zusammengepfercht. 1942 wurden auch Juden aus dem „Altreich“ dorthin deportiert. Ein von den Deutschen eingesetzter und ihnen vollkommen unterstellter „Judenrat“ täuschte Selbstverwaltung vor. Überfüllung, Hunger und Seuchen bestimmten die Lebensbedingungen. Etwa 500000 Menschen mussten auf engstem Raum zusammenleben, 6-7 Leute hatten sich ein Zimmer zu teilen. Die Nahrungsmittelrationen betrugen 184 Kalorien pro Tag und Kopf (für Polen 634, für Deutsche 2310), Flecktyphus und andere Krankheiten machten die Runde. Zudem war Zwangsarbeit an der Tagesordnung. Margarete Freund wurde hier in die Gartenstraße 27 eingewiesen.

Die letzte Nachricht ihrer Mutter, die Marianne Freund in Melbourne erhielt, war auf den 21. Juni 1942 datiert - ein paar knappe Zeilen in einem Rotkreuz-Brief (höchstens 25 Worte waren erlaubt): „Seit 16. April hier. Gesund hoffentlich Ihr auch. Bemühe mich – durchzuhalten. Gedenke Eurer. [...] Gretel“. Margaretes weiteres Schicksal ist nicht dokumentiert. Ab Juli 1942 wurden die Ghettobewohner weiter in Vernichtungslager deportiert, vor allem nach Treblinka. Falls Margarete Freund tatsächlich durchhalten konnte und nicht an den menschenunwürdigen Lebensbedingungen umkam, ist es sehr wahrscheinlich, dass auch sie in Treblinka ermordet wurde. Ein weiteres Lebenszeichen von ihr bekamen ihre Kinder nicht mehr.

Marianne Freund heiratete in Melbourne, Hans konnte, nachdem er bei Kriegsbeginn in England interniert worden war, schließlich auch nach Australien weiter emigrieren. Margaretes letzte Vermieter, Ludwig und Marta Lilienfeld, wurden am 26. September 1942 deportiert und in Raasiku bei Reval ermordet. Bei der Räumung ihrer Wohnung befand sich die „beschlagnahmte“ Habe von Margarete Freund in einem einzigen versiegelten Koffer. Nach dem Krieg scheiterte ihre Tochter daran, herauszufinden, wo der Rest der Einrichtung ihrer ursprünglich 5 Zimmer großen Wohnung geblieben war.